Gefängnisse und Lager im sowjetischen Herrschaftssystem - gulag
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590 Irina Scherbakowa<br />
die Forscher nicht an die Dokumente heranlassen dürfe. Immerhin sitzen zum<br />
Teil noch jene Kader in den Archiven, die zu Sowjetzeiten ausgebildet worden<br />
sind. Zum zweiten bringt das neue ideologische Konzept, das Hinsteuern auf<br />
ein neues starkes Rußland, auch die Tendenz mit sich, ein Ende der<br />
„Schwarzmalerei“ der Vergangenheit zu wünschen. Ganz in diesem Sinne ist<br />
der Erlaß des Präsidenten aus dem Sommer 1992 39 , wonach alle Materialien,<br />
die mit den Massenrepressionen <strong>im</strong> Zusammenhang stehen, freizugeben sind,<br />
bisher nur zu 10% erfüllt. Der Großteil der Dokumente ist bis heute nicht freigegeben<br />
worden.<br />
4. Die Organisationsstruktur des <strong>sowjetischen</strong> Strafvollzugssystems.<br />
4.1. Das Strafvollzugssystem <strong>im</strong> zaristischen Rußland<br />
Die Organisationsstruktur <strong>und</strong> die materielle Basis der Haftanstalten nach der<br />
Oktoberrevolution stützen sich auf das Gefängnissystem, das bereits <strong>im</strong> zaristischen<br />
Rußland existiert hatte. Dieses System bestand <strong>im</strong> wesentlichen aus<br />
Katorga-<strong>Gefängnisse</strong>n <strong>und</strong> Gouvernement-Haftstellen, die der Hauptgefängnisverwaltung<br />
(GTU) unterstellt waren, welche ihrerseits wiederum in das Justizministerium<br />
integriert war. 40 Im zaristischen Rußland gehörte, neben der<br />
Hinrichtung, die Katorga zu den härtesten Strafen. Katorga-<strong>Gefängnisse</strong> befanden<br />
sich in der Regel in sehr schlechtem Zustand <strong>und</strong> waren stets überfüllt.<br />
Eine weitere Art der Bestrafung, die auch sehr häufig angewandt wurde, war<br />
die Verbannung. Die zaristische Regierung finanzierte den Strafvollzug voll<br />
<strong>und</strong> ganz <strong>und</strong> rechnete gar nicht mit einer „Selbstfinanzierung“ oder gar Besserung<br />
der Häftlinge. Anfang 1917 betrug die Gesamtzahl der Inhaftierten in<br />
Rußland 155.134. 41<br />
Sofort nach der Februarrevolution begann die Provisorische Regierung mit der<br />
Liberalisierung <strong>und</strong> Humanisierung des Strafvollzuges. Es wurde eine umfassende<br />
Amnestie angekündigt <strong>und</strong> die Verbannung wurde als Strafart abgeschafft.<br />
Diese Entwicklung wurde aber durch die Oktoberrevolution gestoppt. Man begann<br />
das gesamte alte staatliche System zu zerschlagen <strong>und</strong> damit auch den<br />
Strafvollzug.<br />
In den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution zeichnen sich zwei Perioden<br />
in der Geschichte des <strong>sowjetischen</strong> Strafvollzugssystems ab: die erste bis zum<br />
39 Ukas Presidiuma RF „O snjatii ogranichitelnich grifow s zakonodatelnich i inich aktow, sluschiwschich<br />
osnowaniem dlja massowich repressij“ ot 22.06.93 In:“Lgoti i kompensazii postradawsch<strong>im</strong><br />
ot repressij. Moskwa 1995. S. 216-217.<br />
40 M.G.Detkow. „Sodershanie penitenziarnoj politiki Rossijskogo gosudarstwa i eje realisatsija w sisteme<br />
ispolnenija ugolownogo nakasanija w wide lischenija swobodi w period 1917-1930 godow.<br />
Moskwa 1992. S. 8.<br />
41 Ebenda, S. 11.