Sommer 2011 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
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Gegenüber, an der anderen Seite der Straße nach Diwitten, befindet sich, etwas<br />
erhöht, der von der deutschen Minderheit betreute deutsche Soldatenfriedhof.<br />
Theodor und Lucia von Jagodinski,<br />
früher Rosenau, Kreis Allenstein und Allenstein-Stadt<br />
Am Maashof 45, 47269 Duisburg<br />
Der lange Weg zur Êgroßen Schwester“<br />
Einige Monate vor seinem 70. Geburtstag kreisten die Gedanken meines<br />
Mannes (Otfried Baustaedt) immer öfter um den Plan, seine Geburtsstadt<br />
Allenstein zu besuchen, um den Spuren nachzugehen, die durch viele Erzählungen<br />
von seiner Mutter und seiner Tante gelegt worden waren. Beide Eltern<br />
waren seit 1938 Lehrer in Allenstein: am Gymnasium (Dr. Baustaedt) und an<br />
der Kopernikusschule (Frau Baustaedt). Frau Baustaedt und Sohn hatten<br />
Allenstein am 21. Januar 1945 mit einem der letzten Züge noch verlassen<br />
können. Eine Woche später fanden sie Zuflucht im Haus der Großeltern in<br />
Göttingen. Sein Vater war im August 1941 im Felde gefallen. Um sich mit<br />
dem Wenigen, was er von den örtlichen Gegebenheiten von Allenstein wusste,<br />
zurechtzufinden, kam er auf die Idee, bei der <strong>Stadtgemeinschaft</strong> Allenstein<br />
in Gelsenkirchen anzufragen, ob ein alter Stadtplan von Allenstein mit deutschen<br />
Straßenbezeichnungen zu bekommen sei. Die Dame am Telefon konnte<br />
ihm weiterhelfen und fragte abschließend, wo er denn in Allenstein gewohnt<br />
habe. Viel wusste er nicht, aber dass er in der Herm.-Göring-Straße<br />
gewohnt hatte und dass eine Bäckerei und eine Schlachterei im selben Haus<br />
waren, hatte man ihm oft erzählt. Anschließend wurde ihm empfohlen, Kontakt<br />
zu Frau Christel Becker, geb. Kolberg, aufzunehmen, die seit Jahren regelmäßig<br />
nach Allenstein fuhr und in der Herm.-Göring-Straße gewohnt hatte.<br />
Sie könnte ihm bestimmt weiterhelfen und gab ihm ihre Telefonnummer. Dort<br />
rief er sofort an und trug ihr sein Anliegen vor. Sie fragte nochmals nach seinem<br />
Namen, und dann stellte sie die erstaunliche Frage: „Sind Sie etwa<br />
Hasilein?“ (Hase war und ist bis heute der liebevolle Kindername in der Familie<br />
Baustaedt.) Man kann sich die Erschütterung an beiden Telefonenden kaum<br />
vorstellen. Frau Becker war die Tochter aus jener Bäckerfamilie, an deren Geschäft<br />
sich mein Mann noch erinnern konnte und die auch im selben Haus<br />
und Stockwerk wohnte. Sie selbst hatte oft ihre kleine Schwester im Sandkasten<br />
auf dem Hof des Hauses beaufsichtigt, in dem auch mein Mann spielte.<br />
So hatte sie oft miterlebt, wie die Mutter meines Mannes das Fenster öffnete<br />
und nach ihrem Hasilein rief. Dass mein Mann sich nicht an das<br />
Mädchen Christel (damals 13 Jahre) erinnern konnte, lag daran, dass er erst 2<br />
bis 3 Jahre alt war, in einem Alter also, in dem das Gedächtnis gerade beginnt,<br />
Erlebnisse zu speichern. Einige Wochen später hat mein Mann Frau<br />
Becker in Nettetal besucht und die für beide Seiten anrührenden bewussten<br />
und unbewussten Kindheitserinnerungen belebt und aufgefrischt. Meinem<br />
Mann gingen die Erzählungen besonders deshalb sehr nahe, weil ihm Frau<br />
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