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extra - Fragile Suisse

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Kolumne<br />

Warum ist der Kopf rund?<br />

Opinion<br />

Pourquoi la tête est-<br />

Es kann an einem harmlosen Montagabend<br />

geschehen oder auch an einem ebenso un -<br />

schuldigen Donnerstagnachmittag. Da ist<br />

im Eingangsbereich des Supermarktes ein<br />

Haufen Ware einfach so hingeschüttet,<br />

wenn möglich mit einem grell neonfarbigen<br />

Schild ‚Super-Preis-Knaller’ garniert. Seit<br />

wann bitte können Preise knallen? Mich<br />

stösst das Ganze so ab, dass ich auf der<br />

Stelle umkehre. Kein Einkauf heute.<br />

Doch das verdriessliche Gedankenkarussell<br />

dreht sich weiter. Wieder Atomkraftwerke<br />

bauen? Nicht ganz bei Trost sind die.<br />

Ständig an der Bildung sparen und dann<br />

jammern, dass die erwünschten Fähig -<br />

keiten sich nicht irgendwie von selbst einstellen.<br />

Ein Auto kann doch auch nicht fahren<br />

mit leerem Tank, oder? Wenn ein hirnverletzter<br />

Mensch glaubt, seinen Beruf trotz<br />

Einschränkungen gleich wie früher ausüben<br />

zu können, wird das möglicherweise als<br />

mangelndes Realitätsbewusstsein bezeichnet.<br />

In welcher Realität lebt eigentlich<br />

einer, der einen zweistelligen Millionen -<br />

betrag glaubt verdienen zu müssen?<br />

Mit etwas Glück fällt mir auf dem Heimweg<br />

irgendetwas ins Auge, das die Welt wieder<br />

gerade rückt. Zum Beispiel ein Grasbüschel,<br />

das sich vorwitzig aus dem erst unlängst<br />

frisch gepflasterten Trottoirrand emporarbeitet.<br />

Oder eine Wolkenformation, die just aussieht<br />

wie ein riesiger Walfisch, nun ja, wenigstens<br />

für mein phantasievolles Auge. Auch<br />

den Kompost füttern hilft, da kann man so<br />

schön mit der grossen Gabel graben und<br />

mischen und sich darüber wundern, wie gut<br />

doch die Natur ihr Recycling organisiert.<br />

Geschieht allerdings nichts Derartiges, gibt<br />

es Anlässe genug für weiteren Kulturpes -<br />

simismus. Lebensmittel, die diesen Namen<br />

nicht verdienen, weil sie krank machen. Mit<br />

Ware überfüllte Läden und leere Gesichter.<br />

Zu viele Leute, die nicht zu wissen scheinen,<br />

dass man über die eigene Nasenspitze<br />

hinaus sehen und denken kann. Hilft eine<br />

längst fällige Schublade aufräumen, das<br />

Tiefkühlfach abtauen oder in der Schachtel<br />

mit den Kochrezepten herumkramen auch<br />

nicht gegen diesen Unmut, ist es höchste<br />

Zeit, wieder einmal über den Affengraben<br />

nachzudenken.<br />

Der Affengraben im zoologischen Garten ist<br />

artgerecht mit Kletterfelsen und allerlei<br />

Spielzeug eingerichtet. Grosse Auswahl<br />

und Selbstbedienung beim Essen. Was<br />

‚draussen’ geschieht, hat keinerlei Be deu -<br />

tung. ‚Drinnen’ ist ständig etwas los.<br />

Revier streitigkeiten. Statuskämpfe. Eine<br />

Runde Körperpflege. Ein wenig schlafen.<br />

Die Jungen herumzeigen oder ihnen auch<br />

einmal die Ohren lang ziehen. Einen<br />

gemütlichen Schwatz abhalten. Ist doch ein<br />

prima Leben, kaum Grund für Verdruss oder<br />

Pessimismus.<br />

Wirklich eine verführerische Alternative,<br />

aber welch ein beschränktes Dasein. Nein,<br />

da möchte ich nicht tauschen, ich schweife<br />

lieber frei im ‚Draussen’ umher. Auch wenn<br />

