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Strafbarkeit von Zwangsheiraten und arrangierten Heiraten

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Anbetracht der Schwere des Deliktes wird die vorzunehmende Interessenabwägung in der<br />

Regel ergeben, dass das öffentliche Interesse an der Wegweisung des Täters überwiegt.<br />

3.8.3 Integrationsförderung <strong>und</strong> Spracherwerb zur Vermeidung <strong>von</strong><br />

<strong>Zwangsheiraten</strong><br />

Ein wichtiges Ziel der Integration ist das Zusammenleben der einheimischen <strong>und</strong><br />

ausländischen Wohnbevölkerung auf der Gr<strong>und</strong>lage der Werte der B<strong>und</strong>esverfassung <strong>und</strong><br />

gegenseitiger Achtung <strong>und</strong> Toleranz (Art. 4 Abs. 1 AuG). Zu den wichtigen Gr<strong>und</strong>werten<br />

unserer Gesellschaft gehört auch das Recht auf freie Wahl des Ehepartners sowie die<br />

Gleichstellung der Geschlechter. Dies kann insbesondere im Rahmen <strong>von</strong> Integrationskursen<br />

<strong>und</strong> Integrationsvereinbarungen (Art. 54 Abs. 1, Art. 56 AuG) vermittelt werden. Auch ist die<br />

Eigeninitiative <strong>von</strong> Migrantenorganisationen zu fördern. Sie können eine wichtige Rolle bei<br />

der Verhinderung <strong>von</strong> Zwangsverheiratungen spielen <strong>und</strong> sind dazu fähig, hier einen Beitrag<br />

zu leisten <strong>und</strong> den Opfern <strong>von</strong> Zwangsehen zu helfen.<br />

Bei der Integration kommt der Forderung nach dem Erwerb <strong>von</strong> Sprachkenntnissen eine<br />

f<strong>und</strong>amentale Bedeutung zu (Art. 4 Abs. 4 AuG). Opfer <strong>von</strong> Zwangsehen sollten besser in der<br />

Lage sein, ihre Rechte wahrzunehmen, wenn sie über Kenntnisse einer Landessprache<br />

verfügen.<br />

3.9 Asylrecht<br />

Im Asylbereich kann sich das Problem der Zwangsheirat in zwei verschiedenen Stadien<br />

stellen: entweder als Asylgr<strong>und</strong> im Hinblick auf die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft<br />

(Art. 3 AsylG) oder im Rahmen eines Gesuchs um Familiennachzug (Art. 51 AsylG). Im<br />

AsylG ist die Zwangsheirat nicht spezifisch als Asylgr<strong>und</strong> erwähnt. In Artikel 3 Absatz 2<br />

AsylG ist jedoch festgehalten, dass den frauenspezifischen Fluchtgründen Rechnung zu tragen<br />

ist. Nach der Praxis, die das B<strong>und</strong>esamt für Migration (BFM) seit den späten neunziger Jahren<br />

im Bereich der geschlechtsbezogenen Verfolgung entwickelt hat, hängt somit die als Gr<strong>und</strong><br />

genannte Furcht, Opfer einer Zwangsheirat zu werden, mit der „Zugehörigkeit zu einer<br />

bestimmten sozialen Gruppe“ zusammen <strong>und</strong> kann zur Anerkennung der<br />

Flüchtlingseigenschaft führen, wenn alle Bedingungen erfüllt sind (Glaubhaftigkeit,<br />

begründete Furcht, Intensität, fehlende innerstaatliche Flucht- <strong>und</strong> Schutzalternative). Bisher<br />

wurde aus diesem Gr<strong>und</strong> in einigen wenigen Fällen die Flüchtlingseigenschaft anerkannt.<br />

Im Anschluss an den Übergang zur Schutztheorie hat die ARK einen Gr<strong>und</strong>satzentscheid zur<br />

Frage der Zwangsheirat <strong>und</strong> zur Auslegung <strong>von</strong> Artikel 3 Absatz 2 AsylG gefällt. Es hat sich<br />

somit die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein bestimmtes Verhalten <strong>und</strong> die Zugehörigkeit zum<br />

weiblichen Geschlecht geeignet sein können, die in einem bestimmten Land bereits<br />

bestehenden Diskriminierungen derart zu verstärken, dass sie bis zu einer für das Asylrecht<br />

relevanten Verfolgung gehen können. In dieser Sache 116 vertrat die ARK die Auffassung, dass<br />

in entlegenen Regionen bestimmter Länder kein staatlicher Schutz vor einer Zwangsheirat<br />

bestehe <strong>und</strong> die Alternative einer innerstaatlichen Flucht im Einzelfall geprüft werden müsse.<br />

Mit diesem Urteil hat die Rekursbehörde erstmals anerkannt, dass sich der Asylgr<strong>und</strong> aus<br />

einer Zwangsheirat ableiten kann. Weder die vom BFM entwickelte Praxis noch der<br />

Entscheid der ARK haben bisher zu einer deutlichen Zunahme der Zahl der Asylgesuche<br />

geführt.<br />

116 Urteil vom 9. Oktober 2006, EMARK 2006, Nr. 32.

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