Ausg. 35 - apr
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PAPIERERZEUGUNG<br />
man über Flockungsphänomene noch herzlich<br />
wenig weiß. Die dazu auch von angesehenen<br />
Fachleuten entwickelten Hypothesen<br />
stehen nämlich noch immer auf recht<br />
schwankendem Boden, von dem aus eine simple<br />
und einleuchtende Erklärung der dabei<br />
beobachteten rheologischen Effekte noch immer<br />
nicht in Sicht ist.<br />
Der Referent konzedierte, daß die Vermeidung<br />
von Quellkörpern noch immer nicht<br />
ganz einfach sei, um sodann das Podium abzugeben<br />
an N. Wachsmann (Sprecher) und<br />
M. Diamantoglou, Akzo-Nobel, Obernburg<br />
am Main, die über das<br />
Potential des NMMO-<br />
Verfahrens für Fasern<br />
und Membranen<br />
berichteten. Wachsmann erwies sich schon<br />
nach wenigen Sätzen als freier, flüssiger und<br />
eleganter Sprecher, der leger auftrat und der<br />
sein Thema so eindrucksvoll präsentierte, als<br />
handele es sich um eine Diskussion über ein<br />
ideales Frühstücksbutterbrot 10 . Erst in der<br />
Diskussion zeigte sich, daß er kein Ersatz für<br />
den Co-Autor war.<br />
Gleich mit dem ersten Satz führte er das<br />
Auditorium in die zentrale Problemstellung<br />
ein und präsentierte das Phasendiagramm<br />
von Cellulose-Wasser-NMMO-Mischungen<br />
bzw. -Lösungen, das echte Lösungen nur in<br />
einem engen Konzentrationsbereich zuläßt.<br />
Als Beispiel fiel ein Rezept mit 10% Cellulose,<br />
20% Wasser und 70% NMMO auf, ergänzt<br />
durch Stabilisatoren. Dieses Lösemittel wurde<br />
1977 erstmals von Mitarbeitern der Amerikan<br />
Enka in den Carolinas/USA beschrieben<br />
(aber offenbar von den vorwiegend juristisch-kaufmännischen<br />
Vorständen des Konzerns<br />
in seiner Bedeutung nicht erkannt –<br />
wie auch!! 11. ), aber erst sehr viel später von<br />
der Konkurrenz aufgegriffen. Letztere profitierten<br />
auch davon, daß das Grundpatent<br />
schon 1997 ausläuft – nicht dagegen die seit<br />
1989 sprunghaft angestiegenen Anmeldungen<br />
und Verfahrenspatente, die fast lawinenartig<br />
(ca. 60 – 70 p. a.) einsetzten, als Courtaulds<br />
seine TENCEL-Stapelfaser-Anstrengungen<br />
intensivierte. Lenzing zog schon bald<br />
mit LYOCELL-Filamenten nach, die beide<br />
schon produziert werden. Der Glanzstoff-<br />
Nachfolger Akzo-Nobel nannte sein NMMO-<br />
Filament NEWCELL (mit dem man den<br />
Autor Krüger assoziiert) und will in einer Kooperation<br />
mit Courtaulds letzteren die Stapelfaserproduktion<br />
überlassen – im Gegenzug<br />
für Know-how bei der Rückgewinnung<br />
des teuren NMMO. Über diesen Zusammenhang<br />
sprach man freilich nur im Auditorium.<br />
Das NMMO-Verfahren ist sehr vielseitig<br />
und gestattet auch die Herstellung von Folien<br />
– aus der Sicht dieses Berichters eine Conditio<br />
sine qua non, um den Overhead einer<br />
wertschöpfenden (und deshalb quantitativ<br />
immer begrenzten) Faserproduktion vom<br />
Cash-flow her zu begründen. Zusätzlich<br />
geraten dünne Folien schnell zu Membranen<br />
– und auch damit läßt sich viel Geld verdienen!<br />
Wachsmann exemplifizierte an Kraft-Dehnungs-Diagrammen<br />
von NMMO-Fasern, daß<br />
sie der klassischen Viskose überlegen und<br />
den Vergleich mit Cordenka Super II und III<br />
nicht zu scheuen brauchen. Auch vom Standpunkt<br />
ihres Einsatzes als textiles Material<br />
darf man sie als ideal bezeichnen – sogar ihre<br />
Neigung zur Fibrillation gilt jetzt als<br />
Chance für Optik (peach skin) und Griff (auch<br />
in Form von Vliesen). Im übrigen hat man inzwischen<br />
gelernt, die Fibrillationsneigung je<br />
nach Wunsch und Bedarf (in Rudolstadt 1994<br />
noch ein ganz großes Thema!) einzustellen,<br />
und zwar durch Maßnahmen, die bereits im<br />
Spinnfluid greifen (zuvor schon im Spalt bzw.<br />
Düsenloch) oder später im Fällbad, bei der<br />
