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PDF 2006-4 Autoren pdf.indb - Linksreformismus

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Keynes und die Rentiers<br />

gewesen, um das System in einem relativen<br />

Gleichgewicht zu halten.<br />

Solche Eingriffe waren jedoch politisch<br />

nicht durchsetzbar. Im Gegenteil setzte auf<br />

politischer Ebene eine Entwicklung ein, die<br />

auf das genaue Gegenteil der von Keynes angestrebten<br />

„Euthanasie des Rentiers“ hinauslief.<br />

Die Rentiers ließen sich nicht einschläfern.<br />

Aufgeschreckt durch die Stagflationskrise der<br />

1970er Jahre, begannen sie vielmehr, ihre Macht<br />

auf internationaler Ebene neu zu organisieren,<br />

und errichteten ein hegemoniales Regime,<br />

von dem Keynes sich nichts hätte träumen<br />

lassen. Nicht das langfristige ökonomische<br />

Entwicklungsmodell von Keynes als solches war<br />

insgesamt falsch, wohl aber seine Einschätzung<br />

des politischen Kräfteverhältnisses zwischen<br />

dem Staat und den Vermögensrentiers. Diese<br />

These soll im folgenden Abschnitt genauer<br />

begründet werden.<br />

II.<br />

Mit seiner Erwartung, daß der Vermögensrentier<br />

einen baldigen „sanften Tod“ erleiden<br />

werde, stand Keynes zu seiner Zeit nicht allein.<br />

In ihrer vielbeachteten Studie über „The<br />

Modern Corporation and Private Property“<br />

konstatierten Berle und Means (1932) eine<br />

fortschreitende Zersplitterung und Atomisierung<br />

der Eigentumsverhältnisse in den<br />

großen Kapitalgesellschaften, mit der Folge,<br />

daß der faktische Einfluß der Eigentümer<br />

auf die Unternehmenspolitik immer mehr<br />

zurückging und die Macht der Manager stieg.<br />

Ähnlich diagnostizierte Joseph A. Schumpeter<br />

(1993/1942) eine schleichende Expropriation<br />

der bürgerlichen Eigentümer durch die<br />

Entwicklung des modernen, von Managern<br />

kontrollierten Großunternehmens. Die Figur<br />

des Vermögensrentiers selbst stellte sich ihm<br />

als eine Schrumpfform des aus der Produktion<br />

verdrängten Unternehmers dar, deren soziale<br />

Legitimität immer brüchiger werde. Noch in<br />

der Mitte des 20. Jahrhunderts war es um die<br />

Macht der Rentiers schlecht bestellt. In den<br />

großen Unternehmen hatten sie wegen der<br />

Fragmentierung des Aktienbesitzes nichts zu<br />

sagen; es war das Zeitalter der „Herrschaft der<br />

25<br />

Manager“. Auch auf die von den großen Banken<br />

und Konzernen dominierte Politik hatten sie<br />

kaum Einfluß.<br />

Die Situation begann sich allerdings schon<br />

in den 1950er Jahren zu verändern, als sich,<br />

zunächst in den USA, später auch in Europa<br />

und in anderen Teilen der Welt, sog. „institutionelle<br />

Investoren“, d.h. Investmentfonds und<br />

Pensionsfonds, etablierten. Die Bezeichnung<br />

„institutionelle Investoren“ für diese Firmen<br />

ist insofern irreführend, als es sich um Unternehmen<br />

handelt, die Finanzgeschäfte betreiben,<br />

nicht aber wirklich Arbeitskräfte und<br />

Maschinen kaufen. Im Unterschied zu Banken<br />

leben sie nicht vom Kreditgeschäft, sondern<br />

sammeln, verwalten und investieren das Kapital<br />

individueller Anleger. Dabei arbeiten sie mit<br />

professionellen Methoden und umfassenderen<br />

Informationen, als sie dem einzelnen Anleger<br />

zur Verfügung stehen (was nicht heißt, daß<br />

sie diese Informationen auch immer zum<br />

Vorteil ihrer Kunden nutzen). Der Aufstieg<br />

der Fondsgesellschaften wurde entscheidend<br />

durch institutionelle Veränderungen des Weltwährungssystems<br />

begünstigt, insbesondere<br />

durch die Auflösung des von Keynes mitgestalteten<br />

Bretton-Woods-Systems im Jahre<br />

1973, und die nachfolgende Liberalisierung<br />

der Finanzmärkte auch in Europa durch den<br />

Maastricht-Vertrag. Das brachte eine enorme<br />

Erweiterung der Anlagemöglichkeiten für die<br />

Fonds. Es entstand ein weltweiter „Markt für<br />

Unternehmenskontrolle“ (Windolf 2005), in<br />

dem sich die Fondsgesellschaften wie Hechte<br />

im Karpfenteich bewegen können.<br />

Es besteht kein Anlaß, die Fonds zu dämonisieren:<br />

Sie sehen sich als Dienstleister,<br />

die nur die Aufträge ihrer Kunden ausführen,<br />

und das ist trotz der massiven Eigeninteressen<br />

der Fondsmanager und Analysten, die immer<br />

im Spiel sind, keineswegs falsch. Aber gerade<br />

dort, wo die Fonds ihren Aufgaben wirksam<br />

nachkommen, stellen sie einen mächtigen<br />

Hebel zur Durchsetzung der Rentierinteressen<br />

dar. Die Fonds konkurrieren um die Gunst<br />

ihrer Kunden und müssen daher möglichst<br />

hohe Renditen nicht nur versprechen, sondern<br />

auch in den von ihnen beherrschten Unternehmen<br />

durchsetzen. Unabhängig von den<br />

beträchtlichen Provisionen und Honoraren,

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