Erich Fromm - Lalegion-pictures.com
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schen zugrunde liegt, so hat Freud es als pathologi-<br />
sche Regression, als «Wiederherstellung des uneinge-<br />
schränkten Narzißmus» der frühen Kindheit inter-<br />
pretiert (a.a.O., S. 430).<br />
Es heißt nur noch einen Schritt weitergehen, wenn<br />
für Freud die Liebe an sich ein rationales Phänomen<br />
ist. Für ihn gibt es keinen Unterschied zwischen irra-<br />
tionaler Liebe und der Liebe als Ausdruck der reifen<br />
Persönlichkeit. In seinen Bemerkungen über die Übertra-<br />
gungsliebe (S. Freud, 1915 a) stellt er die Behauptung<br />
auf, die Übertragungsliebe unterscheide sich im we-<br />
sentlichen nicht von dem «normalen» Phänomen der<br />
Liebe. Sich zu verlieben grenze stets ans Abnorme,<br />
gehe immer Hand in Hand mit Blindheit gegenüber<br />
der Wirklichkeit, es habe Zwangscharakter und sei<br />
eine Übertragung von Liebesobjekten der Kindheit.<br />
Als rationales Phänomen und als höchster Ausdruck<br />
der Reife war die Liebe für ihn kein Forschungs-<br />
objekt, da sie keine reale Existenz für ihn besaß.<br />
Es wäre jedoch falsch, den Einfluß zu überschät-<br />
zen, den Freuds Ideen auf die Auffassung ausübten,<br />
die Liebe sei das Resultat sexueller Anziehung oder –<br />
besser gesagt – sie sei dasselbe wie die im bewußten<br />
Gefühl reflektierte sexuelle Befriedigung. In Wirk-<br />
lichkeit sind die Zusammenhänge genau umgekehrt.<br />
Teilweise sind Freuds Ideen selbst vom Geist des<br />
neunzehnten Jahrhunderts beeinflußt; teils wurden<br />
sie durch den nach dem Ersten Weltkrieg herrschen-<br />
den Zeitgeist populär. Sowohl die damals verbreite-<br />
ten Anschauungen wie auch Freuds Auffassungen<br />
waren erstens die Reaktion auf die strengen Moral-<br />
begriffe der Viktorianischen Zeit. Zweitens waren<br />
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