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Rezensionen<br />
er irgendwann verstorben ist, und die<br />
Großmutter auch nicht, denn sie ist<br />
”nu in ’t Öller harthörig worrn” (S. 27).<br />
Meiner Meinung nach ist das eine<br />
vollkommen unglaubwürdige Darstellung!<br />
Aber ich muss wohl noch einmal das<br />
Vorwort des Bandes zu Rate ziehen,<br />
um Heinrich Ohm richtig zu verstehen:<br />
”De Tieden weern dorna” (S. 3)<br />
steht da gleich zweimal geschrieben.<br />
Wie das alles kommen konnte, dass<br />
es zum Beispiel auch jüdische Soldaten<br />
gab und dass etwa ein Rolf Steinberger<br />
ein solch dramatisches Lebensschicksal<br />
erfahren hat, dat<br />
weet man nich so genau, ”doch de Tieden<br />
weern dorna, dat sowat villicht vörkomen<br />
is.” (S. 3) Heinrich Ohm beruft<br />
sich nicht nur auf eine Familiengeschichte,<br />
die ihm Jahre später offenbar<br />
in dieser Weise erzählt worden ist,<br />
sondern auch auf eigene Erlebnisse<br />
während des Krieges – und an dieser<br />
Stelle bin ich dann wieder bei meinem<br />
Opa. Wenn jemand von früher<br />
erzählt, vom Krieg und vom Leid vieler<br />
Menschen, und noch dazu bezeugt,<br />
dass man selbst etwas Ähnliches erlebt<br />
hat, wo doch die Zeiten damals<br />
einfach so waren – wie will man da<br />
heute widersprechen? Man muss es<br />
glauben, dass es sich ”so, oder so ähnlich,<br />
todragen hett” (S. 3), wie der Autor<br />
Heinrich Ohm in ”Dat sünd doch<br />
Juden” schreibt.<br />
Dessenungeachtet aber muss die erzählerische<br />
und sprachliche Gestaltung<br />
des vorliegenden Buches kritisch<br />
gesehen werden. Es führt den<br />
Leser ein allwissender Erzähler durch<br />
die insgesamt 14 Kapitel, wobei sich<br />
dieser fast ausschließlich auf die Darstellung<br />
der äußeren Handlung beschränkt;<br />
die innere fehlt beinahe<br />
ganz, und somit wird auch kaum eine<br />
der handelnden Personen als literarische<br />
Figur wirklich ausgestaltet.<br />
Hinzu kommen Merkwürdigkeiten,<br />
besonders in der Charakteristik eines<br />
Josef Steinbergers.<br />
Was die Sprachebene betrifft, so kommen<br />
Formulierungen im Text vor, die<br />
dem Thema ”Judenverfolgung im<br />
Zweiten Weltkrieg” ganz gewiss nicht<br />
angemessen sind. Da ist beispielsweise<br />
von einem ”schönen, amtlichen<br />
Ariernachweis” (S. 36) die Rede (und<br />
diese Stelle ist nicht ironisch gemeint),<br />
es wird gesagt, die Judenverfolgung<br />
sei ”goot för Simon sien Geschäft” (S.<br />
25) – wobei Simon der strenggläubige<br />
Großvater ist, dessen ”Geschäft”<br />
es schon immer war, vor den Nazis zu<br />
warnen – und es werden Gefangene<br />
der SS, die ganz sicher im KZ zu Tode<br />
kommen werden, verharmlosend als<br />
”Kannidaten” (S. 58) betitelt. Das ”moderne<br />
Platt” des Autors, wie es der<br />
Klappentext verkündet, zeigt sich im<br />
Ausdruck ”in Schwulitäten [kommen;<br />
T.S.]” (S. 31), womit ebenfalls der Umstand<br />
bezeichnet wird, dass die Juden<br />
durch SA und SS bedroht und verfolgt<br />
werden. In manchen Passagen offenbart<br />
sich zudem das übertriebene<br />
Vergnügen des Autors, den vermeintlich<br />
harmlos-kameradschaftlichen<br />
Wortwechsel unter Soldaten wiederzugeben<br />
und damit einen gewissen,<br />
offenbar alltäglichen ”Kasernenton”<br />
zu treffen.<br />
Es lassen sich vermutlich noch einige<br />
Kritikpunkte mehr an Heinrich Ohms<br />
Erzählung zusammentragen. So lösen<br />
sich beispielsweise am Ende alle<br />
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Quickborn108-1.Korr.<br />
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25.03.2008, 9:05 Uhr