Gefängnisse und Lager im sowjetischen Herrschaftssystem - gulag
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604 Irina Scherbakowa<br />
nigen eingerichtet, die wegen Spionage, Diversion, Terror, oder auch als<br />
Trotzkisten, Rechtsabweichler, Menschewiki, Anarchisten, Weißemigranten<br />
<strong>und</strong> Mitglieder antisowjetischer Organisationen verurteilt waren.<br />
In diesen Speziallager wurde ein fast gefängnisähnliches Reg<strong>im</strong>e eingeführt:<br />
Barackenfenster mußten vergittert sein, es war verboten, die Baracken außerhalb<br />
der Arbeitszeit zu verlassen, <strong>und</strong> in der Nacht mußten die Türen verschlossen<br />
bleiben. Die Häftlinge der Speziallager sollten nur für die schwersten<br />
Arbeiten verwendet werden.<br />
Aber wegen technischer Probleme (allein an Stacheldraht benötigte man 1000<br />
Tonnen, die Organisation der Industriezonen war schlecht, außerdem fehlte es<br />
an Personal für die Bewachung) 86 dauerte die Überführung der Masse der<br />
Häftlinge, die von den extra dafür geschaffenen Kommissionen für die Speziallager<br />
best<strong>im</strong>mt war, einige Jahre. In den Speziallagern befanden sich am<br />
1.1.51: 215.000; am 1.1.52: 257.000; <strong>und</strong> am 1.2.53: 234.000 Personen.<br />
Die Organisation von besonderen <strong>Lager</strong>typen für spezielle Kontingente von<br />
Häftlingen hatte aber keinen Einfluß auf die Wachstumsdynamik der Häftlingszahl,<br />
denn man hat diese Sondertypen von <strong>Lager</strong> hauptsächlich mit den<br />
Häftlingen gefüllt, die bereits schon in anderen <strong>Lager</strong>n saßen.<br />
Das allgemeine Wachstum der Häftlingszahl begann ab Frühjahr 1944. Einen<br />
besonders großen Strom brachte der Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets<br />
„Über die Strafe für die Aneignung des staatlichen <strong>und</strong> öffentlichen Eigentums“<br />
von 4.6.47. Dieser Ukas hat die Urteile sogar für kleinste Diebstähle<br />
verschärft <strong>und</strong> <strong>Lager</strong>fristen verlängert. Allein nach diesem Ukas wurden r<strong>und</strong><br />
184.000 Menschen bestraft.<br />
Die größte Gesamtzahl der Häftlinge in den <strong>Lager</strong>n <strong>und</strong> Kolonien wurde <strong>im</strong><br />
Sommer 1950 erreicht: 2.600.000 Menschen.<br />
Große Zahlen brachten auch die Kriegsgefangenenlager, die zum GUPWI-System<br />
87 gehörten, also nicht zum GULAG. Nachdem man sich <strong>im</strong> Februar 1943<br />
für die Nutzung der Arbeitskraft der Kriegsgefangenen entschieden hatte, befinden<br />
sich <strong>im</strong> Mai 1945 in der UdSSR 2.700.000 Kriegsgefangene.<br />
Eine besondere Stellung nehmen <strong>im</strong> <strong>sowjetischen</strong> <strong>Lager</strong>system die Sonderlager<br />
des NKWD/MWD in der Sowjetischen Besatzungszone ein. Diese existierten<br />
von 1945 bis 1950 <strong>und</strong> waren eine Mischung zwischen Internierungslagern<br />
<strong>und</strong> den Invalidenlagern des GULAG. Für ihre Verwaltung war eine<br />
Sonderabteilung geschaffen worden – sie war dem NKWD- Bevollmächtigten<br />
für die SBZ unterstellt. Erst 1948 wurden diese <strong>Lager</strong> formell dem GULAG<br />
unterstellt. Einer der Gründe für die besonders schl<strong>im</strong>men Zustände in diesen<br />
<strong>Lager</strong>n <strong>und</strong> die sehr hohen Todeszahlen lag darin, daß sie weder für die Ar-<br />
86 GARF, f. 9414, op.1, d.1845, l.206, l.71-77.<br />
87 Gosudarstwennoje Uprawlenije po delam woennoplennich i internirowannich (Staatliche Verwaltung<br />
in der Sache der Kriegsgefangenen <strong>und</strong> Internierten). Die Beschreibung der GUPWI-<strong>Lager</strong> ist<br />
<strong>im</strong> Rahmen dieser Expertise nicht möglich.