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Strafbarkeit von Zwangsheiraten und arrangierten Heiraten

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verschieden festgelegt werden 17 . Als Ehehindernisse anerkannt werden Blutsverwandtschaft,<br />

fehlende Handlungsfähigkeit, fehlende freie Zustimmung <strong>und</strong> Polygamie 18 . Das staatliche<br />

Recht darf die Garantie nicht auf eine Weise einschränken, dass sie in ihrem Wesensgehalt<br />

berührt wird 19 .<br />

Eingriffe in das Recht auf Eheschliessung sind nach denselben Gr<strong>und</strong>sätzen möglich, wie sie<br />

für das Recht auf Achtung des Privat- <strong>und</strong> Familienlebens (Art. 8 EMRK) gelten. Nach diesen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen muss ein Eingriff auf einer vorhersehbaren, also genügend bestimmten<br />

gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage beruhen, welche gegen willkürliche Eingriffe des Staates einen<br />

gewissen Schutz gewährt 20 . Wenn Behörden bei einem solchen Eingriff nach ihrem Ermessen<br />

handeln können, muss das Gesetz mit hinreichender Genauigkeit den Anwendungsbereich<br />

<strong>und</strong> die Art <strong>und</strong> Weise der Ermessensausübung regeln, um den Bürgern einen Mindestschutz<br />

zu sichern, auf den sie nach dem Gr<strong>und</strong>satz der Rechtsstaatlichkeit Anspruch haben 21 .<br />

Eingriffe müssen ausserdem verhältnismässig sein. Der Europäische Gerichtshof für<br />

Menschenrechte (EGMR) prüft, ob die staatlichen Stellen eine Interessenabwägung<br />

vorgenommen haben <strong>und</strong> einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen<br />

an der Achtung seiner Konventionsrechte <strong>und</strong> den allgemeinen öffentlichen Interessen<br />

gef<strong>und</strong>en haben. Auch eine Abwägung zwischen privaten Interessen kann erforderlich sein 22 .<br />

Auch wenn sich der EGMR in seiner Rechtsprechung bisher nicht mit der Problematik der<br />

<strong>Zwangsheiraten</strong> befasst hat, ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass sich aus Artikel 12 EMRK für die<br />

Mitgliedstaaten unter Umständen die positive Verpflichtung ergeben kann, den Abschluss <strong>von</strong><br />

Zwangsehen zu verhindern <strong>und</strong> Betroffenen eine wirksame Anfechtung solcher Ehen zu<br />

ermöglichen. Bei Massnahmen, welche für die Verhinderung <strong>von</strong> Zwangsehen bei der<br />

Eheschliessung ansetzen, entsteht insofern eine besondere Situation, als eine<br />

Interessensabwägung zwischen zwei Teilgehalten des Rechts auf Eheschliessung<br />

vorgenommen werden muss: Die eingesetzten Mittel, um unfreiwillig geschlossene Ehen zu<br />

vermeiden, dürfen nicht zur Folge haben, dass heiratswillige Paare in ihrem Wunsch, eine Ehe<br />

zu schliessen, übermässig eingeschränkt werden. Bei der Umsetzung der Garantie verfügen<br />

die Staaten über einen breiten Ermessensspielraum 23 .<br />

3.2.2.2 Recht auf Achtung des Privat- <strong>und</strong> Familienlebens<br />

Artikel 8 EMRK gewährleistet das Recht auf Achtung des Privat- <strong>und</strong> Familienlebens, der<br />

Wohnung <strong>und</strong> der Korrespondenz (Abs. 1). Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts<br />

nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen <strong>und</strong> in einer demokratischen<br />

Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche<br />

Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung <strong>von</strong> Straftaten, zum<br />

Schutz der Ges<strong>und</strong>heit oder der Moral <strong>und</strong> zum Schutz der Rechte <strong>und</strong> Freiheiten anderer<br />

(Abs. 2).<br />

Als Teilbereiche des Privatlebens werden das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen<br />

Körper, der Schutz der Privatsphäre <strong>und</strong> die freie Gestaltung der persönlichen Lebensführung<br />

geschützt 24 . Letztere umfasst u.a. das Knüpfen, aber auch die Ablehnung<br />

zwischenmenschlicher Beziehungen als wesentlicher Bestandteil der Entfaltung der<br />

17 JENS MEYER-LADEWIG, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Baden-Baden,<br />

2006, Rn 5 zu Art. 12; CHRISTOPH GRABENWARTER, a.a.O., Seite 208.<br />

18 GRABENWARTER, a.a.O., Seite 210, mit Hinweisen.<br />

19 Urteil Rees gegen Vereinigtes Königreich vom 17. Oktober 1986, Serie A, Bd. 128, § 50.<br />

20 Urteil Tourancheau <strong>und</strong> July gegen Frankreich vom 24. November 2005, Nr. 53886/00, § 54.<br />

21 Urteil Domenichini gegen Italien vom 15. November 1996, EMRK 1996-V, § 33.<br />

22 MEYER-LADEWIG, a.a.O., Rn 45 zu Art. 8.<br />

23 PETTITI/DECAUX/IMBERT, La Convention européenne des droits de l’homme, 2. Aufl., Seite 445.<br />

24 GRABENWARTER, a.a.O., Seiten 179 ff.

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