Ausg. 35 - apr
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PAPIERERZEUGUNG<br />
einfache Level-off-DP-Bestimmung schon<br />
ausreichen könnte, etwas Licht auf das zitierte<br />
Problem zu werfen.<br />
Eine weitere Frage aus dem Auditorium<br />
galt der Erhöhung des Wasserrückhaltevermögens<br />
durch Bestrahlung, die erst nach<br />
einer Alkalibehandlung manifest wird. Zum<br />
Abschluß verwies Ruck noch auf den grundlegenden<br />
Beitrag von Lenz, Schurz und Esterbauer<br />
vor etwa sieben Jahren, die bei nativer<br />
Cellulose unterschiedliche Geschwindigkeitskonstanten<br />
bei enzymatischem Abbau<br />
gesichert hatten (im Gegensatz zu Regeneraten).<br />
Es wurde deshalb angeregt, die Lenzschen<br />
Untersuchungen gelegentlich mit bestrahlter<br />
Cellulose zu wiederholen. Taeger<br />
warf noch ein, auch die Wirkung einer Bestrahlung<br />
auf den Ablauf des NMMO-Prozesses<br />
nicht zu vergessen, bevor Schleicher<br />
den aus der „Im Westen nichts Neues“-Stadt<br />
stammenden und von allen HV-Teilnehmern<br />
als symphatisch empfundenen Rudolf<br />
ASAM-Patt, Hamburg, (der stellvertretend<br />
auch für O. Kordsachia und H. Sixta, Lenzing,<br />
sprach) zu sich aufs Podium bat, um über<br />
Eignung von Rohstoffen<br />
und Verfahren zur<br />
Herstellung von<br />
Chemiezellstoffen<br />
zu referieren, gewissermaßen in Fortsetzung<br />
der Gedanken von W. Albrecht. Patt stimmte<br />
zunächst die vielen Hörer hoffnungsfroh, die<br />
er aber schon im ersten Satz dahingehend<br />
ernüchterte, daß die 1978er Produktionsmengen<br />
von 4,8 Mio. t Chemiezellstoffen im<br />
Jahre 1994 bereits auf 2,8 Mio. t zurückgefahren<br />
worden seien, was einem Anteil von<br />
nur mehr 1,5% an der gesamten globalen<br />
Zellstoffproduktion entspricht. Dieser Prozeß<br />
wurde besonders durch die Sortenvielfalt<br />
der Chemiezellstoffe beschleunigt, die<br />
viele Produzenten davon abhielt, solche Varietäten<br />
noch weiter herzustellen. Nur noch<br />
30% dieser Zellstoffe werden heute nach<br />
dem Vorhydrolyse-Sulfat-Verfahren produziert.<br />
Grundsätzlich geraten solche Zellstoffe<br />
aus Einjahrespflanzen teurer als solche aus<br />
Holz. So wären theoretisch jährlich 3 Mio. t<br />
Linters verfügbar, aber es hapert an der für<br />
die Ernte notwendigen Infrastruktur bei den<br />
Cottonerzeugern. Ergo werden z. Zt. nur<br />
450 000 t Rohlinters p. a. verarbeitet.<br />
Bei den Holzzellstoffen nimmt der Anteil<br />
an Laubhölzern laufend zu, nämlich von 15%<br />
auf 40% in den letzten 20 Jahren, obwohl<br />
Laubholzzellen uneinheitlicher ausfallen als<br />
solche von Nadelhölzern. Mehr noch: gut zwei<br />
Drittel aller Chemiezellstoffe werden nach<br />
dem Sulfitverfahren erkocht, während die<br />
Papierzellstoffe nur zu 6% das Digesterlicht<br />
unter einer SO 2-Haube erblicken – der „Rest“<br />
wurde nach dem Sulfatverfahren erzeugt.<br />
Letzteres penetriert die gesamte Holzfaser<br />
überwiegend homogen, die aber trotzdem als<br />
Fertigprodukt schwerer zugänglich ist. Die<br />
Ursache für diese verfahrensbedingten Unterschiede<br />
muß offensichtlich in der Tatsache<br />
zu suchen sein, daß die Primär- zusammen<br />
mit der Sekundärwand 1 (also P + S 1) beim<br />
sauren Sulfitverfahren abhydrolysiert wird,<br />
was letzlich auch den DP der Cellulose zum<br />
Lumen hin ansteigen läßt (im Gegensatz zu<br />
Sulfat mit kongruenten Kettenlängen innerhalb<br />
der gesamten Sekundärwand, wie Luce<br />
1959 unter Krässig in Hawkesbury gezeigt<br />
hat und was grundsätzlich für alle alkalischen<br />
Verfahren gilt). Kein Wunder, daß sich<br />
Sulfatzellstoffe bezüglich der Kennziffer<br />
R 10/R 18 als eindeutig überlegen erweisen. Kein<br />
Zweifel auch, daß Chemiezellstoffe im gebleichten<br />
Zustand vom Verfahren her teuer<br />
sind. Bei Sulfit- wie Sulfatbetrieben stellt die<br />
Chemikalienrückgewinnung stets die aufwendigste<br />
