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Strafbarkeit von Zwangsheiraten und arrangierten Heiraten

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Antrags zu berücksichtigen habe, <strong>und</strong> dass die Wartefrist nicht auferlegt werden könne, ohne<br />

dass in spezifischen Fällen alle einschlägigen Faktoren berücksichtigt würden (Ziff. 98 f. des<br />

Urteils). Mit seiner Klage hat das Europäische Parlament auch Artikel 4 Absatz 1 1.<br />

Unterabsatz angefochten (Ermächtigung der Mitgliedstaaten, für alleine nachziehende Kinder<br />

über 12 Jahren zu verlangen, dass sie ein Integrationskriterium erfüllen, siehe oben). Es ging<br />

dabei da<strong>von</strong> aus, für den Ehegattennachzug werde keine auf das Integrationskriterium<br />

gestützte Einschränkung vorgesehen (Ziff. 43 des Urteils). Der Gerichtshof verwies auf die<br />

Rechtsprechung des EGMR <strong>und</strong> führte aus, den Mitgliedstaaten würde mit dieser<br />

Bestimmung ein Ermessensspielraum eingeräumt, der nicht anders sei als der, der ihnen vom<br />

EGMR in seiner Rechtsprechung zu Artikel 8 EMRK zugestanden werde, um in jedem<br />

Einzelfall die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen. Ausserdem sei Artikel 17 zu<br />

beachten, dessen Kriterien bei Nichterfüllen des Integrationskriteriums mitberücksichtigt<br />

werden müssten (Ziff. 52 ff., insbesondere 62 <strong>und</strong> 64).<br />

4.3 Einzelstaatliches Verfassungsrecht <strong>und</strong> internationales Recht<br />

Fast alle einzelstaatlichen Rechtsordnungen sehen in ihrem Verfassungsrecht ein positives<br />

Recht auf Ehe der künftigen Ehegatten vor, ohne jedoch den Fall der Zwangsheirat expressis<br />

verbis zu behandeln. Die belgische Verfassung beschränkt sich beispielsweise in Artikel 22<br />

darauf, das Recht auf Ehe zu gewährleisten. Dasselbe gilt für das französische, italienische<br />

<strong>und</strong> österreichische Verfassungsrecht. In Deutschland ist der Fall der <strong>Zwangsheiraten</strong> zwar im<br />

Verfassungstext nicht erwähnt. Durch die ständige Rechtsprechung des<br />

B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts gilt jedoch als verfassungsrechtlich anerkannt, dass eine<br />

Zwangsheirat die Ehefreiheit verletzt. Neben diesen verfassungsmässigen Garantien verbietet<br />

auch eine Reihe <strong>von</strong> internationalen Übereinkünften <strong>Zwangsheiraten</strong> 124 .<br />

4.4 Einzelstaatliche Rechtsordnungen<br />

Bei näherer Betrachtung der verschiedenen einzelstaatlichen Regelungen in Bezug auf<br />

<strong>Zwangsheiraten</strong> in den oben erwähnten Rechtsgebieten sind erhebliche Unterschiede<br />

festzustellen. Die untersuchten Rechtsordnungen lassen sich in drei Kategorien unterteilen.<br />

Diese Unterteilung beruht darauf, ob <strong>Zwangsheiraten</strong> in der betreffenden Rechtsordnung<br />

ausdrücklich geregelt sind. Während in der ersten Kategorie (Frankreich <strong>und</strong> Italien) eine<br />

solche Regelung fehlt, bestehen in einer zweiten Gruppe <strong>von</strong> Ländern (Belgien, Deutschland,<br />

Österreich, Schweden, Norwegen <strong>und</strong> Dänemark) verschiedene innerstaatliche<br />

Rechtsvorschriften, die den Fall der <strong>Zwangsheiraten</strong> genau regeln. Die dritte Gruppe<br />

(Grossbritannien) nimmt eine Zwischenstellung ein, indem für Opfer <strong>von</strong> <strong>Zwangsheiraten</strong> ein<br />

gezielter Schutz vorgesehen ist, ohne dass jedoch spezifische Anpassungen im Bereich des<br />

Straf- oder Zivilrechts eingeführt wurden.<br />

4.4.1 Frankreich <strong>und</strong> Italien<br />

In den Ländern der ersten Gruppe, namentlich in Frankreich <strong>und</strong> Italien, ist der Fall der<br />

Zwangsheirat im Allgemeinen nur durch die so genannten „ordentlichen“ straf-, zivil- <strong>und</strong><br />

öffentlichrechtlichen Vorschriften geregelt. Im französischen <strong>und</strong> italienischen Recht werden<br />

<strong>Zwangsheiraten</strong> über andere Rechtsvorschriften geahndet, die ähnliche strafbare<br />

124 Vgl. dazu Ziffer 3.2.

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