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Sommer 2011 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen

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Wade reichten. Er hasste ihren<br />

strammen Schritt und ihren festen<br />

Haarknoten im Nacken. Durch Mädchenhaar<br />

muss der Wind wehen<br />

können, das meinte auch sein Vater<br />

immer. Wasser, Wind und schnelle<br />

Boote hatten seine Liebe.<br />

„Da bin ich.“<br />

„Hallo, Minka!“<br />

Er half ihr ins Boot, sie legten vom<br />

Ufer ab. Wind trug sie hinaus. Weiße<br />

Segel kreuzten schwanenstolz auf<br />

dem Wasser. Aus einem Boot klang<br />

Musik, weit trug der Wind sie über das<br />

Wasser. Und der Tag strahlte in Farben:<br />

dünengelb, himmelblau und<br />

ufergrün. Irgendwo dazwischen<br />

schwang sich hoch und leicht Minkas<br />

Lachen. Vom <strong>Sommer</strong>wind hinauf getragen.<br />

„Ich werde mein Boot Minka nennen.“<br />

„Wieso, hat es denn keinen Namen?“<br />

„Nein, es ist noch ganz neu. Hast du<br />

auch eins?“<br />

„Soonen alten Kahn“, lachte Minka,<br />

„den hat mein Vater schon gehabt.“<br />

„Ist dein Vater Fischer?“<br />

„Na, und ob! Alle Jessens vor ihm<br />

waren Fischer. Das sind sie nun wohl<br />

einige hundert Jahre schon.“<br />

„Wie wir. Die Sakuths haben immer<br />

an dieser Küste vom Fischfang gelebt.“<br />

Minka machte eine krause Stirn und<br />

legte ihren Kopf mit dem zerzausten<br />

Haar etwas schief. Sie betrachtete<br />

Michel mit unternehmungslustigem<br />

Augenzwinkern.<br />

„Wenn wir jetzt Nidden verließen,<br />

wenn wir westwärts zögen, dann<br />

kämen wir doch nach Schleswig . . .<br />

was meinst, Michel, woll’n wir? Hiss<br />

die Segel“, sie formte die Hände zu<br />

einem Trichter und rief mit heller<br />

Stimme, die weit über das Wasser<br />

schallte: „Wir segeln nach<br />

Maasholm!“ Sie hatte Pulli und Hose<br />

abgestreift und stand im hellblauen<br />

Badeanzug hoch aufgerichtet vor<br />

dem Jungen. Ihre rotbraune Haut war<br />

glatt und glänzte seidig. Michel blinzelte<br />

angestrengt gegen die Sonne.<br />

„Mit dir würde ich noch weiter segeln,<br />

Minka.“ Die Worte kamen plötzlich<br />

und so rau aus seiner Kehle, als hätte<br />

einer die Stimmbänder mit Sandpapier<br />

abgeschmirgelt. Sie kniete sich<br />

zu ihm hin, er strich ihr wie von ungefähr<br />

über Nacken und Schultern. Ihr<br />

Lachen lockte.<br />

„Um die ganze Welt?“<br />

„Um die ganze Welt.“<br />

„So’n Boot ist ’ne feine Sache, was<br />

Michel?“<br />

„Wem sagst du das.“ Michel lachte<br />

stolz.<br />

„Man ist allein, kann reden, kann<br />

schweigen, kann träumen, niemand<br />

stört, einsame Klasse.“<br />

„Und dies hier werde ich Minka nennen,<br />

verlass dich drauf.“<br />

„Tu es nicht, ich weiß noch was Tolleres.<br />

Michel und Minka, beide Namen,<br />

beide M meine ich, ineinander<br />

verschlungen als Name an den Bug,<br />

wie fändest zu das?“<br />

„Weiß nicht recht . . . nein, ich bleibe<br />

bei Minka.“<br />

Der Wind riss ihm den Namen von<br />

den Lippen, und der Ton surrte leicht<br />

in die flirrende Bläue dieses <strong>Sommer</strong>tages.<br />

„Hast du es denn schon einmal getan?“<br />

„Was . . .?“<br />

„Meinen Namen so vor dich hingesprochen,<br />

meine ich.“<br />

„Frag nicht so viel!“<br />

„Sag es, los . . . du sollst es sagen.“<br />

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