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Gefängnisse und Lager im sowjetischen Herrschaftssystem - gulag

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Sowjetische <strong>Gefängnisse</strong> <strong>und</strong> <strong>Lager</strong> 613<br />

Völker <strong>und</strong> die verbannten Familienmitglieder von „Vaterlandsverrätern“<br />

<strong>und</strong> noch viele mehr;<br />

d) Personen, die aus politischen Motiven zwangsweise in psychiatrische <strong>und</strong><br />

andere medizinische Einrichtungen gebracht wurden.<br />

Die Ausnahmen betrafen nur solche Formen von gesellschaftlich gefährlichen<br />

Handlungen, die in jedem zivilisierten Land strafbar sind <strong>und</strong> in erster Linie<br />

Gewaltverbrechen betreffen. Die Liste der Ausnahmen wurde <strong>im</strong> Vergleich zu<br />

den normativen Unionsakten wesentlich gekürzt. Sie umfaßte nicht solche Taten,<br />

die als Vaterlandsverrat qualifiziert wurden, wie „Flucht ins Ausland“<br />

oder „Verweigerung der Rückkehr aus dem Ausland“ oder „Mitgliedschaft in<br />

anti<strong>sowjetischen</strong> Organisationen“ u. a.<br />

Artikel 5 des Gesetzes rehabilitiert völlig <strong>und</strong> ohne Verklausulierungen Personen,<br />

die wegen „antisowjetischer Agitation <strong>und</strong> Propaganda“ (Art. 70 des<br />

Strafgesetzbuch der RSFSR), wegen „Verbreitung bewußt falscher Erfindungen,<br />

die die sowjetische staatliche oder gesellschaftliche Ordnung verleumden“<br />

(Art. 190.1), wegen „Verletzung der Gesetze über die Trennung von Kirche<br />

<strong>und</strong> Staat <strong>und</strong> von Schule <strong>und</strong> Kirche (Art. 142) <strong>und</strong> wegen „Anschlag auf die<br />

Persönlichkeit <strong>und</strong> die Rechte der Bürger unter dem Vorwand der Ausübung<br />

religiöser Riten (Art. 227) verurteilt wurden. Aufgr<strong>und</strong> dieser Beschuldigungen<br />

wurden die politischen oder religiösen Dissidenten der 60er bis 80er Jahre<br />

verfolgt.<br />

Erstmalig wurde in der Gesetzgebung das prozessuelle Verfahren zur Rehabilitierung<br />

der Opfer der politischen Unterdrückung festgelegt. Das Recht, einen<br />

entsprechenden Antrag zu stellen, steht praktisch jeder interessierten Person<br />

oder gesellschaftlichen Organisation zu. Solche Anträge müssen innerhalb einer<br />

Dre<strong>im</strong>onatsfrist durch die Organe des Innenministeriums oder der Staatsanwaltschaft<br />

geprüft werden.<br />

Es wurde auch ein Beschluß gefaßt, <strong>im</strong> Rahmen des Rehabilitierungsgesetzes<br />

eine teilweise Entschädigung in Form einer best<strong>im</strong>men Geldsumme für die<br />

Rehabilitierten, die am Leben geblieben waren (für die Erben sollte die Kompensation<br />

nicht ausgezahlt werden), zu leisten. 92 Dieser Beschluß hat <strong>im</strong> Obersten<br />

Sowjet einen besonders heftigen Streit hervorgerufen.<br />

Einen größeren Wert für die Rehabilitierten besitzen die Privilegien, die ihnen<br />

das Gesetz einräumte: kostenlose Fahrt mit den Ortsverkehrsmitteln, Privilegien<br />

bei der Bezahlung der Miete <strong>und</strong> der kommunalen Dienstleistungen, sowie<br />

bei der medizinischen Versorgung u. a.<br />

Erst 1995 wurden durch einen Erlaß des Verfassungsgericht auch die Angehörigen<br />

der Opfer der Repressionen (Kinder, Ehepartner <strong>und</strong> Eltern all jener, die<br />

erschossen oder in der Haft gestorben waren) als Opfer verankert. Dadurch er-<br />

92 Diese Summe wurde dann infolge der Inflation mehrmals geändert, aber sie sollte nicht mehr als<br />

(umgerechnet nach der heutigen Preislage) 2.700 DM sein.

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