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Erich Fromm - Lalegion-pictures.com

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und hart zu arbeiten. Diese Art von Disziplin hatte<br />

jedoch auch ihre offensichtlichen Nachteile. Sie war<br />

starr und autoritär, sie stellte die Tugenden der Ge-<br />

nügsamkeit und Sparsamkeit in den Mittelpunkt und<br />

war in vieler Hinsicht lebensfeindlich. Aber als Reak-<br />

tion auf diese Art von Disziplin besteht heute in<br />

zunehmendem Maß die Tendenz, jeder Art von Dis-<br />

ziplin mit Argwohn zu begegnen und in einem un-<br />

disziplinierten, trägen Sich-Gehen-Lassen einen Aus-<br />

gleich für die Routine zu suchen, die uns während<br />

unseres achtstündigen Arbeitstages aufgezwungen<br />

wird. Morgens regelmäßig zur gleichen Zeit aufste-<br />

hen, sich täglich eine bestimmte Zeit mit Tätigkeiten<br />

wie meditieren, lesen, Musik hören und Spazierenge-<br />

hen beschäftigen; nicht über ein gewisses Mindest-<br />

maß hinaus Ablenkung durch Kriminalromane und<br />

Filme suchen und nicht zuviel essen und trinken, das<br />

wären einige auf der Hand liegende Grundregeln.<br />

Wesentlich ist jedoch, daß man Disziplin nicht wie<br />

etwas übt, das einem von außen aufgezwungen wird,<br />

sondern daß sie zum Ausdruck des eigenen Wollens<br />

wird, daß man sie als angenehm empfindet und daß<br />

man sich allmählich ein Verhalten angewöhnt, das<br />

man schließlich vermissen würde, wenn man es wie-<br />

der aufgeben sollte. Es gehört zu den bedauerlichen<br />

Aspekten unserer westlichen Auffassung von Diszi-<br />

plin (wie übrigens von jeder Tugend), daß man sie<br />

für recht mühsam hält und daß man meint, sie könne<br />

nur etwas «Gutes» sein, wenn sie einem schwerfällt.<br />

Der Osten hat schon vor langer Zeit erkannt, daß<br />

das, was dem Menschen guttut – seinem Körper und<br />

seiner Seele –, ihm auch angenehm sein muß, auch<br />

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