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Der Angst vor dem Tod begegnen - tine-schreibt

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Hand nehmen" (Schroeder et al., 1996, S. 75) und durch ihr eigenes Sterben begleiten.<br />

Hier stellt sich nun die Frage, inwieweit dies auf die intensive pädagogische Begleitung<br />

krebskranker Kinder zurückzuführen ist, ob eine ähnliche Betreuung nicht auch für<br />

erwachsene Krebskranke wünschenswert wäre, und ob deren Prinzipien in Form von entwicklungsfördernden<br />

Maßnahmen in den Schulalltag gesunder Kinder einfließen könnten<br />

(vgl. ebd. S. 68ff, 73ff).<br />

Abschließend bleibt zu bemerken, dass es den Anschein hat, als wirke der <strong>Tod</strong> <strong>vor</strong> allem<br />

auf die Ferne - also aus Sicht von Gesunden - belastend und verstörend, während er im<br />

direkten, persönlichen Kontakt die Entwicklung einer angstfreien, reifen Sicht auf das<br />

Leben fördern kann.<br />

5.6. Lebenshunger, Orthorexie und medikalisierter Alltag<br />

Eine weitere Auswirkung von unterdrückter <strong>Tod</strong>esangst findet sich in einigen, von den Profiteuren<br />

der Konsummentalität gezielt salient gehaltenen kulturellen Maximen, die das<br />

Leben des modernen westlichen Menschen formen: Bleibe jung, erbringe Leistung, verpasse<br />

nichts und halte dich gesund. Auf den ersten Blick wirken diese Aufforderungen<br />

lebensbejahend und aktivierend; ihre Kehrseite entdeckt man erst bei einer kritischen<br />

Betrachtung.<br />

Wie in Teil 4.2. bereits erwähnt, wird heute mit <strong>dem</strong> <strong>Tod</strong> <strong>vor</strong> allem ein hohes Lebensalter<br />

assoziiert. Die Aufforderung, jung zu bleiben, bedeutet deshalb nicht nur, Geist und Gemüt<br />

aktiv zu halten, sondern auch, den Alterungsprozess des Körpers zu verlangsamen, und<br />

ihn dort, wo er zu weit fortgeschritten ist, zu verbergen. Dieser Kampf beginnt oft schon<br />

<strong>vor</strong> der ersten Falte, mit Cremes, Lotionen, Kuren und Botox, <strong>dem</strong> Gift des Bakteriums<br />

Clostridium botulinum, das Mimikfalten <strong>vor</strong>beugt, in<strong>dem</strong> es die entsprechenden Muskeln<br />

lähmt, was notwendigerweise zu einem starren, maskenhaften Gesichtsausdruck führt 33 .<br />

Wird die Haut schließlich doch faltig und schlaff, kann sie chirurgisch gestrafft und unterfüttert<br />

werden. Natürlichkeit wird einer Illusion von Jugend geopfert, und wenn diese gelingt,<br />

besteht das Resultat in Fünfzigjährigen mit den Gesichtern von Zwanzigjährigen 34 . Die<br />

Verleugnung von Alter und Sterblichkeit mit den Mitteln der plastischen Chirurgie gelingt<br />

jedoch nicht allen, und das teilweise bizarre Resultat findet sich an einer der Quellen<br />

menschlicher Identität: Dem Gesicht 35 [. Dass das destruktive Risiko für die eigene Identität<br />

dennoch eingegangen wird, zeigt sicher zu einem gewissen Teil den Leichtsinn der Betroffenen;<br />

es weist aber auch auf den Konventionsdruck in einer Gesellschaft hin, die den <strong>Tod</strong><br />

33 http://www.nytimes.com/2005/08/28/style/tmagazine/TW1841184.html (16.02.09)<br />

34 http://famousplastic.com/2008/03/18/major-plastic-surgery-overhaul-cindy-jackson/ (16.02.09)<br />

35 http://famousplastic.com/category/burt-reynolds/ (16.02.09) http://famousplastic.com/2008/05/15/who-would-yourather-look-like/<br />

(16.02.09)<br />

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