Der Angst vor dem Tod begegnen - tine-schreibt
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3.3.3. Das Judentum<br />
Am Beispiel des Judentums lässt sich zeigen, dass eine (religiöse) Kultur ohne Jenseitskonzept<br />
durchaus möglich ist. Zugleich legt dessen Entwicklung hin zu einem zunehmend<br />
detailreichen und angenehmen Konzept aber nahe, dass diese Form der Kultur den<br />
Bedürfnissen ihrer Angehörigen nicht auf Dauer entspricht und sich die Sehnsucht nach<br />
Erklärung und Sicherheit durch eine fundierte Antwort auf die Frage nach <strong>dem</strong> <strong>Tod</strong> letztendlich<br />
durchsetzt.<br />
Interessant sind an dieser Stelle die Umstände, unter denen die jüdischen Nachlebenskonzepte<br />
erstmals entworfen wurden: Die erste Zerstörung des Tempels zu Jerusalem im<br />
Jahre 586 v. Chr. durch die Perser hatte tiefgreifende theologische Implikationen: Wurde in<br />
dieser Zeit das Heiligtum eines Gottes zerstört, galt dies als Beweis der Überlegenheit der<br />
Götter des angreifenden Volkes. Für das junge, nur durch sein gemeinschaftliches Freiheitsstreben<br />
und seinen Glauben zusammengehaltene Volk Israel 2 war die Tempelzerstörung<br />
somit ein auf allen Ebenen vernichtender Schlag. Um die Identität ihrer Gruppe<br />
dennoch aufrechtzuerhalten, wurde die Nichtachtung der im Buch Deutoronomy verkündeten<br />
Gesetze - u. a. die strikte Verordnung des Monotheismus - zum Grund dafür erklärt,<br />
dass Gott sein Volk verlassen hat. <strong>Der</strong> Schock der Tempelvernichtung saß tief genug, um<br />
dazu zu führen, dass sich nach diesem Ereignis mit den Mitteln der Archäologie keine<br />
Anzeichen von Polytheismus im Volke Israel mehr finden lassen 3 .<br />
Die Vernichtung des Tempels, der Krieg und die Verschleppung, der die Juden durch die<br />
Perser ausgesetzt waren, führten zu einer großen Salienz der verschiedenen Formen von<br />
Sterblichkeit - sowohl der eigenen, als auch der von Teilen der eigenen Kultur und Identität.<br />
Dass daraus ein verstärktes Bedürfnis nach einem detaillierten, beruhigenden Jenseitskonzept<br />
resultierte, ist naheliegend. Die Reaktion der Rabbiner bestand in der<br />
Erfüllung ebendieses Bedürfnisses. Dass die breite Anerkennung des neuen jüdischen<br />
Jenseitskonzeptes auf die zweiten Zerstörung des Tempels folgte, stützt diese Interpretation<br />
der Ereignisse.<br />
Sheol als ödes Schattenreich der Toten, ist sowohl mit <strong>dem</strong> Totenreich der Sumerer, als<br />
auch <strong>dem</strong> ursprünglichen Hades der graeco-romanischen Religionen vergleichbar. Einen<br />
in seiner Wirkung <strong>dem</strong> Gilgamesch-Epos vergleichbaren Mythos hat das Judentum in dieser<br />
Phase seiner Entwicklung jedoch nicht her<strong>vor</strong>gebracht; sein Diesseitsbezug konzentriert<br />
sich weniger auf Hedonismus oder Verewigung in Taten, als auf ein Leben im Dienste<br />
2 http://www.pbs.org/wgbh/nova/programs/ht/qt/3516_06.html (12.02.09)<br />
3 http://www.pbs.org/wgbh/nova/programs/ht/qt/3516_11.html (12.02.09)<br />
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