extra - Fragile Suisse
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Jura<br />
Tag der offenen Tür im Zentrum Rencontres<br />
Das Regenwetter an diesem Tag<br />
konnte der Veranstaltung nichts<br />
anhaben: zahlreich waren die Be su -<br />
cher, die am 6. September das Zen -<br />
trum Rencontres kennenlernen<br />
woll ten. Sie konnten sich mit den<br />
Aktivitäten und Zielen des<br />
Zentrums vertraut machen, aber<br />
auch mit einer bestimmten Philo -<br />
sophie.<br />
Hoch in den Bergen bei Courfaivre im<br />
Juragebirge befindet sich inmitten der grünen<br />
Natur ein elegantes Gebäude, das eine<br />
warme, moderne Atmosphäre ausstrahlt. Die<br />
kleinen, ursprünglichen Häuser gehören<br />
noch zum Dorf im Tal. Hier oben haben alle<br />
schon vom Zentrum Rencontres gehört. Aber<br />
wer weiss eigentlich, was dort gemacht<br />
wird, und wer kennt die Ausrichtung des<br />
Zentrums?<br />
Diese Fragen hat das Zentrum im September<br />
beantwortet. Auf die Initiative und dank der<br />
Unterstützung der Sektion «Les Rangiers»<br />
vom Lions Club wurden um die hundert Ex -<br />
per ten zu einer zweitägigen Schulung im<br />
Zen trum begrüsst. Anschliessend konnten<br />
zirka 400 Besucher das Zentrum Ren contres<br />
anlässlich eines Tages der offenen Tür kennenlernen.<br />
An diesem Tag vereinten sich<br />
Didaktik, Animationen und Geselligkeit harmonisch.<br />
Im Zeichen der Grosszügigkeit<br />
«Rencontres» steht für Begegnungen. Und<br />
an diesem Tag wurde das Zentrum seinem<br />
Namen und seinem Motto vollends gerecht.<br />
Es fand ein reger Austausch voll menschlicher<br />
Wärme, Interesse und Dialogen statt.<br />
Klein und Gross konnte anhand von verschiedenen<br />
Mitteln wie Stände und Poster,<br />
Führungen und interaktive Workshops, Filme<br />
und Gewinnspiele eine Menge über die<br />
Funktionsweise des Gehirns, die Auswirkungen<br />
von Gehirnschäden und die Ziele der<br />
Institution kennenlernen.<br />
Ausserdem zeigte diese Veranstaltung dem<br />
Besucher einen Aspekt, den das Programm<br />
nicht aufführte, aber ohne den das Zentrum<br />
sicher niemals entstanden wäre: eine enorme<br />
Grosszügigkeit – von zwei Seiten. Einer -<br />
seits haben Bewohner und Angestellte die<br />
Besucher grossartig empfangen. Anderer -<br />
seits hat der Lions Club dem Leiter des<br />
Zentrums, Christian Membrez, einen Scheck<br />
über CHF 40'000 zur Einrichtung eines<br />
neuen Therapieraums übergeben.<br />
Die Geschichte des Zentrums Rencontres ist<br />
von solchen Initiativen und der Beharr -<br />
lichkeit der Gründer geprägt. Es wurde vor<br />
acht Jahren ins Leben gerufen, um den spe -<br />
zifischen Bedürfnissen hirnverletzter Menschen<br />
und deren Angehörigen gerecht zu<br />
werden und den diesbezüglichen grossen<br />
Mängel zu beheben.<br />
Viele Menschen mussten dies auf schmerzhafte<br />
Weise selbst erfahren: Obgleich die<br />
Genesung eines Betroffenen Jahre dauert,<br />
konzentrieren sich die meisten Pflege- und<br />
Rehabilitationsaktionen nur auf die ersten<br />
Monate nach der Verletzung. Die postklinische<br />
Phase wurde lange Zeit völlig vernachlässigt.<br />
Diese Erfahrung musste Dr. Pierre<br />
Christe persönlich machen einige Jahre nach<br />
dem Schlaganfall, den sein Sohn 1985 erlitt.<br />
Er und seine Frau mussten damals allein die<br />
Betreuung nach dessen Krankenhausaufenthalt<br />
übernehmen. Bis zum Rande der Er -<br />
schöpfung.<br />
Aus diesem Grund hat Dr. Christe dieses spezialisierte<br />
Zentrum entwickelt. Er wollte die<br />
Angehörigen entlasten, Spannungen beseitigen,<br />
die zwischen ihnen und dem hirnverletzten<br />
Menschen unweigerlich entstehen.<br />
Und: Er wollte die spätere Phase der Reha -<br />
bilitation strukturieren. Heute werden in diesem<br />
vielseitigen Zentrum fünf Dauergäste in<br />
Einzimmerwohnungen betreut. Ausserdem<br />
sind 15 Zimmer für kurz- oder mittelfristige<br />
Aufenthalte vorgesehen. Rencontres funktioniert<br />
schlussendlich auch als Tages zentrum,<br />
wo Betroffene tagsüber Aktivitäten ihrer<br />
Wahl nachgehen können.<br />
«Dem Leben wieder einen Sinn<br />
geben» – ein ganzheitliches Vor -<br />
gehen!<br />
Neben den sogenannt klassischen Me tho -<br />
den der Rehabilitation (Neuropsychologie,<br />
Physiotherapie, Ergotherapie usw.) bietet<br />
das Zentrum eine grosse Auswahl an Akti -<br />
vitäten: Rattan- und Keramik-Work shops,<br />
Näharbeiten, Wandern und grafische Kunst,<br />
Mitarbeit im Zentrum, zum Beispiel in der<br />
Küche oder Verwaltung. Alles dient dazu, die<br />
Selbstständigkeit sowie die soziale und<br />
berufliche Wiedereingliederung der hirnverletzten<br />
Menschen zu fördern. Wichtig ist<br />
dabei, dass diese Menschen selbst ihre<br />
Aktivität wählen und sich von dem Pro -<br />
gramm angesprochen fühlen, zu dessen<br />
Gestaltung sie beitragen. Es soll ihnen auch<br />
die Möglichkeit gegeben werden, ihre<br />
Grenzen und Fähigkeiten einzuschätzen in<br />
Echtsituationen, aber zugleich auch in einem<br />
geeigneten Rahmen, der keinerlei Leistungs -<br />
druck ausübt. Es geht darum, Betroffenen<br />
erneut Lust auf Initiative und Verantwortung<br />
zu geben, ihnen zu helfen, «dem Leben wieder<br />
einen Sinn zu geben», wie es Christian<br />
Membrez beschreibt.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.centre-rencontres.ch<br />
Autorin: Carine Fluckiger<br />
Fotos: Rémy Charmillot<br />
22 FRAGILE EXTRA 4/2008