Gefängnisse und Lager im sowjetischen Herrschaftssystem - gulag
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596 Irina Scherbakowa<br />
nen in den Republiken unterstellt. Dieses System bildete mit einigen Modifikationen<br />
von nun an während der ganzen stalinischen Periode die Gr<strong>und</strong>lage<br />
des Strafvollzugssystems.<br />
Sofort nach diesem Beschluß sind <strong>im</strong> Laufe eines Jahres einige neue Besserungsarbeitslager<br />
gegründet worden. (Nördliche, Fernöstliche, Sibirische,<br />
Mittelasiatische). Ab Mitte 1930 befanden sich in den Arbeitsbesserungslagern<br />
schon mehr als 150.000 Häftlinge. 64 Schließlich wurde am 25.4.1930 für die<br />
Verwaltung der Arbeitsbesserungslager <strong>im</strong> System der OGPU eine spezielle<br />
Verwaltung der <strong>Lager</strong> geschaffen (ULAG), die 1931 den Status der Hauptverwaltung<br />
der <strong>Lager</strong> (GULAG) bekam. 65<br />
Trotz der rapiden Vergrößerung der Häftlingszahl in den <strong>Lager</strong>n war der wirtschaftliche<br />
Gewinn in den ersten zwei Jahren noch sehr gering. Die Versuche,<br />
die weitläufigen Regionen zu bebauen, sind faktisch gescheitert. Auch die<br />
grausamste Ausbeutung der Häftlinge änderte daran nichts. Die grausame<br />
Ausbeutung belegen die hohen Todeszahlen: 1931 sind 7.283 Personen gestorben,<br />
d. h. 2,9% von der Gesamtzahl der Insassen (234.600 Menschen). 66 Dies<br />
lag vor allem daran, daß es in diesen Regionen überhaupt keine Infrastruktur<br />
gab, <strong>und</strong> daß die <strong>Lager</strong> zu dieser Zeit noch keine großangelegten Aufträge bekamen.<br />
So blieb es nur bei kleineren Werkstätten wie Tischlereien oder<br />
Schneidereien. Die OGPU trat dann in der Rolle des Arbeitskraftverkäufers an<br />
industrielle Einrichtungen auf, <strong>und</strong> war gezwungen, solche Einrichtungen<br />
selbst an Ort <strong>und</strong> Stelle zu suchen <strong>und</strong> nicht zentral durch den GULAG in<br />
Moskau. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage war das Problem der Ausnutzung der Arbeitskraft<br />
der Häftlinge nicht zu lösen.<br />
4.5. Der Bau des Weißmeer-Ostsee Kanals: Wendepunkt in der <strong>Lager</strong>politik 67<br />
Einen prinzipiellen <strong>und</strong> für die weitere <strong>Lager</strong>entwicklung maßgebenden Charakter<br />
hatte ein Regierungsbeschluß von Ende 1931. Laut diesem Beschluß<br />
sollten die bautechnischen Verwaltungsstrukturen <strong>und</strong> <strong>Lager</strong> be<strong>im</strong> Bau des<br />
Weißmeer-Ostseekanals (BBK) unter einer einheitlichen Leitung vereinigt<br />
werden. Da es in dieser Region keine anderen Kapazitäten an Arbeitskräften<br />
gab, war der Einsatz von Häftlingen bei diesem Bauprojekt unumgänglich.<br />
Vom Standpunkt der Staatsmacht aus hatte der BBK eine wichtige militärstrategische<br />
Bedeutung. Ursprünglich beschränkte sich die Rolle des GULAG<br />
nur darauf, dem Volkskommissariat für Transportwege Arbeitskräfte zu liefern.<br />
Allerdings wurde sehr bald klar, daß man für die Beschleunigung der<br />
Bauarbeiten unter der Leitung der OGPU die <strong>Lager</strong>komponente Solowki mit<br />
der wirtschaftlichen Organisation „Belomorstroj“ vereinigen mußte.<br />
64 GARF, f. 9414, op.1, d.2919. l.48.<br />
65 Befehl 130/63 OGPU 25.04.30.<br />
66 GARF, f. 9414, op.1, d. 2740, l.1.<br />
67 Der Beschluß zum Bau des Kanals wurde vom Rat des Sowjets für Arbeit <strong>und</strong> Verteidigung angenommen.<br />
GARF, f. 9414, op.1, d.2920, l.2, 10, 11, 26, 27.