Rückblick - Deutsch-Japanische Gesellschaft in Bayern eV
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Das Senryū<br />
<strong>Rückblick</strong> von Dr. Andrea Hirner auf den Vortrag von<br />
Prof. Dr. Peter Pörtner am 23. April im IBZ.<br />
Das senryū ist – e<strong>in</strong>fach gesagt - e<strong>in</strong>e der japanischen Gedichtformen. Allerd<strong>in</strong>gs ist es im<br />
Ausland nicht so populär geworden wie das haiku, das auch <strong>in</strong>nerhalb der DJG besonders<br />
gepflegt wird. Dabei entstammt es der näheren Umgebung des haiku und besitzt wie dieses<br />
die gleiche dreizeilige Form von 5-7-5 Silben. Als Fachmann hat uns Herr Prof. Pörtner<br />
gleich darüber aufgeklärt, dass man eigentlich nicht von Silben sprechen kann, sondern<br />
dass es sich um „Moren“ handelt, Spreche<strong>in</strong>heiten. <strong>Japanische</strong> Vokallängungen und<br />
Konsonantenverdoppelungen haben deshalb e<strong>in</strong>e eigene Zählung. Haikus besitzen also<br />
e<strong>in</strong>e eigene strenge Form, die bekannteste Eigenheit ist das „Jahreszeitenwort“. Das senryū<br />
ähnelt zwar dem haiku, allerd<strong>in</strong>gs ist der Bezug zu Jahreszeiten nicht notwendig, denn<br />
zum Ziel nimmt es sich eher menschliches Verhalten. Deshalb kann man e<strong>in</strong>en<br />
humorvollen, mitfühlenden oder sogar spöttischen Ton daraus hören. Auch leichte Kritik<br />
an den Zuständen des Landes schimmert gelegentlich durch; aber der Inhalt war nie<br />
bösartig.<br />
Entstanden ist es im 18. Jahrhundert. Senryū („die Weide am Fluss“) war der Dichtername<br />
von Karai Hachiëmon (1718-1790), der se<strong>in</strong>en Beamtenstatus aufgab, um als „Reimerichter“<br />
zu wirken. Im 18. Jahrhundert gab es <strong>in</strong> der Hauptstadt Edo zahlreiche Dichterzirkel, und<br />
wer nicht e<strong>in</strong>em Zirkel angehörte, dichtete trotzdem. Er gab se<strong>in</strong>en Schülern „maeku“<br />
(„Vorverse“) vor, auf die dann <strong>in</strong> entsprechender oder überraschend anderer Form e<strong>in</strong><br />
senryū als Antwort gedichtet werden musste. Manchmal wurden diese Vorverse auch wie<br />
e<strong>in</strong>e Antwort auf e<strong>in</strong>e Aussage an den Schluss gestellt und ergaben e<strong>in</strong>e unerwartete<br />
Po<strong>in</strong>te. Das Ergebnis war dann witzig, poetisch oder vielschichtig und setzte zudem e<strong>in</strong>e<br />
große Vertrautheit mit der Literatur voraus. Es war e<strong>in</strong>e Gedichtform für Kenner und<br />
Liebhaber der Poesie. Die 5-7-5 Silbenfolge des haiku und senryū und die 7-7 Silbenfolge<br />
des maeku s<strong>in</strong>d sehr rhythmisch und e<strong>in</strong>gängig. Beide entsprechen der japanischen<br />
Sprache mit ihren vielen Möglichkeiten der spielerischen Anwendung und ihrer<br />
Vieldeutigkeit.<br />
Herr Prof. Pörtner hat uns viele Gedichte mit höchst unterschiedlichem Inhalt vorgetragen.<br />
Die Übersetzung <strong>in</strong>s <strong>Deutsch</strong>e war dann <strong>in</strong>haltlich genau, klang aber holprig. Woraus folgt,<br />
dass die Übertragung dieser Gedichtformen <strong>in</strong> andere Sprachen nicht ganz e<strong>in</strong>fach ist. Da<br />
aber die Silbenzahl nicht als das e<strong>in</strong>zige Kriterium gilt, ist der Anwendung auch <strong>in</strong> der<br />
deutschen Sprache nichts <strong>in</strong> den Weg gelegt.<br />
Das alles mag kompliziert kl<strong>in</strong>gen, aber <strong>in</strong> der Vortragsweise von Herrn Prof. Pörtner war<br />
davon nicht viel zu merken. Und so war der Abend e<strong>in</strong> Vergnügen für die zahlreichen<br />
<strong>in</strong>teressierten Zuhörer.<br />
Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 15