Ausg. 35 - apr
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PAPIERERZEUGUNG<br />
steuer wieder einführt! Schade nur, daß dafür<br />
in Bonn allenfalls die Opposition zu haben<br />
ist. – So dachte man im Auditorium!<br />
Ohne Pause ging es weiter mit M. P. Fink<br />
(Sprecher), M. J. Purz und P. Weigel, MPI-Teltow:<br />
Strukturelle Aspekte<br />
neuer Cellulosematerialien<br />
Wer zuvor schon einmal eine der überaus<br />
innovationsbefrachteten Rudolstädter<br />
Herbsttagungen auf der Heidecksburg unter<br />
der Leitung von H. Bürger und E. Taeger erlebt<br />
hatte, konnte schon vom Thema her sicher<br />
sein, daß Fink über NMMNO-Regenerate<br />
sprechen würde, deren Lösungszustand<br />
neue Wege für die Herstellung von Cellulosefasern<br />
und Folien freilegt. Wie erwartet, weichen<br />
auch deren Strukturen und Qualitäten<br />
von den bisher gekannten Regeneraten ab.<br />
An- und aufregend in der Tat, daß man aus<br />
Cellulose-Morpholin-N-Methyloxid-Lösungen<br />
auch Blasfolien und thermoplastische Derivate<br />
herstellen kann, was mit den industriell<br />
bereits bewährten Cellulose-Cuoxam-Lösungen<br />
von ebenfalls molekularer Lösekraft<br />
nicht möglich war. 9<br />
Weitere Unterschiede fielen ebenfalls auf:<br />
Lyocell-Fasern (aus Lenzing/Oberösterreich)<br />
zeigen einen runden Querschnitt im<br />
Gegensatz zu Viskosefasern des gleichen<br />
Hauses mit gelapptem Querschnitt,<br />
Lyocell-Produkte verfügen über ein ausgerichtetes<br />
Feinstfibrillensystem, das über<br />
eine ausgeprägte Fibrillierungsneigung<br />
verfügt.<br />
Lyocell-Filamente offenbaren keinen Blättcheneffekt<br />
nach Kratky und besitzen eine<br />
homogene Makrostruktur ohne Kernmantelzonen.<br />
Aber man kann auch anders: vergesellschaftet<br />
man eine Cellulose-MMO-Lösung<br />
mit Isobutanol oder Hexanol, so provoziert<br />
man eine stark gelockerte Struktur bei der<br />
Regeneration, die man tunlichst mittels einer<br />
Zweibadfällung realisiert, worauf sofort<br />
Kernmantelstrukturen auftauchen – wie von<br />
der Viskose bestens vertraut.<br />
Die Blasverformung erlaubt die trockene<br />
Herstellung von Folienschläuchen, deren<br />
Querschnitte mit denen von Cellophan und<br />
Cuprophan (Fabrikat J. P. Bemberg/Akzo-Nobel)<br />
vergleichbar schienen, wobei letztere fast<br />
so aussahen wie solche aus MMO-Lösungen.<br />
Dieser Befund war freilich zu erwarten, denn<br />
in beiden Fällen liegt ja ein identischer Lösungszustand<br />
vor. Die untersuchten Parameter<br />
schlossen ferner die Kristallinität, die<br />
Kristallitgrößen und die Unordnung mit ein,<br />
illustriert an Polfiguren von Blasfolien. Fink<br />
demonstrierte, daß die uniplanare Textur von<br />
Folien in weiten Bereichen geändert werden<br />
kann. Das bedeutet für den Betrieb, daß man<br />
die mechanischen Längs- und Querqualitäten<br />
den Kundenwünschen approximieren<br />
kann. Ein Knallbonbon hatte sich Fink für<br />
seine abschließenden Sätze aufbewahrt.:<br />
Neue thermoplastische<br />
sowie bioabbaubare<br />
Folien<br />
bedienen sich entweder des Hydroxypropyl-<br />
Cellulose-Phthalats, des Cellulose-2-Acetats<br />
oder des Cellulose-Butyrats, von denen die<br />
beiden letzteren nicht kristallin sind. Erstere<br />
versetzt man mit Weichmacher oder auch<br />
mal mit 20% Amylomais-Stärke (aus Detmold).<br />
Manche dieser bioabbaubaren Composite<br />
zeigen sogar Röntgeninterferenzen. Bezüglich<br />
der Morphologie solcher „Blends“, die<br />
im Vortrag aus Zeitmangel nur angeritzt werden<br />
konnten, wird aber noch viel zur Aufklärung<br />
ihrer gemischt-übermolekularen<br />
Struktur zu tun übrigbleiben.<br />
Der Beitrag von Fink beeindruckte sowohl<br />
durch die solide Beherrschung des nicht<br />
leichten Kunsthandwerks, das man mit Makromolekülen<br />
immer verbindet, wie auch<br />
durch den völlig freien und flüssig abgelieferten<br />
Vortrag, dessen Aussprache man mit<br />
dem Bühnendeutsch des Berliner Ensembles<br />
assoziieren konnte.<br />
Den inspirierenden 28 Minuten folgten<br />
noch 13 Minuten Diskussion, die Patt mit der<br />
Vermutung initiierte, daß man in Teltow wohl<br />
ein neues Terrain für den Einsatz von Chemiezellstoffen<br />
betreten habe! Fink sieht diesbezüglich<br />
Riesenmöglichkeiten, doch muß<br />
sich erst noch zeigen, ob diese auch industrielle<br />
Bedeutung erlangen. Immerhin sei es<br />
bereits gelungen, Folien mit einer Minimalstärke<br />
von nur 5 µm herzustellen (was sich<br />
nachhaltig auf den Preis von Verpackungen<br />
auswirken dürfte – vor allem in Konkurrenz<br />
zu petrochemischen Folien).<br />
Patt bewunderte die Lösekraft des neuen<br />
Lösemittels, die vermuten lasse, daß man<br />
dafür auch schlechtere Zellstoffe einsetzen<br />
könne. Fink bestätigte, daß MMO auch billigere<br />
Zellstoffe löst, die noch etwas Lignin enthalten,<br />
was Schleicher zu dem Einwurf veranlaßte,<br />
Zweifel an der Ökonomie solcher Billigprodukte<br />
zu äußern – dabei mag er an die<br />
Kosten für den höheren Filtrationsaufwand<br />
gedacht haben, denn Ligninmikropartikel<br />
lassen sich aus einer hochviskosen Lösung<br />
nicht abzentrifugieren.<br />
Taeger fügte hinzu, daß man auch in Rudolstadt-Schwarza<br />
im TITK billigere Zellstoffe<br />
auf Verspinnbarkeit geprüft und dabei<br />
festgestellt habe, daß der damit verbundene<br />
Verlust an Lösemitteln doch zu Buche schlage.<br />
Ein weiterer Hörer wollte wissen, wie bei<br />
9 Was nicht überraschen kann! Cellulose-Kupferoxid-Ammoniak<br />
Lösungen koagulieren bekantlich an freier Luft instantan zu<br />
nicht mehr deformierbaren Festkörpern, sobald sie vielleicht<br />
30% ihres NH 3-Gehaltes um 7 – 8 % verlieren, was wegen des<br />
geringen Molekulargewichtes von NH 3 in Sekunden erfolgt.<br />
NMMNO dagegen diffundiert um Größenordnungen langsamer<br />
(höheres MG und Bildung von Lösemittelsphären mit den Celluloseketten)<br />
und erlaubt deshalb die Deformation der extrem<br />
hochviskosen Lösung in betrieblich vertretbaren Zeiträumen.<br />
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