VEGETARISCH LEBEN.indd - SEELENWISSEN
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ETHISCHE GRÜNDE<br />
hätten, als ob dies eine Rechtfertigung<br />
dafür wäre, dies weiterhin zu<br />
tun. Gemäß dieser Logik dürften wir<br />
nicht versuchen, Menschen daran zu<br />
hindern, andere Menschen umzubringen,<br />
da dies auch schon seit jeher<br />
getan wurde.»<br />
«Wir sind alle Gottes Geschöpfe.<br />
Daß wir um Gnade und Gerechtigkeit<br />
beten, während wir weiterfahren,<br />
das Fleisch der Tiere zu essen, die um<br />
unsretwillen geschlachtet wurden,<br />
ist unvereinbar. [...] Des Menschen<br />
eigenes Verlangen nach Gerechtigkeit<br />
bleibt jedoch auf der Strecke, wenn er<br />
Tiere tötet, um sie zu essen. Denn der<br />
Mensch bittet Gott um Barmherzigkeit,<br />
ist aber selbst nicht bereit, sie zu<br />
gewähren. Mit welchem Recht erhofft<br />
er also Gottes Gnade? Es ist ungerecht<br />
und entbehrt jeglicher Konsequenz,<br />
etwas zu erwarten, das man selbst<br />
nicht gewillt ist zu geben.»<br />
Konsequenz. Und ich halte sie für bedeutsam.»<br />
Elias Canetti (1905–1994, bulgarischer<br />
Schriftsteller; Literaturnobelpreisträger<br />
1981): «Es schmerzt mich,<br />
daß es nie zu einer Erhebung der Tiere<br />
gegen uns kommen wird, der geduldigen<br />
Tiere, der Kühe, der Schafe, allen<br />
Viehs, das in unsere Hand gegeben ist<br />
und ihr nicht entgehen kann. Ich stelle<br />
mir vor, wie eine Rebellion in einem<br />
Schlachthaus ausbricht und von da<br />
sich über eine ganze Stadt ergießt. [...]<br />
Ich wäre schon erleichtert über einen<br />
einzigen Stier, der diese ‹Helden›, die<br />
Stierkämpfer, jämmerlich in die Flucht<br />
schlägt und eine ganze blutgierige Arena<br />
dazu. Aber ein Ausbruch der minderen,<br />
sanften Opfer, der Schafe, der Kühe<br />
wäre mir lieber. Ich mag es nicht wahrhaben,<br />
daß das nie geschehen kann;<br />
daß wir vor ihnen, gerade ihnen allen,<br />
nie zittern werden.»<br />
«Der Vegetarismus ist meine Weltanschauung.<br />
[...] Ich bin und bleibe<br />
Vegetarier, auch wenn die ganze Welt<br />
plötzlich Fleisch essen würde. Dies ist<br />
mein Protest gegen den Zustand der<br />
Welt. Vegetarier zu sein bedeutet,<br />
nicht mitzumachen, sich gegen den<br />
aktuellen Lauf der Dinge zu stellen.<br />
Atomkraft, Hunger, Grausamkeit –<br />
wir müssen protestieren und Stellung<br />
beziehen. Der Vegetarismus ist meine<br />
64<br />
Luise Rinser (1911–2002, deutsche<br />
Schriftstellerin): «Heute sehen wir<br />
nichts mehr vom qualvollen Leben<br />
und Sterben des Schlachtviehs. Das<br />
geht automatisch vor sich. Eben noch<br />
ein Tier, im nächsten Augenblick schon<br />
zerteiltes Fleisch: unsre Nahrung. Unsre<br />
Art von Kannibalismus.»<br />
«Hindus und Buddhisten essen kein<br />
Fleisch. Warum nicht? Weil sie wissen,