Der Angst vor dem Tod begegnen - tine-schreibt
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schätzung, das Überleben und schließlich den weltweiten Erfolg des christlichen Glaubens<br />
- neben <strong>dem</strong> Konzept des gütigen, vergebenden Gottes - auch auf sein konkurrenzlos<br />
gutes Jenseitsangebot zurückzuführen (vgl. Soeffner, 2008, S. 128).<br />
Es kommen also bei der Konvertierungswelle hier in Bezug auf den Nachlebensentwurf<br />
zwei machtvolle Faktoren zusammen: Erstens der durch eine zentrale spirituelle Autorität<br />
und 'Augenzeugen' gesicherte Realitätsanspruch. Zweitens das angenehm utopische frühchristliche<br />
Jenseits. Ersteres ließe sich in einem pädagogischen Setting aufgrund fehlender<br />
Legitimation nicht reproduzieren.<br />
3.3.5. Die christlichen Strategien bis ca. 1800<br />
Das christliche <strong>Tod</strong>es- und Jenseitskonzept ähnelt <strong>dem</strong> der altägyptischen Religion in seiner<br />
<strong>Tod</strong>esbezogenheit, unterscheidet sich aber in seiner Tendenz zur Marginalisierung des<br />
diesseitigen Lebens. Das christliche Bild zeichnet sich außer<strong>dem</strong> durch deutlich einfachere<br />
Regeln für die Einflussnahme auf das eigene jenseitige Schicksal aus. Die Ungewissheit<br />
des Nicht-Erfahrbaren wird hier von der Autorität der Bibel - Gottes persönlicher<br />
Nachricht an seine Schöpfung -, sowie der sie interpretierenden Geistlichen zerstreut und<br />
durch ein klares, unmissverständliches Jenseits ersetzt. Die Klauseln über die Zugangsregelung<br />
entstammen der gleichen Quelle und stehen - je nach Konfession - nicht, oder nur<br />
im Rahmen der göttlichen Gnade zur Verhandlung.<br />
Die auf Wohlwollen und Unterwerfung beruhende Übereinkunft zwischen Schöpfer und<br />
Schöpfung wurde erst nach und nach und verstärkt im Schatten der sich häufenden Katastrophen<br />
um das 14. Jahrhundert herum in Frage gestellt. Gott schien sich in diesen Katastrophen<br />
als zorniger, verurteilender und strafender Herrscher zu manifestieren, und in der<br />
Konsequenz veränderten sich auch die vermuteten Modalitäten des Eintritts ins wünschenswerte<br />
Jenseits. Zugleich scheint auch das Vertrauen auf die göttlichen Jenseitsversprechen<br />
abgenommen zu haben, reflektiert im Wandel der Grabinschriften.<br />
Für die sich verstärkende Ritualisierung des Umganges mit Toten bietet sich ein multidimensionaler<br />
Deutungsansatz an: Klare Handlungs<strong>vor</strong>gaben wirken stabilisierend in krisenhaften<br />
Situationen; der magische Aspekt religiöser Rituale gibt das Gefühl, Einfluss auf<br />
das eigentlich Unbeeinflussbare nehmen zu können; durch die Erhebung des Sterbens zur<br />
eigenen Kunstform wurde der gefürchtete Vorgang in ein wert- und inhaltsvolles Ereignis<br />
verwandelt, in das ein Mensch seine Ehre setzen, und aus <strong>dem</strong> er Selbstwertgefühl ziehen<br />
konnte.<br />
Für die Generationen, die nach den Katastrophenjahren kamen, gehörten die regelmäßigen<br />
Ausbrüche der Pest bereits zum Alltag; ihnen saß der Schrecken nicht so tief in den<br />
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