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Ausg. 35 - apr

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PAPIERERZEUGUNG<br />

Karpaltunnelsyndrom zu begegnen. Darunter<br />

versteht man eine Atrophie der Daumenballenmuskulatur,<br />

die durch Einengung von<br />

Nerven- und Sehnenbahnen verursacht wird<br />

und deshalb als Berufskrankheit von Kellnern<br />

gilt, die beladene Tabletts unter scharfer<br />

Abkrümmung der Hand balancieren müssen.<br />

Die Einengung bzw. Abschnürung von<br />

Nerven kann aber auch durch Ablagerungen<br />

von ß2MG (Mikro-Globulin) erfolgen, weshalb<br />

das Karpaltunnelsyndrom auch bei Hämodialysepatienten<br />

häufig vorkommt (neben<br />

mehreren anderen, verwandten Komplikationen).<br />

Das Molekulargewicht von ß2MG<br />

liegt bei 11 KDa und erhöht seine Plasmakonzentration<br />

um 10 – 40 % bei Gebrauch von<br />

Cuprophan oder Hämophan-Membranen.<br />

Merkwürdigerweise bleibt seine Konzentration<br />

bei bereits gebrauchten Cuprophan-Nieren<br />

konstant und nimmt bei Polyacrylnitril<br />

-bzw Polysulfon-Membranen sogar ab 14 , was<br />

bisher mit der Oberflächenspannung von<br />

Membranen assoziiert wurde. Das mit letzteren<br />

beiden vergleichbare Verhalten von Cellulosemembranen<br />

aus NMMO beruht deshalb<br />

auf Effekten, die noch nicht publiziert<br />

wurden – so man sie überhaupt schon<br />

kennt! Als letzter Sprecher trat G. Meister,<br />

Lenzing/Oberösterreich ans Mikrophon,<br />

auch für J. Schmidtbauer, M. Eibel und H.<br />

Sixta aus dem gleichen Hause. Sein Thema<br />

Ökobilanz der Chemiezellstoffherstellung:<br />

Bewertung der Nebenproduktnutzung<br />

das beim ersten Hören etwas trocken wirkte,<br />

aber im Laufe der Ausführungen doch nicht<br />

ohne Reiz blieb. Schon im ersten Satz verblüffte<br />

die Leistungskraft des 1938 an der<br />

Ager (als Ausfluß des Attersees) in einer zauberhaften<br />

Landschaft gegründeten Unternehmens<br />

(mit dabei waren viele leitende Angestellte<br />

aus Rudolstadt-Schwarza):<br />

134 000 t/a Viskosefasern, 12 000 t Lyocell-<br />

NMMO-Filamente ab Juli 1997 (in Heiligenkreuz/Burgenland)<br />

sowie 63 000 t Papier!<br />

Die Zellstoffproduktion dieser Produktpalette<br />

erfolgt ebenfalls am Ort, so daß man sich<br />

die Trocknung der TCF-Qualität erspart.<br />

Daraus folgt, daß sich die Lenzing AG wie<br />

kein anderer in Mitteleuropa berufen fühlen<br />

darf, sich zum Kostenvergleich des CS 2 – mit<br />

dem NMMO-Verfahren kompetent äußern zu<br />

können. Leider wurde darauf in der Diskussion<br />

zum vorausgegangenen Vortrag verzichtet,<br />

denn die Anteilseigner hätten gewiß nicht<br />

gerne gesehen, wenn man in dem Zusammenhang<br />

auf die Anlaufschwierigkeiten in<br />

Heiligenkreuz zu sprechen gekommen wäre<br />

15 . Die vorfluter-erlaubten Substanzen der<br />

Zellstoffproduktion gehen in die Ager, deren<br />

Bett 7 m 3 /s Wasser durchfließen. Zunächst<br />

aber wurden die Emissionen ökologisch bewertet,<br />

und zwar unter Berücksichtigung der<br />

Massen- und Energieflußbilanzen. Die dazu<br />

entwickelten Modelle hatten Qualitätsziele<br />

im Visier, doch erwiesen sich die wissenschaftlichen<br />

Konzepte als wenig brauchbar –<br />

im Gegensatz zu den geldorientierten Vorstellungen,<br />

die auch die Bewertung in Schilling<br />

und Groschen erleichterten. So wurde<br />

eine Schadschöpfungseinheit (SE) geboren,<br />

die sich in 1 kg CO 2 manifestiert und (in<br />

SE/Mol) in die Bilanz eingeht. Dieselbe ist<br />

leicht zu interpretieren, weil ohne Bewertungsspielräume<br />

definiert – freilich ohne<br />

Berücksichtigung der Bioakkumulation.<br />

Die Inputs (Rohstoffe und Recyclate) und<br />

Outputs (Produkte/Recyclate) wurden in<br />

Säulendiagrammen illustriert, und zwar<br />

getrennt nach wäßrigen (TCC, BSB, CSB,<br />

SO 4-<br />

,<br />

Gehalt etc.) und gasförmigen (CO 2 SO 2,<br />

NO x) Emissionen. Zu den Produkten zählen<br />

auch die Koppelprodukte Essigsäure (96 kg/t<br />