Anlage dar. Das in Hamburg entwickelte<br />
und in Baienfurt geprüfte (damals<br />
war Baienfurt allerdings noch in deutscher<br />
Hand!) ASAM-Verfahren erfordert dagegen<br />
nur einen Rückgewinnungsaufwand um 200<br />
DM/t Zellstoff; hinzu kommt, daß ASAM sehr<br />
hohe Alpha-Cellulose-Ausbeuten zuläßt<br />
(auch solche mit variablem Hemigehalt!) und<br />
überdies ASAM-Stoffe leichter chlorfrei zu<br />
bleichen sind – insoweit die daraus hergestellten<br />
Regenerate davon überhaupt tangiert<br />
werden (sicherlich nicht z. B. bei spinngefärbten<br />
Fasern!)<br />
Chemiezellstoffe dienen im Augenblick<br />
noch zur Produktion von vorrangig Viskosefasern<br />
und Filamenten (f. atmungsaktive<br />
Futterstoffe und Damenunterwäsche), mit<br />
erheblichen Abstand auch von Acetatcellulose,<br />
Celluloseethern (MC, HEC etc.) und Cellulosenitrat.<br />
Aus der Sicht des Referenten<br />
hängt die weitere Entwicklung der Cellulose<br />
als Chemiezellstoff davon ab, ob man Celluloseisolierungsverfahren<br />
entwickeln kann,<br />
die Zellstoffe mit flexiblem Qualitätsprofil erzeugen<br />
können, und die überdies kostengünstiger<br />
mit wesentlich geringeren Tageskapazitäten<br />
bei gleichzeitiger Umweltfreundlichkeit<br />
produzieren.<br />
Zum letzten Punkt überfielen nicht wenige<br />
Hörer gleich relevante Gedanken, denn zu<br />
den Methoden, die Zellstoffe unter 1000 DM/t<br />
herstellen, gehört neben dem ASAM-Verfahren<br />
noch das auf der HV 1976 vorgestellte<br />
Kleinertsche Ethanosolv-Verfahren als ein<br />
tatsächlicher Organosolv-Aufschluß 8 , der<br />
sich inzwischen im Betriebsmaßstab im 15-<br />
tato-Bereich in Newcastle/N. B. bewährt hat.<br />
Beide Verfahren profitieren ferner von dem<br />
Umweltvorteil, daß mit Kapazitäten auch unter<br />
150 000 jato gewirtschaftet werden kann,<br />
so daß die Logistik bei Einzugsbereichen bis<br />
250 km zur Deckung des Holzbedarfes (vgl.<br />
das Beispiel Stendal) mittels LKW-Transport<br />
unter dem Strich nicht noch mehr CO2 in die<br />
Atmosphäre entläßt als ein petrochemisches<br />
Produkt!<br />
Die Diskussion unter Schleicher umschiffte<br />
freilich die angezeigten Aspekte und befaßte<br />
sich zunächst mit der Verlagerung der<br />
textilen (Regenerat-)Faserproduktion nach<br />
Asien und Südamerika. Etwas sachdienlicher<br />
fiel die Frage von Albrecht aus, was man<br />
heute noch an Alpha-Cellulose-Werten beim<br />
Einkauf von Chemiezellstoffen wirklich<br />
benötigt. Er erinnerte daran, daß Buchesulphit<br />
nur 92% Alpha-Gehalt bringt, womit<br />
man aber über Jahrzehnte hinweg gut gefahren<br />
sei. Dazu wurde entgegnet, daß man<br />
Cellulose auch für hochwertige Produkte wie<br />
Fasern, Lacke oder Klaviertasten (= Ersatzelfenbein<br />
für Laienpianisten) einsetzt, wofür<br />
höhere Alpha-Werte verlangt werden, wie sie<br />
bei Linters üblich sind. Albrecht erwähnte dazu<br />
die globale Wirtschaft, die wir täglich stärker<br />
zu spüren bekommen und uns zu neuen<br />
Anstrengungen zwingt, die nach Patt auch<br />
deshalb unverzichtbar sind, weil die petrochemische<br />
Industrie als großer Konkurrent<br />
der Cellulosechemie (die dringend stärker gepflegt<br />
werden sollte!) maßgeschneiderte Produkte<br />
liefert.<br />
Wie hilfreich wäre es in dieser Situation,<br />
wenn man doch das Schicksal nachwachsender<br />
Rohstoffe mit einen Federstrich dadurch<br />
nachhaltig verbessern könnte, indem man<br />
die nach dem Kriege abgeschaffte Mineralöl-<br />
8 Nicht zu verwechseln mit dem mißratenen Kelheimer Aquasolv-Prozeß,<br />
dessen „Erfinder“ bzw. Geldgeber offenbar übersehen<br />
hatten, daß Methanol ja nur methyliertes Wasser darstellt (mit<br />
53 % Wasseranteil), Äthanol dagegen hydroxyliertes Ethan (mit<br />
63 % Kohlenwasserstoffanteil – noch idealer wäre Butanol (mit<br />
77 % KWSt-Fraktion), das man z. Zt in den USA auf Eignung<br />
prüft.<br />
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