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Ausgabe 4/2013 - Schoellerbank

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WISSEN & WERTE<br />

chen. Und so machte sich das Zuckerrohr bereits<br />

im Mittelalter als erste Nutzpflanze auf seine globale<br />

Wanderung von Indien in den südlichen Mittelmeerraum.<br />

Da Zuckerrohr rasch den Boden auslaugt, war<br />

fruchtbares Land ein zentraler Produktionsfaktor,<br />

worüber das portugiesische Brasilien in Hülle und<br />

Fülle verfügte. Bis heute ist Brasilien mit Abstand das<br />

weltweit führende Zuckerrohranbauland geblieben.<br />

Am Anfang stand das Zuckerrohr<br />

In Brasilien entwickelten sich erstmals im großen<br />

Stil Plantagen, welche mit europäischem Kapital auf<br />

amerikanischer Erde angelegt wurden. Bald stellte<br />

sich jedoch heraus, dass die eingeborenen Indios der<br />

harten Arbeit auf den Plantagen nicht gewachsen<br />

waren. Als Ersatz schafften die Europäer Sklaven aus<br />

dem afrikanischen Kontinent herbei. Die aus diesen<br />

Plantagen gewonnenen Produkte – zunächst vorrangig<br />

Zucker – gingen weiter in den Export, vornehmlich<br />

nach Europa, wodurch ein erster globaler „ Agrarökonomiekreislauf<br />

“ ins Leben gerufen wurde, der<br />

unter dem Begriff „Cash-Crops“ verbreitet war.<br />

Dieser erste Kreislauf löste eine Vielzahl an weltweiten<br />

Folgeerscheinungen aus. Da sich zum Beispiel<br />

rasch herauszustellen begann, dass die migrierten<br />

afrikanischen Sklaven nicht ohne Weiteres mit den<br />

südamerikanischen Nahrungsmitteln zu ernähren<br />

waren, folgten viele Früchte aus den mittlerweile vernetzten<br />

Kontinenten an ihren neuen Bestimmungsort<br />

– so auch die Bananen und der Ingwer, die ursprünglich<br />

aus Asien stammten.<br />

Die botanische Globalisierung<br />

Umgekehrt segelten Ananas, Vanille, Piment, Kakao,<br />

Tabak, Chili- oder Cashewsträucher auf portugiesischen<br />

und spanischen Schiffen von Amerika nach<br />

Asien, um dort rasch heimisch zu werden. Mit der<br />

steigenden Vernetzung der Welt wurde auch ein<br />

rascher botanischer Austausch zwischen klimatisch<br />

verwandten Zonen und die Kultivierung ermöglicht.<br />

Fachlich kompetentes Personal und<br />

einschlägig interessierte Kaufleute<br />

förderten den weltumspannenden<br />

Pflanzentransfer.<br />

Daneben wurden<br />

botanische Gärten<br />

als Experimentierfelder<br />

eingerichtet, die in Afrika, Indien, dem Fernen Osten<br />

oder der Karibik entstanden. Die Insel Madeira zum<br />

Beispiel besticht noch heute mit einer unglaublichen<br />

Vielfalt dieses Pflanzenlaboratoriums aus aller Welt.<br />

Die europäischen Kaufleute kontrollierten nicht nur<br />

den interkontinentalen Austausch agrarischer Produkte,<br />

sondern über lange Zeit auch den innerasiatischen<br />

Warenaustausch. Dieser „innerasiatische<br />

Country Trade“ funktionierte allerdings nur solange<br />

die lokalen asiatischen Fürsten durch monetäre Zugeständnisse<br />

und politisch-vasallische Unterordnung<br />

der Europäer zufriedengestellt wurden.<br />

Die Orange oder Apfelsine – portugiesische Händler<br />

lernten diesen „Apfel aus China“ in Südostasien kennen<br />

– wurde in Europa nach Mitte des 16. Jahrhunderts<br />

heimisch. Später monopolisierten die Niederländer<br />

aus dieser Gegend den Muskat- und Nelkenimport<br />

und kontrollierten auch den Tee- und Kaffeehandel<br />

mit Europa. Jemen war zu dieser Zeit das Zentrum<br />

des Kaffees. Die illegale Ausfuhr von Kaffeepflanzen<br />

wurde mit dem Tode bestraft.<br />

Längst sind die sagenumwobenen „Manila-Galeonen",<br />

mit denen die Spanier mehr als 250 Jahre lang<br />

ihre Gewürzladungen aus China vom philippinischen<br />

Manila über den Pazifik ins mexikanische Acapulco<br />

verschifften (und das amerikanische Silber zurück),<br />

von modernen Containerschiffen abgelöst worden.<br />

2010 belief sich der Anteil des Agrarhandels am<br />

gesamten Welthandel mit Gütern auf immerhin 9,2<br />

Prozent. Und dennoch bleiben heute wie damals<br />

große Bevölkerungsschichten und<br />

Weltregionen vom globalen Genuss<br />

ausgeschlossen. Trotz jahrhundertelang<br />

erprobter Pflanzenund<br />

Nahrungsmitteltransfers<br />

sowie revolutionärer Agrarerrungenschaften<br />

ist der Hunger<br />

in vielen Weltgegenden immer<br />

noch Realität. n<br />

mehr Vermögen 04/<strong>2013</strong> | 23

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