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PDF 2006-4 Autoren pdf.indb - Linksreformismus

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Keynes und die Rentiers<br />

von außen her planen und kommandieren,<br />

sondern erfordern ein hohes Maß an Selbstorganisation<br />

der unmittelbar beteiligten Akteure.<br />

Dieses steht jedoch im Widerspruch zu dem<br />

Kontrollanspruch der Eigentümer und ihrem<br />

Interesse, einen möglichst hohen Anteil der<br />

Erträge des Unternehmens für ihre Klientel<br />

herauszuholen.<br />

Das Regime der Fondsgesellschaften versetzt<br />

das Management in einen Zielkonflikt:<br />

Auf der einen Seite werden von ihm mehr und<br />

bessere unternehmerische Leistungen erwartet,<br />

auf der anderen Seite werden die zur Erbringung<br />

dieser Leistungen notwendigen Ressourcen<br />

beschnitten. Wie gehen die Führungskräfte mit<br />

diesem Dilemma um? Das realistische, auch<br />

durch Fallstudien (Froud et al. 2000) belegte<br />

Szenario ist wohl, daß die Manager es lernen,<br />

doppelbödig zu agieren, d.h. symbolische<br />

Selbstdarstellung und praktisches Handeln zu<br />

entkoppeln. Rasch eignen sie sich die von den<br />

Eigentümern vorgegebenen Sprachspiele an und<br />

verstehen es, die Ergebnisse, Strategien und<br />

Perspektiven des Unternehmens in ein für die<br />

Börsenbewertung günstiges Licht zu rücken. In<br />

der Praxis dagegen kommt es vor allem darauf<br />

an, die in den Zielvereinbarungen zwischen dem<br />

Management und den Investoren festgelegten<br />

Gewinnmargen zu erreichen. Daher sind Risikovermeidung<br />

und Kostensenkung oberste<br />

Gebote. Die Fertigungstiefe wird verringert,<br />

fixe Personalbestände und Kapitalinvestitionen<br />

werden soweit wie möglich vermieden.<br />

Wenn möglich, möchte man überhaupt nicht<br />

mehr die Rolle des Produzenten, sondern<br />

nur noch die des Dienstleisters übernehmen.<br />

Selbst industrielle Produktionsanlagen werden<br />

nicht mehr gekauft, sondern gemietet (Reindl<br />

2002). Löhne und Gehälter werden gesenkt,<br />

Personal abgebaut, Leistungsanforderungen<br />

und Arbeitszeiten erhöht. Mit dem Risiko wird<br />

freilich auch das Wertschöpfungspotential<br />

ausgelagert. Wenn alle die erfolgreichen innovativen<br />

Produkte und Techniken nur noch<br />

kaufen wollen, wer wird sie dann produzieren?<br />

Kapitalverwertung wird so zu einem Nullsummenspiel,<br />

das kein wirtschaftliches Wachstum<br />

hervorbringt, sondern sich auf eine Umverteilung<br />

der gegebenen Wertschöpfung zugunsten<br />

der Kapitaleinkommen reduziert. Gewinne<br />

31<br />

sind nicht länger nur „Residualeinkommen“<br />

im traditionellen Verständnis, sondern verwandeln<br />

sich faktisch in einen neuen, durch<br />

Zielvereinbarungen definierten Typus von<br />

Kontrakteinkommen. Umgekehrt verlieren<br />

Tarif- und Arbeitsverträge ihre Verbindlichkeit;<br />

die Entgelte der Beschäftigten verwandeln sich<br />

faktisch in Residualeinkommen. Die Beschäftigten<br />

bekommen nur noch, was übrigbleibt,<br />

nachdem die Eigentümer ihre Ansprüche<br />

befriedigt haben.<br />

Im Ergebnis spricht vieles dafür, daß das<br />

Regime der institutionellen Investoren Strategien<br />

der Gewinnerzielung begünstigt, die der<br />

oben skizzierten zweiten Option entsprechen,<br />

nicht der ersten: Umverteilung der Arbeitszugunsten<br />

der Kapitaleinkommen. Von der<br />

noch berüchtigteren Methode des „Exit-Kapitalismus“<br />

(Kühl 2005) – ein Unternehmen<br />

wird aufgekauft, mit dem alleinigen Ziel, seinen<br />

Börsenwert in die Höhe zu treiben und es dann<br />

mit Gewinn zu verkaufen – wird dabei noch<br />

ganz abgesehen.<br />

(5) Das Zusammenspiel zwischen den Strategien<br />

der Fondsgesellschaften auf den verschiedenen<br />

gesellschaftlichen Ebenen könnte nicht<br />

funktionieren ohne eine kohärente Ideologie und<br />

ohne einen Medienbetrieb, der diese Ideologie<br />

kontinuierlich in der Gesellschaft verbreitet.<br />

Bei der Ideologieproduktion lassen sich zwei<br />

Schichten unterscheiden: Auf der einen Seite<br />

werden allgemeine Leitbegriffe wie Markt,<br />

Wettbewerb, Leistung, Selbstverantwortung<br />

in Umlauf gebracht, durch deren ständige<br />

Wiederholung ein sich selbst bestätigender<br />

Effekt entsteht. Wie diese Technik funktioniert,<br />

läßt sich an dem gängigen Verständnis<br />

von „Leistung“ zeigen (Neckel/Dröge 2003):<br />

Obwohl Vermögensbesitz und Vermögenseinkommen<br />

zum größten Teil gar nicht durch<br />

eigene Leistung erworben werden, läßt die<br />

ideologische Rhetorik den Eindruck entstehen,<br />

die pure Faktizität der marktbedingten<br />

Einkommensverteilung sei durch individuelle<br />

„Leistung“ bedingt. Die Konzepte „Leistung“<br />

und „Markterfolg“ werden kurzgeschlossen:<br />

Wer Erfolg hat, so wird suggeriert, kann dies<br />

nur durch eigene Leistung verdient haben,<br />

wer nicht erfolgreich ist, erfährt eben darin<br />

die gerechte Strafe für seine mangelnde

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