Zellstoff) und Furfural (25 kg/t), die ebenfalls<br />

in den Markt fließen.<br />

Die Emissionen der Abwasserreinigungsanlage<br />

(ARA) wurden den Verursachern zugewiesen,<br />

wie z. B. der Bleiche, die einen<br />

AOX- Wert von 8 kg/Tag für das gesamte<br />

Werk zu verkraften hat. Letzterer erfaßt allerdings<br />

den Chloroformgehalt (CHCl 2) nur<br />

partiell (mit ca. 0,5 kg/t). Essigsäure und Furfural<br />

aus den Brüden gelangen übrigens nur<br />

in ganz geringen Mengen ins Abwasser, so<br />

daß am Schluß aller Bemühungen die Reduktion<br />

des BSB von 150 auf 5 kg / t ˙ d registriert<br />

wurde. Beachtlich immer noch der Energieverbrauch<br />

mit 151 GJ/d, der 285 MSE/d<br />

entspricht.<br />

Der gut halbstündige Vortrag von Meister<br />

erwies sich als beispielhaft fundiert und eignet<br />

sich vermutlich als ökologisches Thermometer<br />

auch für andere Betriebe. Insoweit<br />

dürfte seine Bedeutung über den Tag hinausgehen.<br />

Nicht zuletzt beeindruckte das frei<br />

zelebrierte Bühnendeutsch des Referenten<br />

aus einem Bundesland, in dem die tägliche<br />

Umgangssprache der lokale Dialekt ist.<br />

Da der Uhrzeiger schon 18.15 Uhr überschritten<br />

hatte und außerdem noch die<br />

anschließende Ausschußsitzung bevorstand,<br />

erschöpfte sich die Diskussion schon nach<br />

zwei Minuten und brachte lediglich die triviale<br />

Einsicht, daß die Bewertungsfragen<br />

auch in Zukunft schwierig und streitig bleiben<br />

werden.<br />

Schleicher schloß deshalb bündig das<br />

39. RG und hoffte auf ein Wiedersehen in<br />

einem Jahr in Baden-Baden.<br />

Unter den Nichtausschußmitgliedern wurde<br />

natürlich das Gebotene noch ein wenig bedacht<br />

– auch im Vergleich zum allgemeinen<br />

Niveau der RG im Laufe der letzen zehn Jahre.<br />

Es schien aber die Meinung vorzuherrschen,<br />

daß es sich um eine sehr gehaltvolle<br />

Veranstaltung gehandelt habe, die auf diesem<br />

Pegel nicht jedes Jahr geboten werden<br />

kann. Zum Vergleich wurde das eindrucksvolle<br />

erste RG nach der Wende bzw. Wiedervereinigung<br />

im Jahre 1990 herangezogen, in<br />

dem erstmals auch die Talente bzw. Kapazitäten<br />

aus den neuen Bundesländern voll<br />

zum Zuge kamen. Insoweit handelte es sich<br />

um das achte Rundgespräch neuer Zeitrechnung,<br />

d. h. der neuen Berliner Republik, die<br />

schon 1999 die Bonner Periode wie ein Interregnum<br />

der Historie anvertrauen wird.<br />

Vor diesem Hintergrund darf die Frage gestellt<br />

werden: Wie soll es mit dem Rundgespräch<br />

unter Einschränkung auf die Sparte<br />

Cellulosechemie weitergehen? Lohnt es auch<br />

weiterhin den Aufwand, nur für einen oder<br />

einundeinhalb Tage zur HV zu gehen? Oder<br />

wäre es vernünftiger, sich mit erweitertem<br />

Horizont einer größeren Konkurrenz zu stellen?<br />

Wäre es nicht naheliegend, das RG mit<br />

der stupenden Rudolstädter Tagung zu poolen,<br />

zumal die letztere wegen ihrer innovativen<br />

Beiträge über ein beachtliches Reizpotential<br />

verfügt? Im Rahmen einer Papiermacher-HV<br />

dürfte das so leicht nicht möglich<br />

sein, wenn man an einer Viertagewoche festhält.<br />

Würde man aber das RG auf den Don-<br />

14 Nach A. R. Nissenson, Clinical Dialysis, Prentice-Hall Inc.,<br />

Toronto 1990, ab Seite 82. – Auf Seiten 97 und 98 kann man<br />

ferner erfahren, wie es möglich wurde, bei Celluloseregenerat<br />

eine Wertschöpfung von 2,50 DM / kg Linters auf 400 DM / kg<br />

Regenerat zu kreieren – bei industrieller Nutzung ! – Die Red.<br />

15 In Lenzing hat ja die Belegschaft gegen die Verlagerung der Lyocell-Produktion<br />

in das Burgenland (gehört zum Zielgebiet 1 der<br />

Brüsseler Eurokraten !) protestiert, weil man zu stolz war, sich<br />

von den BRD-finanzierten Gaben von Frau Wulf-Mathies ködern<br />

zu lassen. Dabei wurden aber auch ökonomische Argumente<br />

vorgebracht! – Die Red.<br />

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