Erich Fromm - Lalegion-pictures.com
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man sich selbst und andere nicht langweilt – und tat-<br />
sächlich gehört es ja zu den wichtigsten Vorbedin-<br />
gungen für die Liebe, daß man sich weder gelang-<br />
weilt fühlt noch den anderen langweilt. Den ganzen<br />
Tag lang im Denken und Fühlen, mit Augen und<br />
Ohren tätig zu sein, um nicht innerlich träge zu wer-<br />
den, indem man sich rein rezeptiv verhält, Dinge<br />
hortet oder einfach seine Zeit totschlägt, das ist eine<br />
unerläßliche Voraussetzung für die Praxis der Kunst<br />
des Liebens. Es ist eine Illusion zu glauben, man kön-<br />
ne sein Leben so einteilen, daß man im Bereich der<br />
Liebe produktiv und in allen anderen nicht-produktiv<br />
sein könne. Produktivität läßt eine derartige Arbeits-<br />
teilung nicht zu. Die Fähigkeit zu lieben erfordert<br />
einen Zustand intensiver Wachheit und gesteigerter<br />
Vitalität, der nur das Ergebnis einer produktiven und<br />
tätigen Orientierung in vielen anderen Lebensberei-<br />
chen sein kann. Ist man auf anderen Gebieten nicht-<br />
produktiv, so ist man es auch nicht in der Liebe.<br />
Eine Diskussion der Kunst des Liebens darf sich<br />
nicht auf den persönlichen Bereich beschränken, wo<br />
jene Merkmale und Haltungen erworben und weiter-<br />
entwickelt werden, die wir in diesem Kapitel be-<br />
schrieben haben. Sie hängt untrennbar mit dem ge-<br />
sellschaftlichen Bereich zusammen. Wenn lieben<br />
soviel heißt wie gegenüber einem jeden eine liebevol-<br />
le Haltung einnehmen, wenn Liebe ein Charakterzug<br />
ist, dann muß sie notwendigerweise nicht nur in un-<br />
seren Beziehungen zu unserer Familie und zu unseren<br />
Freunden, sondern auch in den Beziehungen zu all je-<br />
nen zu finden sein, mit denen wir durch unsere Ar-<br />
beit, unser Geschäft oder unseren Beruf in Kontakt<br />
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