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MARKT UND MANAGEMENT<br />
Peter Schmidt, Vorstand WOGENO München eG<br />
„Eine Alternative, in <strong>de</strong>r sich bürgerschaftliches Engagement<br />
wirtschaftlich manifestiert“<br />
Genossenschaften verbin<strong>de</strong>n traditionell wirtschaftliches Denken und<br />
Han<strong>de</strong>ln mit ganzheitlichen, an menschlichen Bedürfnissen und Maßstäben<br />
orientierten Vorgehensweisen. Ihre Mehrfachfunktion als Wirtschaftsund<br />
Solidargemeinschaft hebt sie ethisch und sozialpolitisch <strong>de</strong>utlich von<br />
rein gewinnorientierten Kapitalgesellschaften ab. Das qualifiziert sie auch<br />
zu verlässlichen Partnern <strong>de</strong>r Politik.<br />
Zugleich wächst in Zeiten wachsen<strong>de</strong>r Überfor<strong>de</strong>rung staatlicher Versorgungssysteme<br />
die Notwendigkeit subsidiärer Systeme. Wohnungsgenossenschaften<br />
können elementare Beiträge zur Lösung kommunal- und<br />
sozialpolitischer Aufgaben liefern, in<strong>de</strong>m sie sich <strong>de</strong>m zentralen Bedürfnis<br />
<strong>de</strong>s Wohnens und <strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Wohnen angelagerten Grundbedürfnissen (zum<br />
Beispiel <strong>de</strong>m nach sozialer Sicherheit) widmen.<br />
Dennoch wird das genossenschaftliche Unternehmen als Trainingsfeld für<br />
Demokratie und solidarische Aushandlungsprozesse von Politik, Medien<br />
und Wirtschaftswissenschaften kaum propagiert. Im Gegenteil: Genossenschaften<br />
mit ihren eigenen Kompetenzen <strong>de</strong>s sozialen Ausgleichs stellen<br />
eine Konkurrenzveranstaltung zur parteipolitisch gebun<strong>de</strong>nen Politik dar,<br />
die für sich die Lizenz zur Bestimmung <strong>de</strong>r gesellschaftlichen (Um-)Verteilungsregeln<br />
beansprucht. Auch die von <strong>de</strong>r gewerblichen Wirtschaft<br />
aggressiv beworbenen individuellen Lifestyles stehen in Konkurrenz zur<br />
Selbsthilfekompetenz genossenschaftlicher Gemeinschaften. Und im<br />
Bildungssektor von <strong>de</strong>r Grundschule bis zur Finanzwissenschaft führen<br />
genossenschaftliche Ansätze bestenfalls ein Mauerblümchendasein. Der<br />
homo oeconomicus ist nach wie vor Leitbild <strong>de</strong>r Lehre.<br />
Ohne große Anstrengungen wird es <strong>de</strong>m genossenschaftlichen Sektor<br />
gegen die Interessen <strong>de</strong>s so genannten Mainstreams kaum gelingen, zu<br />
einer breiten emanzipatorischen Bewegung und zu einer Alternative zum<br />
rein gewinnorientierten Wirtschaften heranzuwachsen. Immerhin kann<br />
seit <strong>de</strong>r Novellierung <strong>de</strong>s Genossenschaftsgesetzes<br />
im Jahr 2006 eine Mini-Renaissance<br />
festgestellt wer<strong>de</strong>n. Angesichts<br />
globaler Herausfor<strong>de</strong>rungen ist dies aber<br />
weniger als <strong>de</strong>r berühmte Tropfen auf <strong>de</strong>m<br />
heißen Stein. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Internationalen<br />
Genossenschaftsjahres stellt sich die Frage:<br />
Wird <strong>de</strong>r Genossenschaftsgedanke weiter in<br />
einer selbstzufrie<strong>de</strong>nen Nische hausen, die<br />
keinen großen Zuwachs für sich reklamiert,<br />
son<strong>de</strong>rn sich eher vom Bösen ringsum abschottet? O<strong>de</strong>r entsteht nun endlich<br />
so etwas wie eine Massenbewegung, die <strong>de</strong>n neoliberalen Kräften<br />
durch faktisches wirtschaftliches Han<strong>de</strong>ln (und nicht durch fruchtlosen<br />
Protest) allmählich das Wasser abgräbt?<br />
In München erleben Wohnungsgenossenschaften gera<strong>de</strong> einen politisch<br />
flankierten Boom, <strong>de</strong>r angesichts <strong>de</strong>r Wohnungsknappheit in <strong>de</strong>n nächsten<br />
Jahren große Neubauanstrengungen ermöglichen soll. Dabei wer<strong>de</strong>n<br />
Genossenschaften durch <strong>de</strong>n politisch-administrativen Bereich auch als<br />
Partner für die Bewältigung städtebaulicher Aufgaben <strong>de</strong>r vernetzten<br />
Quartiersentwicklung ent<strong>de</strong>ckt. Es wird sich zeigen, ob diese Schwingungen<br />
allein <strong>de</strong>m bevorstehen<strong>de</strong>n Wahlkampf geschul<strong>de</strong>t sind.<br />
Ziel sollte (wie<strong>de</strong>r) sein, genossenschaftlich strukturierte Unternehmen<br />
aus verschie<strong>de</strong>nen Geschäftsfel<strong>de</strong>rn so miteinan<strong>de</strong>r zu vernetzen, dass<br />
<strong>de</strong>r gesamte Sektor mit mehr Schwungmasse interagieren kann, um <strong>de</strong>m<br />
sharehol<strong>de</strong>r-basierten Unternehmenssektor eine ernsthafte sozialethische<br />
Alternative entgegenzusetzen. Eine Vision wäre, dass Genossenschaften<br />
nicht immer nur das sozialpolitische Porzellanzerschlagen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Sektoren heilen, son<strong>de</strong>rn zur echten Alternative heranwachsen, in <strong>de</strong>r sich<br />
bürgerschaftliches Engagement wirtschaftlich manifestiert.<br />
Axel Fietzek, Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r LebensRäume Hoyerswerda eG<br />
„Von einer Konsumenten-Lieferanten-Beziehung<br />
zu einer Mitmachbeziehung kommen“<br />
Im Internationalen Jahr <strong>de</strong>r Genossenschaften ist viel Positives über<br />
uns publiziert wor<strong>de</strong>n. Wir haben stabile Fundamente und eine lange<br />
Tradition. Wenn ich mit unseren alten Genossenschaftern spreche, die<br />
noch mit Stolz davon berichten, wie sie in <strong>de</strong>n Fünfziger- und Sechzigerjahren<br />
selber die Schippe in die Hand genommen haben, wie sie<br />
Sand organisiert haben und wie viele Stun<strong>de</strong>n sie für ihre Mitgliedschaft<br />
gearbeitet haben, dann überlege ich mir, mit welchem Selbstverständnis<br />
Kun<strong>de</strong>n und Interessenten heute zu uns kommen. Eigentlich geht es<br />
ihnen zunächst nicht darum, Mitglied einer Genossenschaft zu wer<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn ganz profan darum, eine Wohnung<br />
zu mieten.<br />
Einige unserer Kollegen und Kolleginnen<br />
haben ihre Genossenschaft stark in Richtung<br />
eines reinen Vermieters organisiert<br />
und das auch in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit so dargestellt.<br />
Wir sind aber viel mehr als ein Vermieter.<br />
Wir sind ein Verein Gleichgesinnter,<br />
44 1 | 2013