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ZT | Dezember 2013

Ausgabe 21 - 12/13

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Wie verändert sich das Lernen in der<br />

Zukunft? Was ist Ihre Prognose?<br />

Ich halte es für wenig sinnvoll, Lernende aufgrund<br />

unserer bisherigen Erfahrungen auf das<br />

Kommende vorbereiten zu wollen. Viel wichtiger<br />

ist es, Lernenden Aufgeschlossenheit nahe<br />

zu bringen, sie anzuleiten, mit Vielfalt umzugehen.<br />

Künftig wird das Lernen selbst im Vordergrund<br />

stehen. Die Lehrenden sind Begleiter und<br />

Berater. Sie leiten an, Fragen zu stellen, Probleme<br />

selbst zu lösen und Ressourcen zu stärken.<br />

Bildung muss auch nicht unbedingt in Häusern<br />

stattfinden. Über Youtube etwa können schon<br />

heute Studierende Vorlesungen der Besten eines<br />

Faches aus der ganzen Welt abrufen.<br />

WEITERBILDUNG<br />

Was ist der Unterschied zwischen Wissen<br />

und Können?<br />

Früher war Wissen das, was man in Bibliotheken<br />

fand. Heute entsteht relevantes Wissen längst<br />

nicht mehr nur an der Universität, sondern im<br />

Forschungskontext mit Wirtschaft und Unternehmen.<br />

Wissen heißt heute, Zusammenhänge<br />

zu erkennen. Wissen schafft aber noch keine<br />

Kompetenz. Wir müssen da viel nüchterner<br />

werden. Man kann nämlich durchaus viel wissen<br />

und nichts können. Kompetenz heißt zum<br />

Beispiel Fehler erkennen, zuhören können, Lösungen<br />

finden.<br />

Welche Rahmenbedingungen braucht es,<br />

damit das Lernen nachhaltig und lebendig<br />

ist?<br />

Lernen ist dann nachhaltig, wenn es praxisnah,<br />

anschaulich und lebendig ist. Wir müssen<br />

erkennen: Nur wer eine persönliche Erfahrung<br />

macht, kann sich nachhaltig etwas einprägen.<br />

Gelerntes Wissen alleine zählt nicht mehr. Heute<br />

ist es wichtig, Inhalte so anzubieten, dass die<br />

Lernenden Problemlösungskompetenz erlangen,<br />

vernetztes Denken üben, wissen, wo sie<br />

nachschlagen können, und das Wissen bestmöglich<br />

in die eigene Praxis umsetzen können.<br />

Was sind die größten Barrieren für<br />

Menschen, wenn sie nachhaltig lernen<br />

wollen?<br />

Die größte Barriere ist die gelernte Hilflosigkeit.<br />

In Lernstätten fühlt man sich oft kontrolliert,<br />

hat Angst vor Prüfungen. Viele Lehrende unterrichten<br />

noch so, wie sie selbst unterrichtet<br />

wurden: „Vorlesen statt Selbstlesen“, „Lehren<br />

statt Lernen“ und „Zuhören statt Selbstkonstruktion“.<br />

Aber es gibt sie, die Treibhäuser der<br />

Zukunft! Bildungseinrichtungen, wo Lehrende<br />

motivierende Begleitpersonen sind, wo eine<br />

anregende Umgebung herrscht, wo moderne<br />

Methoden eingesetzt werden, die zum Selbstlernen<br />

anleiten.<br />

Welche Rolle haben Trainerinnen und Trainer?<br />

Moderne Trainerinnen und Trainer beobachten<br />

achtsam, regen an und gebe Feedback.<br />

Sie bieten Inhalte möglichst lebendig an und<br />

verwenden Methoden und Tools, die auf die<br />

verschiedenen Lernvorlieben und die Vielfalt<br />

an Vorerfahrungen der Lernenden eingehen.<br />

Sie verstehen sich als Lernbegleitpersonen, die<br />

die Motivation der Lernenden und ihre Selbstlernkompetenzen<br />

fördern und sie dabei unterstützen,<br />

die Verantwortung für den Lernerfolg<br />

selbst zu übernehmen.<br />

WIFI LERNMODELL<br />

Sie unterstützen das WIFI bei der Implementierung<br />

eines neuen Lernmodells. Was sind<br />

aus Ihrer Sicht dabei die wichtigsten Parameter?<br />

Entscheidend ist, die Rolle der Trainerinnen und<br />

Trainer als Lernbegleitpersonen in den Blick zu<br />

rücken. Und zwar von innen heraus, denn das<br />

WIFI hat gute, erfahrene Lehrkräfte, die vielfach<br />

schon jetzt moderne Methoden anwenden, die<br />

die Selbstlernkompetenz stärken. Gemeinsam<br />

erfinden sich die Trainerinnen und Trainer neu.<br />

Ganz wichtig ist auch, auf die Lernenden zuzugehen<br />

und ihnen als WIFI sinnvolle Beratungsleistungen<br />

rund um das Lernen anzubieten.<br />

Was wird durch die Einführung des Lernmodells<br />

am WIFI denn dann so anders sein als<br />

in anderen Einrichtungen der Erwachsenenbildung?<br />

In der Organisation wird es viele Nadelstiche<br />

brauchen, viele Zusammenkünfte. Denn selbstverständlich<br />

muss auch das WIFI selbst eine<br />

lernende Organisation sein, die das Lernmodell<br />

