20.12.2013 Aufrufe

Gefängnisse und Lager im sowjetischen Herrschaftssystem - gulag

Gefängnisse und Lager im sowjetischen Herrschaftssystem - gulag

Gefängnisse und Lager im sowjetischen Herrschaftssystem - gulag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

594 Irina Scherbakowa<br />

menen Fünfjahresplan die Arbeitsproduktion der Häftlinge gar nicht erwähnt<br />

wurde.<br />

Zum ersten praktischen Schritt in dieser Richtung wurde der Beschluß „Über<br />

die Nutzung der Häftlingsarbeit in der Holzwirtschaft“, der am 19. Dezember<br />

1926 angenommen wurde. In diesem Beschluß wurden alle entsprechende Organisationen<br />

angewiesen, die Arbeit der Häftlinge zu nutzen. 59 Trotzdem wurde<br />

die Häftlingsarbeit bis 1929 nicht massiv genutzt, erst <strong>im</strong> Sommer 1929 beschloß<br />

die Regierung von nun an von der Häftlingsarbeit zu profitieren.<br />

4.4. Das Strafvollzugssystem in der UdSSR 1930-1941: Der Übergang zur<br />

Nutzung der Arbeitskraft der Häftlinge<br />

Ende der 20er Jahre wurde den staatlichen Stellen endgültig klar, daß das von<br />

ihnen erschaffene Strafvollzugssystem absolut in eine Sackgasse geraten war.<br />

Dieses System basierte auf zwei Ideen: zum einen der Umerziehung der Häftlinge<br />

durch gesellschaftlich nützliche Tätigkeiten während der Haftzeit (dies<br />

setzte auch das Erlernen best<strong>im</strong>mter Berufe voraus) <strong>und</strong> zum zweiten der<br />

Selbstfinanzierung der Haftstellen.<br />

Unter den damals herrschenden Bedingungen, bei denen das einst große Privatkapital<br />

längst verfallen war, der Staat selbst noch nicht genügend Kapazitäten<br />

besaß, um großangelegte Bauprojekte durchzuführen <strong>und</strong> <strong>im</strong> Lande große<br />

Arbeitslosigkeit herrschte, gab es kaum Möglichkeiten die Arbeit der Häftlinge<br />

effektiv zu nutzen.<br />

Die allgemeine Kr<strong>im</strong>inalität stieg inzwischen ständig an, die Gesetzgebung<br />

wiederum verschärfte die Strafen <strong>und</strong> gleichzeitig wurden die maßgeblichen<br />

politischen Feinde <strong>im</strong>mer aktiver verfolgt (die OGPU hat <strong>im</strong> Jahre 1927 r<strong>und</strong><br />

14.000, 1929 schon mehr als 33.000 Personen unter den Beschuldigungen:<br />

„Spionage“, „Konterrevolutionäre Tätigkeit“ <strong>und</strong> „Antisowjetisch Agitation“<br />

verhaftet). 60 Die Gesamtzahl der Häftlinge, sowohl politischer als auch kr<strong>im</strong>ineller,<br />

wuchs schnell <strong>und</strong> es wurde <strong>im</strong>mer schwieriger, von ihrer Umerziehung<br />

zu sprechen. Es schien damals unmöglich, Häftlinge als Arbeitskraft sinnvoll<br />

einzusetzen, die Idee der Selbstfinanzierung schien absolut utopisch <strong>und</strong> die<br />

Erhaltung der Haftstellen war eine schwere Belastung für das Staatsbudget.<br />

Die Situation änderte sich <strong>im</strong> Jahre 1929/1930, als die letzten Reste der NÖP<br />

beseitigt waren. So wurde die beschleunigte Variante des Fünfjahrplanes angenommen<br />

<strong>und</strong> die flächendeckende Kollektivierung begann. Die Verstaatlichung<br />

der gesamten Wirtschaft <strong>im</strong> Lande <strong>und</strong> die Realisierung riesiger industrieller<br />

Projekte diktierten die totale Zentralisierung der Verteilung von Finanz-<br />

<strong>und</strong> Arbeiterresourcen. Die Arbeitslosigkeit war damit sehr schnell beseitigt.<br />

Im Gegenteil, in einer ganzen Reihe von strategischen Industrierichtun-<br />

59 Ebenda, f. 4042, op.1a, d.39, l.171.<br />

60 Ebenda, f. 9414, op.1, d.2877, l.177,178.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!