Gefängnisse und Lager im sowjetischen Herrschaftssystem - gulag
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592 Irina Scherbakowa<br />
verwaltete diese <strong>Lager</strong> in enger Zusammenarbeit mit der Wtscheka, begünstigt<br />
auch durch die Tatsache, das Felix Dzerschinski damals sowohl das NKWD<br />
als auch die Wtscheka leitete. Im Jahre 1921 waren in den NKWD- <strong>und</strong><br />
Wtscheka-<strong>Lager</strong>n 73.194 Personen inhaftiert (17% davon wegen der kontrarevolutionären<br />
Tätigkeit). 48<br />
Nach dem Plan der bolschewistischen Regierung waren alle Haftstellen, die<br />
dem Justizministerium unterstanden (251 <strong>Gefängnisse</strong>, Besserungshäuser,<br />
landwirtschaftliche Kolonien) für gemeine Verbrecher best<strong>im</strong>mt, <strong>und</strong> die <strong>Lager</strong><br />
der GUPR-NKWD dagegen für die Isolierung realer <strong>und</strong> potentieller Feinde<br />
der Sowjetmacht. Da es aber zu dieser Zeit noch kein Strafgesetzbuch gab,<br />
hielt man sich auch nicht an diese Kategorien.<br />
4.3. Die Haftstellen der NÖP-Periode<br />
Nach dem Ende des Kriegskommunismus <strong>und</strong> der Einführung der Neuen Ökonomischen<br />
Politik (NÖP) begannen die zwischenamtlichen Kämpfe um die<br />
Verwaltung der Haftstellen. Das Volkskommissariat der Justiz kämpfte darum,<br />
daß alle Haftstellen unter seine Aufsicht gestellt würden <strong>und</strong> gegen die weitere<br />
Anwendung der Sondermaßnahmen. Nach der Meinung der <strong>sowjetischen</strong> Justizvertreter<br />
sollte in der <strong>sowjetischen</strong> Strafvollzugspolitik das Besserungsmoment<br />
dominieren. 49 GUPR-NKWD wiederum bestand vor allem auf dem<br />
Prinzip der Selbstfinanzierung. 50 Die NKWD-Dokumente aus dieser Zeit klingen<br />
sehr demagogisch. Immer wieder wird in ihnen darauf hingewiesen, daß<br />
unter den Mitarbeitern der eigenen GUPR-Verwaltung ein hoher Prozentsatz<br />
Kommunisten <strong>und</strong> Proletarier sind, während sich <strong>im</strong> System des Justizministeriums<br />
alte vorrevolutionäre Kader eingenistet hätten. 51 Im Endeffekt siegte das<br />
NKWD in dieser Auseinandersetzung.<br />
Am 9. Februar 1922 wird die Wtschka zwar liquidiert, statt ihr wird aber innerhalb<br />
des NKWD die sogenannte Hauptpolitische Abteilung (GPU) geschaffen.<br />
52 Am 25. Juli 1922 beschloß der Rat der Volkskommissare (Sownarkom),<br />
alle Strafvollzugsstellen des Volkskommissariates der Justiz dem NKWD zu<br />
unterstellen. 53 Im NKWD wurde damit die Hauptabteilung der Verwaltung der<br />
Strafvollzugsstellen geschaffen (GUMS), der von nun an alle Haftstellen unterstellt<br />
waren. 54 Die GPU aber behielt ihr eigenes Haftstellensystem, das sie<br />
von der Wtscheka geerbt hatte.<br />
47 Ebenda, f. 4042, op.8, d.12, l.37.<br />
48 Ebenda, op.4, d.1053, l.17-19; op.2, d.1, l.71-75; Tjuremnoje delo w 1921g. Moskwa 1921: S. 8.<br />
49 P.N. O rewoluzionnoj sakonnosti i organisazii borbi s prestupnostju. Eshenedelnik sowjetskoj justizii.<br />
1922. N4, S. 9-10.<br />
50 B.P. Ob organisazii tjurem na natscvhalach samookupaemosti. Ebenda, N.14/15, S. 8-9.<br />
51 GARF, f. 4042. op.2, d.1, 97-101, 60-61.<br />
52 Ebenda, f. A-353, op., d.331, l.76.<br />
53 Ebenda, op.5, d.331, d.164.<br />
54 Ebenda, f. 4042, op.5, d.331, l.164.