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Erich Fromm - Lalegion-pictures.com

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Wie kommt beispielsweise der Wissenschaftler zu<br />

einer neuen Entdeckung? Macht er zunächst ein Ex-<br />

periment nach dem anderen, trägt er Tatsache um<br />

Tatsache zusammen, ohne eine Vision davon zu<br />

haben, was er zu finden erwartet? Nur selten ist auf<br />

irgendeinem Gebiet eine wichtige Entdeckung auf<br />

solche Weise gemacht worden, genausowenig wie<br />

man zu wichtigen Schlußfolgerungen kommt, wenn<br />

man lediglich seinen Phantasien nachjagt. Der Pro-<br />

zeß kreativen Denkens beginnt in allen Bereichen<br />

menschlichen Bemühens oft mit etwas, das man als<br />

eine «rationale Vision» bezeichnen könnte, welche<br />

selbst das Ergebnis beträchtlicher vorausgegangener<br />

Studien, reflektierenden Denkens und vieler Beob-<br />

achtungen ist. Wenn es einem Wissenschaftler ge-<br />

lingt, genügend Daten zusammenzutragen oder eine<br />

mathematische Formel aufzustellen, die seine ur-<br />

sprüngliche Vision in hohem Maß plausibel macht,<br />

dann kann man von ihm sagen, es sei ihm gelungen,<br />

eine vorläufige Hypothese aufzustellen. Eine sorgfäl-<br />

tige Analyse der Hypothese und ihrer Implikationen<br />

sowie die Sammlung neuer Daten, welche sie unter-<br />

bauen, führt dann zu einer adäquaten Hypothese und<br />

schließlich vielleicht zur Einordnung dieser Hypo-<br />

these in eine umfassende Theorie.<br />

Die Geschichte der Wissenschaft ist voller Beispie-<br />

le für den Glauben an die Vernunft und für solche Vi-<br />

sionen der Wahrheit. Kopernikus, Kepler, Galilei und<br />

Newton waren alle erfüllt von einem unerschütter-<br />

lichen Glauben an die Vernunft. Für diesen Glauben<br />

starb Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen, und<br />

seinetwegen wurde Spinoza exkommuniziert. Bei je-<br />

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