widerspiegelt. Entscheidend ist auch, dass die<br />

Erfahrungen der Trainerinnen und Trainer einfließen.<br />

Wirksame, nachhaltige Lernprozesse<br />

sind der Trend der Zeit – die Teilnehmenden<br />

kommen mit entsprechenden Erwartungen<br />

und merken, dass das WIFI diesen Trend mit<br />

hervorragenden Trainerinnen und Trainern, in<br />

der Konzeption von Curricula und Seminaren<br />

am professionellsten umsetzt.<br />

Sind die aktivierenden Methoden des neuen<br />

Lernmodells für alle Lernenden geeignet?<br />

Kann es sein, dass vielleicht ältere Kursteilnehmerinnen<br />

und -teilnehmer, die den Frontalunterricht<br />

gewohnt sind, damit Schwierigkeiten<br />

haben?<br />

Vielleicht wirken neue Methoden anfangs<br />

irritierend, doch Menschen lieben es, zu kooperieren.<br />

Kompetenzwirksames Lernen tut<br />

außerdem allen gut. Es ist eine Frage, wie man<br />

aufeinander zugeht. Wer erfährt, dass er oder<br />

sie selbst lernen kann und Talente hat, wird persönlich<br />

gestärkt. Talente sind ja nicht angeboren,<br />

sondern entwickeln sich durch Erfahrung.<br />

Welchen Vorteil werden die WIFI-Kunden<br />

vom neuen Lernmodell haben? Und wie wird<br />

sich das messen lassen?<br />

Den Erfolg des neuen Lernmodells werden am<br />

schnellsten die Unternehmen feststellen. Denn<br />

wer beim WIFI war, ist gestärkt, traut sich mehr<br />

zu und agiert innovativer. Viele Impulse für die<br />

Erwachsenenbildung kommen ja aus Betrieben,<br />

die sagen: So, wie die Menschen heute aus<br />

der Schule kommen, können wir sie nicht brauchen.<br />

Führungskräfte wollen immer weniger<br />

„herrschen“, sondern sie wünschen sich, dass<br />

sich die Menschen selbst bewegen.<br />

LERNEN UND GESELLSCHAFT<br />

Was können leitende Personen in Unternehmen<br />

oder Personalvermittlungen von<br />

diesem Ansatz lernen? Wie können sie nachhaltiges<br />

Lernen in den Betrieben verankern?<br />

Beobachten Sie, wie avantgardistische Unternehmen<br />

das machen! Sie offerieren den Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern Möglichkeiten<br />

zum Lernen und Ausprobieren. Routinen werden<br />

aufgeweicht, damit Neues entstehen kann.<br />

Mein Tipp an Unternehmen ist: Gewähren Sie<br />

Freiräume, honorieren Sie Ideen, fördern Sie<br />

kritische Gedanken und bringen Sie den Menschen<br />

Wertschätzung entgegen!<br />

Gibt es volkswirtschaftliche Zahlen, was falsches<br />

Lernen der Gesellschaft kostet?<br />

Es geht nicht um die Geldmenge an sich. Vielmehr<br />

sollten wir uns angesichts hoher Bildungskosten<br />

fragen, ob es sich lohnt, so viel<br />

Geld auszugeben für das, was herauskommt.<br />

Wenn wir auf die Stärkung der Kompetenzen<br />

setzen, auf moderne Didaktik, dann rechnen<br />

sich Bildungsaufwendungen.<br />

Was fasziniert Sie persönlich am Lernen?<br />

Mich faszinieren die unglaublich revolutionären<br />

Potenziale, die in Lernenden schlummern,<br />

und die zur Entfaltung gelangen können, wenn<br />

wir es nicht verhindern. Zum Beispiel ist es<br />

möglich, in nur drei Monaten eine neue Fremdsprache<br />

verhandlungssicher zu beherrschen!<br />

Faszinierend finde ich auch, dass wir lernen,<br />

wenn wir es gar nicht merken. Leben bedeutet<br />

Lernen.<br />

***<br />

Prof. Arnold, vielen Dank<br />

für das Interview.<br />

Autorenprofil<br />

Prof. Dr. Rolf Arnold, Jahrgang 1952, ist Professor für Pädagogik an der Universität Kaiserslautern.<br />

Nach einem Studium der Pädagogik, insbesondere der Erwachsenenbildung und der Berufspädagogik, war er zunächst drei Jahre als wissenschaftlicher<br />

Assistent im Hochschulbereich tätig. Im Jahre 1983 promovierte er an der Universität Heidelberg, 1987 habilitierte ihn der Fachbereich Erziehungs- und<br />

Sozialwissenschaften der Fern-Universität Hagen, und im Jahre 1990 erfolgte der Ruf an die Universität Kaiserslautern. Rolf Arnold ist wissenschaftlicher<br />

Direktor des Distance Independent Studies Center (DISC) der TU Kaiserslautern sowie Sprecher des Virtuellen Campus Rheinland-Pfalz (VCRP).<br />

Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Gebieten der Erwachsenenbildung, schulischen Berufsbildung, betrieblichen Aus- und Weiterbildung,<br />

Lehr-Lernsystementwicklung (z.B. Fernstudien), der Interkulturellen Berufspädagogik sowie dem Emotionalen Lernen.<br />

Prof. Dr. Rolf Arnold<br />

www.sowi.uni-kl.de<br />

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