Erich Fromm - Lalegion-pictures.com
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Charakters gilt die Mutterliebe als die höchste Art<br />
der Liebe und als heiligste aller emotionalen Bindun-<br />
gen. Mir scheint jedoch, daß die Mutterliebe nicht in<br />
der Liebe zum Säugling, sondern in der Liebe zum<br />
heranwachsenden Kind ihre eigentliche Leistung<br />
vollbringt. Tatsächlich sind ja die allermeisten Müt-<br />
ter nur so lange liebevolle Mütter, wie ihr Kind noch<br />
klein und völlig von ihnen abhängig ist. Die meisten<br />
Frauen wünschen sich Kinder, sie sind glücklich<br />
über das Neugeborene und widmen sich eifrig seiner<br />
Pflege. Das ist so, obwohl sie vom Kind nichts dafür<br />
«zurückbekommen» außer einem Lächeln oder dem<br />
Ausdruck von Zufriedenheit auf seinem Gesicht. Es<br />
scheint, daß diese Art der Liebe, die man ebenso<br />
beim Tier wie bei der menschlichen Mutter findet,<br />
teilweise instinktbedingt ist. Aber wie stark dieser<br />
instinktive Faktor auch ins Gewicht fallen mag, es<br />
spielen daneben auch noch spezifisch menschliche,<br />
psychische Faktoren eine Rolle. Einer beruht auf<br />
dem narzißtischen Element in der mütterlichen Lie-<br />
be. Insofern die Mutter noch immer das Gefühl hat,<br />
daß der Säugling ein Teil ihrer selbst ist, kann es<br />
sein, daß sie mit ihrer überschwenglichen Liebe zu<br />
ihm ihren eigenen Narzißmus befriedigt. Eine ande-<br />
re Motivation könnte ihr Streben nach Macht oder<br />
Besitz sein. Da das Kind hilflos und ihrem Willen<br />
unterworfen ist, ist es für eine tyrannische und be-<br />
sitzgierige Frau ein natürliches Objekt ihrer eigenen<br />
Befriedigung.<br />
So häufig diese Motivierungen sind, so dürften sie<br />
doch eine weniger wichtige und universale Rolle<br />
spielen, als etwas anderes, das man als das Bedürfnis<br />
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