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Der Angst vor dem Tod begegnen - tine-schreibt

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nahme am <strong>Tod</strong> von Privatpersonen stark abgenommen. An ihre Stelle sind massenmediale<br />

Berichte über das Ableben Prominenter, sowie tragische Unfälle und Unglücke getreten,<br />

die laut Eigenmann mit ihrer stets offen dramatischen Aufmachung versuchen, das verlorengegangene<br />

Gefühl des gemeinschaftlichen Verlustes zu beschwören. Hierzu tragen<br />

öffentliche Trauerzeichen bei; z. B. Flaggen auf Halbmast, Kondolenzbücher in öffentlichen<br />

Häusern und Reden politischer Protagonisten im Rahmen öffentlicher Trauergottesdienste;<br />

aber auch von den Bürgern initiierte Traueraktionen, meist bestehend aus<br />

Blumen, Stofftieren, Grußkarten und Kerzen an einem für den Unfall oder die Verunglückten<br />

bedeutsamen Ort interpretiert Eigenmann als auf ein Gemeinschaftsgefühl ausgerichtete<br />

Aktionen (vgl. Eigenmann, 2000, S. 240f).<br />

Diese mannigfaltigen Trauerzeichen stellen einen nicht geringen Teil des audiovisuellen<br />

Materials dar, das in Berichten über den Anlass verwendet wird. Unverhüllte Leichen sind<br />

für die berichterstattenden Medien meist Tabu - diese Aussage ist nach Meinung der Autorin<br />

der <strong>vor</strong>liegenden Arbeit <strong>vor</strong>wiegend für Boulevardzeitungen gültig; <strong>vor</strong> allem auf umfassende<br />

und sachliche Dokumentation spezialisierte Spartensender (z. B. Phoenix) zeigen<br />

im Rahmen von Kriegs- und Kriesenberichte auch nicht-anonymisierte <strong>Tod</strong>esopfer. In der<br />

Yellow Press blühte nach <strong>dem</strong> Unfalltod von Lady Diana der Handel mit Devotionalien<br />

unterschiedlicher Art, doch Fotos der sterbenden Prinzessin, die ein Paparazzi an der<br />

Unfallstelle geschossen hat, waren und sind unverkäuflich. Auch vom Absturz des Fluges<br />

SR-11 sah man Trümmer und Trauernde, nicht aber Opfer. Somit ist der <strong>Tod</strong> in den Nachrichten<br />

oft ein indirekter, nur in seinen Auswirkungen sichtbarer <strong>Tod</strong>. Diese Auswirkungen<br />

zu sehen und zu hören, ist - nach Angabe der Medien - das ausdrückliche Begehren der<br />

Zuschauer; besonders jener, die an den Verunglückten schon zu<strong>vor</strong> ein gesteigertes Interesse<br />

hatten, oder sie aufgrund eines bestimmten Merkmals - meist der Nationalität - zu<br />

ihrer erweiterten In-Group zählen (vgl. ebd. S. 240, 244).<br />

Jedes Detail wird laut der Medienindustrie für ihre Kunden interessant; Einblicke in den<br />

genauen Unfallhergang, Berichte von Augenzeugen und Überlebenden, jede Information<br />

über die Opfer, tränenüberströmte Berichte der trauernden Angehörigen, Freunde, Klassenkameraden,<br />

Kollegen, und so weiter. Und alles stellen die Medien bereitwillig zur Verfügung.<br />

Gegen die Anklage, Voyeurismus und Leichenfledderei zu betreiben, müssen sich<br />

die Medien schützen, in<strong>dem</strong> sie glaubhaft machen, dass sie weder die Betroffenen ausnutzen,<br />

noch die Zuschauer mit <strong>dem</strong> Gesehenen alleinlassen. Praktisch geben sie den Vorwurf<br />

unter <strong>dem</strong> Lable der Bewältigungshilfe an die Zuschauer und die Trauernden selbst<br />

zurück: Den Betroffenen helfe es, Interviews zu geben und in ihrer Trauer von tausenden<br />

fremder Menschen begleitet zu werden, und den Zuschauern sei daran gelegen, die<br />

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