Sommer 2011 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
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Wie der Bernstein an die Samlandküste kam<br />
Den alten Mythen Griechenlands<br />
die Sage ist entnommen,<br />
wie jenes „Gold der Ostsee“ einst<br />
ins Samland ist gekommen.<br />
Klymene, eine Königin,<br />
tät zu den Kindern sagen:<br />
„Seht, euer Vater Helios<br />
lenkt dort den Sonnenwagen!“<br />
Als Phäthon dies vernahm, ihr Sohn,<br />
stieg er mit flinken Füßen<br />
sogleich zum weiten Himmel auf,<br />
den Vater zu begrüßen.<br />
„O Vater, nur für einen Tag<br />
lass mich den Wagen führen!<br />
Die Rosse werden, glaube mir,<br />
den Wechsel gar nicht spüren!“<br />
„Den Wunsch, mein Sohn“, sprach Helios,<br />
„kann ich dir nicht erfüllen.<br />
Die wilden Pferde würden sich<br />
nicht fügen deinem Willen.“<br />
„O Vater, lass die Zügel mir!<br />
Ich fühle Mut und Stärke!<br />
Beweisen muss ich, dass ich kann<br />
vollbringen große Werke!“<br />
„Nein, Sohn. Entsetzen würden dich<br />
des Himmels Schreckgestalten,<br />
der ,Leu’, die ,Schlange’, der<br />
,Skorpion’,<br />
du könntest dich nicht halten.“<br />
„Ach Vater, Vater, wehr mir nicht!<br />
Nichts könnte mich erschrecken!<br />
Ich stelle mich dem ärgsten Graus<br />
mit meinem Mut, dem kecken!“<br />
Der Jüngling bat ohn’ Unterlass,<br />
er drängte ohne Ende,<br />
bis Vater Helios ihm gab<br />
die Zügel in die Hände.<br />
Da lenkte Phäton das Gespann<br />
kühn in des Himmels Weite.<br />
Die lichte Morgenröte zog<br />
Aurora ihm zur Seite.<br />
Wie stand er dort so hell und jung<br />
auf seinem goldnen Wagen!<br />
Die Mutter und die Schwestern sahn<br />
ihn hoch am Himmel jagen.<br />
Da reckte sich der „Skorpion“,<br />
der „Leu“ sich ihm entgegen.<br />
Entsetzt sah er die „Schlange“ nahn,<br />
sich glitzernd um ihn legen.<br />
Der Anblick und der jähe Schock<br />
ihm die Besinnung raubten.<br />
Die Rosse spürten dies sogleich.<br />
Sie bäumten sich, sie schnaubten.<br />
Der Zügel fiel ihm aus der Hand.<br />
Da donnerten die Pferde<br />
entfesselt übers Himmelszelt.<br />
Und bebend lag die Erde.<br />
Der Wagen küselte herab<br />
und Phäton stürzte nieder.<br />
Am Erdengrund fand er den Tod,<br />
zerschmettert Haupt und Glieder.<br />
O, wie die Mutter um den Sohn<br />
mit ihren Töchtern weinte!<br />
Und auch der Vater sich im Leid<br />
mit ihrem Schmerz vereinte.<br />
An Samlands Küste, wird gesagt,<br />
sei alles dies geschehen.<br />
Man kann die Tränen heute noch<br />
als Bernstein liegen sehen.<br />
Verfasser unbekannt<br />
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