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Strafbarkeit von Zwangsheiraten und arrangierten Heiraten

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12<br />

Persönlichkeit 25 . Unter Familie ist zunächst ein verheiratetes Paar zu verstehen, mit oder ohne<br />

Kinder 26 . Die Achtung des Familienlebens fordert u.a., dass die Familie ein gemeinsames<br />

Leben führen kann 27 .<br />

Neben der Abwehr <strong>von</strong> staatlichen Eingriffen ergeben sich aus Artikel 8 EMRK auch positive<br />

Handlungspflichten des Staates. Dieser muss für rechtliche Regelungen sorgen, die dem<br />

Betroffenen die Möglichkeit geben, sich in einem fairen Verfahren gegen Beeinträchtigungen<br />

seiner Rechte zu wehren 28 . Weiter muss er Strafgesetze erlassen, die das Begehen schwerer<br />

Straftaten gegen die geschützten Werte verhindern, also wirksam bestrafen, insbesondere wo<br />

gr<strong>und</strong>legende Werte <strong>und</strong> wesentliche Aspekte des Privatlebens betroffen sind. Der Staat muss<br />

ausserdem dafür sorgen, dass strafrechtliche Vorschriften im Falle einer Verletzung durch<br />

wirksame Ermittlungen <strong>und</strong> ein wirksames Strafverfahren durchgesetzt werden 29 . Aus Artikel<br />

8 EMRK kann sich somit die Pflicht ergeben, das Recht auf Achtung des Privatlebens auch<br />

im Verhältnis zwischen Privatpersonen durchzusetzen. Wenn staatliche Stellen die Verletzung<br />

<strong>von</strong> Rechten anderer durch Privatpersonen dulden, kann dies die Verantwortlichkeit des<br />

Staates unter der EMRK begründen 30 .<br />

Auf dem Gebiet des Ausländerrechts kann sich aus Artikel 8 EMRK eine Verpflichtung des<br />

Staates ergeben, Familienangehörigen Einreise <strong>und</strong> Aufenthalt zu gewähren. Dabei kommt es<br />

auf die Umstände des Einzelfalls an. Der Gerichtshof prüft, inwiefern ein Nachzug <strong>von</strong><br />

Familienangehörigen die einzige Möglichkeit zur Verwirklichung des Familienlebens<br />

darstellt. Hier ist u.a. <strong>von</strong> Bedeutung, ob ein gemeinsamer Aufenthalt im Herkunftsstaat<br />

möglich ist <strong>und</strong> ob der Betreffende selbst <strong>und</strong> freiwillig die Entscheidung getroffen hat,<br />

getrennt <strong>von</strong> seiner Familie in einem anderen Land zu leben. Artikel 8 EMRK enthält kein<br />

Recht, den geeignetsten Ort für ein familiäres Zusammenleben zu wählen 31 .<br />

Da sich der Gerichtshof noch nicht mit der Frage der Zwangsehen befasst hat, kann nicht<br />

gesagt werden, ob er für den Schutz vor einer solchen Ehe neben Artikel 12 auch Artikel 8<br />

EMRK für anwendbar erklären würde. Eingriffe in beide Garantien richten sich im<br />

Wesentlichen nach denselben Gr<strong>und</strong>sätzen. Einer zusätzlichen Anwendung <strong>von</strong> Artikel 8<br />

EMRK würde deshalb keine grosse praktische Bedeutung zukommen.<br />

Eine wider den Willen eines oder beider Betroffenen geschlossene Ehe fällt nach dem<br />

Gr<strong>und</strong>satz, wonach die Konvention als ein Ganzes auszulegen ist, nicht unter den Schutz <strong>von</strong><br />

Artikel 8 EMRK: Ein Anspruch auf Familiennachzug besteht deshalb nicht.<br />

Bei allfälligen Massnahmen im Bereich des Ausländerrechts ist darauf zu achten, dass der<br />

Anspruch auf Familiennachzug <strong>von</strong> ohne Zwang verheirateten Paaren gewährleistet bleibt.<br />

3.2.3 Weitere Instrumente des internationalen Menschenrechtsschutzes<br />

3.2.3.1 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 32<br />

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember<br />

1948 sieht in Artikel 16 vor, dass heiratsfähige Frauen <strong>und</strong> Männer ohne Beschränkung auf<br />

25 GRABENWARTER, a.a.O., Seite 182.<br />

26 Urteil Keegan gegen Irland vom 26. Mai 1994, Serie A, Bd. 290, § 44.<br />

27 GRABENWARTER, a.a.O., Seite 185.<br />

28 Urteil X <strong>und</strong> Y gegen Holland vom 26. März 1985, Serie A, Bd. 91, § 27.<br />

29 Urteil M.C. gegen Bulgarien vom 4. Dezember 2003, EMRK 2003-XII.<br />

30 Urteil Zypern gegen Türkei vom 10. Mai 2001, EMRK 2001-IV, § 81.<br />

31 Urteile Gül gegen die Schweiz vom 19. Februar 1996, Nr. 23218/94, § 38 ff., <strong>und</strong> Ahmut gegen Holland vom<br />

28. November 1996, Nr. 21702/93, § 70 f.<br />

32 Die Erklärung wurde als das „<strong>von</strong> allen Völkern <strong>und</strong> Nationen zu erreichende Ideal“ verabschiedet <strong>und</strong> ist<br />

juristisch nicht verbindlich, vgl. WALTER KÄLIN / JÖRG KÜNZLI, Universeller Menschenrechtsschutz, Basel,<br />

2005, Seite 16.

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