die Ecken und Kanten menschlichen Tuns –<br />

meines eigenen inbegriffen – ab und zu<br />

Grund für Missmut sind.<br />

Der Philosoph Picabia sagte: «Der Kopf ist<br />

rund, damit die Gedanken ihre Richtung<br />

ändern können.» Auch verdriessliche. Und<br />

das ist sehr gut so.<br />

Autorin: Maria Gessler<br />

«Ich scheitere am Alltagskram,<br />

habe aber einen hellwachen Geist»,<br />

erzählt die hirnverletzte Kolum nistin Maria<br />

Gessler in ihrem Erfahrungsbericht «<strong>Fragile</strong>s<br />

Sein...». Diesen kann man per E-Mail<br />

mail@fragile.ch oder per Telefon unter<br />

044 360 30 60 gratis beziehen.<br />

Cela peut arriver un lundi soir anodin ou<br />

même un jeudi après-midi sans histoire. Une<br />

montagne de marchandises simplement<br />

déversées à l'entrée d'un supermarché et si<br />

possible encore garnie d'une pancarte fluo<br />

‚Prix super explosifs’. Depuis quand les prix<br />

peuvent-ils exploser ? Ça me dégoûte tellement<br />

que j'ai envie de faire demi-tour. Donc,<br />

pas d'achats aujourd'hui.<br />

Le manège des pensées moroses continue<br />

pourtant à tourner. Encore une centrale atomique<br />

? Ne sont-ils pas un peu fous ?<br />

Constamment économiser dans la formation<br />

et se lamenter d'une pénurie de compétences,<br />

comme si elles devaient jaillir spontanément.<br />

Une voiture ne peut tout de même pas<br />

rouler le réservoir vide ? Un cérébro-lésé qui<br />

voudrait exercer son ancienne profession<br />

comme avant, sans restrictions, serait considéré<br />

comme souffrant d'un manque de<br />

consci ence de la réalité. Mais dans quelle<br />

réalité vit donc celui qui croit devoir gagner<br />

des dizaines de millions ?<br />

Avec un peu de chance, mon œil va accrocher<br />

quelque chose qui remettra le monde<br />

en place. Une touffe d'herbe, par exemple,<br />

qui se pointe au bord d'un trottoir fraîchement<br />

pavé. Ou une formation de nuages qui<br />

a l'air d'une énorme baleine, mais oui, du<br />

moins pour mon œil plein d'imagination.<br />

Même nourrir le composte, puis l'observer<br />

en le touillant avec une fourchette, permet<br />

de s'émerveiller de la manière dont la nature<br />

se recycle d'elle-même.<br />

Cependant, si rien de tel n'arrive, il y a assez<br />

d'autres occasions de cultiver le pessimisme.<br />

Par exemple, les aliments qui ne méritent<br />

pas ce nom parce qu'ils rendent malades.<br />

Les magasins regorgent de marchandises,<br />

mais les visages sont vides d'expression.<br />

Trop de gens n'ont pas l'air de savoir qu'on<br />

peut voir plus loin que le bout de son nez et<br />

qu'il est permis de réfléchir. Si ranger un ti -<br />

roir – à faire depuis longtemps – dégivrer le<br />

congélateur ou ranger des recettes de cuisine<br />

dans une boîte n'aide pas à combattre<br />

cette morosité, il est grand temps de se souvenir<br />

de la montagne des singes.<br />

Au zoo, la montagne des singes est aménagée<br />

dans les règles de l'art, avec des<br />

roches de grimpe et toutes sortes de jeux.<br />

Pour le repas : un grand choix et le self-service.<br />

Ce qui se passe ‚dehors’ n'a aucune<br />

importance. ‚Dedans’, il se passe toujours<br />

quelque chose : bagarres pour le territoire,<br />

12 FRAGILE EXTRA 4/2008

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