Wäsche oder in der Nachbehandlung. Letztere<br />
hat sich dank der beispielhaften Entwicklungsarbeit<br />
des dänischen Enzymfabrikanten<br />
Novo Nordisk (3000 Mitarbeiter, davon<br />
1000 in F & E) als vielleicht wirksamste Stellgröße<br />
im fertigen Gewebe etabliert, mit der<br />
in Zukunft sicher noch effektiver manipuliert<br />
bzw. veredelt werden kann.<br />
Die Dialysemembranen<br />
aus NMMO-regenerierter<br />
Cellulose<br />
haben bereits eindrucksvoll auf sich aufmerksam<br />
gemacht, denn sie fielen sofort<br />
durch ihre überlegene Blutverträglichkeit<br />
auf. Bisher hat man solche Membranen aus<br />
Celluloseethern ausschließlich aus Cuoxam-<br />
Lösungen hergestellt. Dieses Verfahren stellte<br />
Wachsmann als arbeitsintensiver 12 und<br />
aufwendig im Bereich des Umweltschutzes<br />
dar; aber nicht nur ökologisch, sondern auch<br />
ökonomisch habe NMMO die Nase vorn! Zumindest<br />
aus seiner Sicht!<br />
Für den Markterfolg ist freilich entscheidend,<br />
daß die NMMO-Dialyseleistungen den<br />
Cuprophan-Membranen ganz eindeutig<br />
überlegen sind, wozu nicht zuletzt ihre Hämokompatibilität<br />
gehört. Diese Kennziffer<br />
ist übrigens im NMMO-Prozeß leicht variierbar,<br />
weil man Cellulosederivate unterschiedlicher<br />
chemischer Zusammensetzung und<br />
Konzentration mühelos mit Reincellulose rezeptieren<br />
kann, da derartige Komponenten<br />
in NMMO löslich sind (auf diesen Punkt hatte<br />
zuvor schon Fink aufmerksam gemacht).<br />
Als Beleg für die überlegene Blutverträglichkeit<br />
nannte Wachsmann den Platelet-Count<br />
als Kennziffer der Thrombogenität einer modifizierten<br />
NEWCELL-Hohlfaser. Simultan<br />
verbesserte sich die Komplementaktivierung,<br />
gemessen an der Produktion des Faktors<br />
C 5. Nicht minder eindrucksvoll die<br />
Trennleistung bei Ultrafiltrationsleistungen<br />
(UFR) bis zu 50 ml/h˙m 2 . High-flux-Membranen<br />
reichen auch noch über 50 ml hinaus.<br />
Abschließend wurde noch auf die Möglichkeit<br />
verwiesen, Kompositmembranen aus<br />
Cellulose, ihren Derivaten und synthetischen<br />
Polymeren zu fabrizieren. Auf diese Kombinationen<br />
darf man mithin besonders gespannt<br />
sein. – Den 25 Minuten des anregendsten<br />
Vortrags dieses RG (dem zuzuhören<br />
auch B. Steenberg/Stockholm die Ehre gab),<br />
folgte noch eine mit Verve geführte Diskussion<br />
von 15 Minuten.<br />
Die erste Frage aus dem Auditorium galt<br />
der Möglichkeit der Passage großer Molekel,<br />
die Wachsmann bestätigte. Ruck kontestierte<br />
die Unterstellung, NMMO-Prozesse seien<br />
preisgünstiger als Cuoxam-Regenerierung<br />
und forderte Taeger (TITK/Rudolstadt-<br />
Schwarza) auf, die an der Wiege der Vistrafaser<br />
gemachten Erfahrungen zu konkretisieren.<br />
Taeger äußerte dazu unmißverständlich<br />
, daß Viskose billiger herzustellen sei als<br />
NMMO-Regenerat, worauf Ruck unter Berufung<br />
auf den Karrer-Schüler Schubert 13 kundtat,<br />
daß Cuoxam-Seide billiger herzustellen<br />
sei als Viskose – was aber Wachsmann keineswegs<br />
von seiner Meinung abbrachte. Offenbar<br />
hatte er keine Ahnung von den Bem-<br />
10 Auf sächsisch: „Bemme“.<br />
11 In Analogie zu den vergeblichen Disputen des Glanzstofftechnikers.<br />
Dr. Ebert mit seinem Kaufleutevorstand Schlange in den<br />
sechziger Jahren über eine vernünftige Faserstrategie. – Die<br />
Red.<br />
12 Ob diese Behauptung auch noch nach den Entlassungen im<br />
Werk Barmen (von über auf deutlich unter 1000 Mitarbeiter) im<br />
letzten Jahr zutrifft, entzieht sich der Kenntnis der Redaktion.<br />
13 P. Schubert war das einzige Vorstandsmitglied, der eine tonnagemäßige<br />
vergleichbare Viskose- und Kupferkunstseide bilanzmäßig<br />
zu vertreten hatte (in Pirna bei Dresden).<br />
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