Rückblick - Deutsch-Japanische Gesellschaft in Bayern eV
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Todesstrafe <strong>in</strong> Japan<br />
<strong>Rückblick</strong> von Gregor Stevens (Richter am Landgericht München)<br />
auf das Kolloqium am 07.09.2012 <strong>in</strong> der Münzsammlung<br />
In der gut besuchten Veranstaltung führte zunächst Prof. Dr. Rosenau (Universität<br />
Augsburg) mit dem H<strong>in</strong>weis auf die <strong>in</strong> Japan kürzlich gegen fünf Verurteilte vollstreckten<br />
Todesstrafen <strong>in</strong> die Thematik e<strong>in</strong>. Gleichzeitig stellte er die hohe Zustimmung der<br />
japanischen Bevölkerung zur Todesstrafe und die weltweite Verbreitung der Todesstrafe<br />
dar. Demnach haben 97 Staaten der Erde die Todesstrafe vollständig abgeschafft, 8 Staaten<br />
haben die Todesstrafe <strong>in</strong> Friedenszeiten abgeschafft und 35 Staaten wenden die <strong>in</strong> ihren<br />
Gesetzen vorgesehene Todesstrafe nicht an, während 58 Staaten Todesurteile verhängen<br />
und vollstrecken. In Europa ist die Todesstrafe seit 2002 <strong>in</strong> allen Staaten außer<br />
Weißrussland abgeschafft. In der Bundesrepublik <strong>Deutsch</strong>land ist die Todesstrafe durch<br />
Art. 102 GG seit 1949 abgeschafft, wobei Umfragen <strong>in</strong> der Bundesrepublik seit den 70er<br />
Jahren durchgehend e<strong>in</strong>e mehrheitliche Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> der Bevölkerung gegen die Todesstrafe<br />
ergaben.<br />
Dr. Schön erläuterte die Bestrebungen <strong>in</strong> Japan, den Strafprozess durch Reformen<br />
transparenter zu gestalten und Bürger daran zu beteiligen. Diese Bewegung führte dazu,<br />
dass 2009 e<strong>in</strong> Schöffensystem e<strong>in</strong>geführt wurde, das e<strong>in</strong>e Mischung aus amerikanischen<br />
und europäischen Formen der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Rechtsprechung<br />
darstellt. Bei Strafprozessen, die Kapitalverbrechen mit e<strong>in</strong>er drohenden Todesstrafe zum<br />
Gegenstand haben, sitzen seitdem normalerweise 6 Schöffen, welche nur für e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges<br />
Strafverfahren ausgewählt wurden, neben 3 Berufsrichtern auf der Richterbank. Der<br />
verbreiteten Befürchtung, die Schöffen könnten zu hart oder zu milde urteilen, begegnete<br />
man damit, dass im Richterzimmer auf Datenbanken zu früheren Fällen zurückgegriffen<br />
werden kann und dass es nur dann zu e<strong>in</strong>er Verurteilung kommen kann, wenn auch<br />
m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> Berufsrichter für die mehrheitliche Schöffenme<strong>in</strong>ung stimmt.<br />
Herr Prof. Dr. Ishizuka (Ryukoku Universität Kyoto) stellte anschließend die Statistiken zu<br />
den verhängten und zu den vollstreckten Todesstrafen der letzten Jahrzehnte für Japan vor.<br />
In Japan wurden zwischen 1946 und 1993 <strong>in</strong>sgesamt 766 Personen zum Tode verurteilt, von<br />
denen 608 h<strong>in</strong>gerichtet wurden. Zwischen 1995 und 2005 kam es zu e<strong>in</strong>em „Peak“. Die<br />
Frage, wie es zu diesem starken Anstieg der Todesstrafen kam, werde teilweise mit dem<br />
H<strong>in</strong>weis auf die mit dem U-Bahn-Terror durch die Aum-Sekte <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehenden<br />
Urteile beantwortet. Tatsächlich dürfte aber e<strong>in</strong>e schon zuvor verfolgte Politik der bis dah<strong>in</strong><br />
regierenden LDP verantwortlich se<strong>in</strong>, die das Ziel härterer Strafen durch Aufhebung der<br />
Freiheitsstrafenhöchstgrenze von 30 Jahren und durch e<strong>in</strong>e um 10.000 Mann verstärkte<br />
Polizei verfolgt habe. Dies führte auch zur heutigen Überbelegung der Gefängnisse um 7%.<br />
In Japan ist die Todesstrafe noch heute für <strong>in</strong>sgesamt 19 Verbrechen vorgesehen, darunter<br />
Mord, Raub oder Vergewaltigung mit Todesfolge, Straßenverkehrsgefährdung mit<br />
Todesfolge, Terrorismus mit Todesfolge, Brandstiftung bewohnter Gebäude (!) und<br />
Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 31