PDF 2006-4 Autoren pdf.indb - Linksreformismus
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32 Christoph Deutschmann<br />
Leistungsbereitschaft. Schon der Begriff des<br />
institutionellen „Investors“ selbst ist mit der<br />
in ihm angelegten Vermengung realer Anlageentscheidungen<br />
mit finanzwirtschaftlichen<br />
Operationen ein Beispiel für die herrschende<br />
Sprachverwirrung.<br />
Die zweite Schicht der Ideologieproduktion<br />
besteht in Populärversionen der „Mainstream“-<br />
Ökonomie, die eine neuartige Form eines<br />
wissenschaftlich verbrämten Lobbyismus darstellen.<br />
Wie durch höhere Fügung laufen die im<br />
Fernsehen verkündeten wirtschaftspolitischen<br />
Empfehlungen der ökonomischen Berater<br />
(Rügemer 2004) und „Wirtschaftsweisen“<br />
(Verabsolutierung der Geldwertstabilität, Senkungen<br />
der Löhne, Steuern und Sozialabgaben,<br />
Liberalisierung der Märkte) regelmäßig auf eine<br />
stillschweigende Privilegierung der Rentierinteressen<br />
hinaus. Nicht die „Konsumenten“, die<br />
ja in der Mehrzahl Arbeitnehmer und als solche<br />
auch negativ betroffen sind, profitieren von der<br />
Intensivierung des Wettbewerbs an den Arbeitsund<br />
Gütermärkten, wie irreführend behauptet<br />
wird. Die Hauptgewinner sind vielmehr die<br />
Eigentümer von Finanzvermögen. Sorgfältig<br />
werden die durch die Unternehmen und die<br />
Gesellschaft zu tragenden, immer höheren<br />
Zins-, Renten- und Dividendenlasten ausgeblendet.<br />
Die Folgen dieser Belastung dagegen<br />
werden als unvermeidliche „Sachzwänge“ einer<br />
globalen Ökonomie inszeniert. Wohl nicht<br />
zufällig stoßen solche Inszenierungen in den<br />
politisch meinungsführenden Rentierschichten<br />
der gesellschaftlichen Mitte parteiübergreifend<br />
auf breite Zustimmung. Wiederum spielt der<br />
Verstärkereffekt der Medien, insbesondere<br />
des Fernsehens, dabei eine zentrale Rolle.<br />
Das Zusammenspiel von Fondsgesellschaften,<br />
Wissenschaftlern, Consulting-Firmen und<br />
der Medienindustrie ist ein Thema, das noch<br />
gründlicher Erforschung bedarf.<br />
IV.<br />
Überblickt man die Prozesse der Restauration<br />
der Macht der Rentiers nach der Krise der<br />
1970er Jahre, so wird ein gesellschaftliches System<br />
von eindrucksvoller Geschlossenheit sichtbar.<br />
Genaugenommen liegt das Machtzentrum<br />
dieses Systems nicht bei den Rentiers selbst,<br />
sondern bei den Fondsgesellschaften, die gewiß<br />
nicht nur als selbstlose Agenten ihrer Kunden<br />
auftreten, sondern auch nicht zu unterschätzende<br />
Eigeninteressen verfolgen. Gleichwohl<br />
sind die Fonds nicht allmächtig; sie müssen<br />
um die Gunst der Anleger konkurrieren und<br />
sind auf deren Vertrauen angewiesen. Dank der<br />
organisierenden Rolle der Fondsgesellschaften<br />
wird das strukturelle gesellschaftliche Gewicht<br />
der Rentierinteressen jedenfalls beträchtlich<br />
gestärkt. Mit den Fonds gelangen, so frohlockt<br />
Rainer Hank, „die Eigentümer an die Macht“<br />
(Hank <strong>2006</strong>: 2). Die Bündelung der Interessen<br />
der Vermögenseigentümer in den Händen<br />
der Fonds ist deshalb so folgenreich, weil die<br />
Fondsgesellschaften mit den Finanzvermögen<br />
eine „Ressource“ kontrollieren, von der moderne<br />
Gesellschaften in umfassender Weise<br />
abhängig sind. Geld ist alles andere als bloß ein<br />
„Schleier“ über den „realen“ wirtschaftlichen<br />
Vorgängen, wie die neoklassische Lehre unterstellt.<br />
Selbst Keynes unterschätzte mit seiner<br />
erheblich differenzierteren geldtheoretischen<br />
Position die gesellschaftliche Bedeutung des<br />
Geldes. Geld ist in modernen Gesellschaften<br />
nicht nur ein Medium zur Bewältigung von<br />
Ungewißheit an Gütermärkten, sondern die<br />
Grundlage individueller Freiheit und Sicherheit<br />
schlechthin. Es ist das „allgemeine Mittel“<br />
(Simmel 1989/1900; Deutschmann 2001; Paul<br />
2004), von dem das Funktionieren nicht nur<br />
der Wirtschaft, sondern direkt oder indirekt<br />
auch aller anderer Subsysteme der Gesellschaft<br />
– von der Familie und der Politik bis hin zur<br />
Wissenschaft – abhängt. Als allgemeines Mittel<br />
gewinnt es aber, wie Simmel hervorhob, einen<br />
inneren Wert von höchster Potenz und wird<br />
zum Träger gesellschaftlicher Privatmacht.<br />
Wenn es einer Gruppe kollektiver Akteure<br />
wie den Fondsgesellschaften gelingt, diese<br />
Privatmacht zu bündeln, dann gewinnt sie<br />
damit beträchtlichen Einfluß auf die gesamte<br />
gesellschaftliche Entwicklung. Diese Entwicklung<br />
hat Keynes nicht vorausgesehen, und darin<br />
liegt wohl der Hauptgrund für das „Versagen“<br />
seiner Doktrin.<br />
Die Zurückdrängung des keynesianischen<br />
Interventionsstaates seit den 1970er Jahren<br />
hat keineswegs das Wachstum der Wirtschaft