Nummer 6 8. Februar 2013 - sz-media.de - Süddeutsche Zeitung
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Dr. Dr. Rainer Erlinger Die Gewissensfrage<br />
»Mein Exfreund, mit <strong>de</strong>m ich nichts mehr zu tun habe,<br />
hatte mir, als wir noch ein Paar waren, zum Geburtstag<br />
mal einen Sushi-Kurs geschenkt. Dieser Kurs ist aber<br />
niemals von mir besucht wor<strong>de</strong>n. Neulich war ich beim<br />
Japaner, wo mir klar wur<strong>de</strong>, dass ich <strong>de</strong>n Kurs nun<br />
doch gern machen wür<strong>de</strong>. Darf ich das Geschenk trotz<br />
Trennung einfor<strong>de</strong>rn?« K a r i n L . , B o n n<br />
Dies hier ist keine Sprachkolumne. Deshalb<br />
befasse ich mich für gewöhnlich auch nicht explizit<br />
mit einzelnen Formulierungen <strong>de</strong>r Frage,<br />
son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>m Kern <strong>de</strong>r Fragestellung, auf<br />
die ich eine Antwort zu fin<strong>de</strong>n versuche. Für<br />
gewöhnlich. Bei Ihnen jedoch bin ich über folgen<strong>de</strong>n<br />
Satz gestolpert: »Dieser Kurs ist aber<br />
niemals von mir besucht wor<strong>de</strong>n.« Inhaltlich<br />
ist er vollkommen klar, aber warum haben Sie<br />
ihn im Passiv geschrieben?<br />
Passiv heißt übersetzt »Lei<strong>de</strong>form«. Ich kenne<br />
Sie nicht persönlich, hoffe aber, dass <strong>de</strong>r Kurs<br />
nicht unter Ihrem Besuch gelitten hätte. Das<br />
Gleiche sollte für <strong>de</strong>n Kursleiter gelten. Lediglich<br />
für <strong>de</strong>n Fisch sehe ich kaum Hoffnung, er<br />
wird wohl so o<strong>de</strong>r so als Häppchen en<strong>de</strong>n.<br />
Das Passiv ist aber auch Stilmittel. Es kann helfen,<br />
<strong>de</strong>n Kurs in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund <strong>de</strong>s Satzes zu<br />
rücken. Schließlich ist <strong>de</strong>ssen Besuch ja Gegenstand<br />
<strong>de</strong>s Geschenkes und damit auch Ihrer<br />
Frage. Sie dagegen treten eher in <strong>de</strong>n Hintergrund.<br />
Und genau darüber bin ich gestolpert.<br />
Die Passivformulierung löst <strong>de</strong>n Besuch <strong>de</strong>s<br />
Kurses von Ihrer Person und distanziert Sie von<br />
<strong>de</strong>r Angelegenheit. Nur war das ursprünglich<br />
beim Schenken gera<strong>de</strong> nicht <strong>de</strong>r Fall. Ihr damaliger<br />
Freund hat Ihnen <strong>de</strong>n Kurs geschenkt,<br />
weil Sie zu <strong>de</strong>r Zeit seine Freundin waren. An<br />
<strong>de</strong>m Geschenk klebt also das Etikett Ihrer Partnerschaft,<br />
das auch durch Passivformulierungen<br />
nicht abgeht.<br />
Beziehungstechnisch wäre es eine Überlegung<br />
wert, wofür das Einfor<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Gutscheins nach<br />
<strong>de</strong>r Trennung spricht: dass Sie <strong>de</strong>rartige Angelegenheiten<br />
neutral handhaben können und sich<br />
somit von <strong>de</strong>r Beziehung gelöst haben – o<strong>de</strong>r<br />
dass Sie sprichwörtlich noch eine Rechnung<br />
offen haben? Vielleicht wäre es in <strong>de</strong>m Fall sogar<br />
eine gute Übung, um zu einem Abschluss zu<br />
gelangen. Nur weiß ich nicht, ob Ihnen dann<br />
das Sushi schmecken wird.<br />
Mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> einer Beziehung geht vieles unter,<br />
Erwartungen, Träume, die gemeinsame Zukunft.<br />
Es bleibt die gemeinsame Vergangenheit. Und<br />
genauso wür<strong>de</strong> ich die Geschenke behan<strong>de</strong>ln:<br />
Überreichte Geschenke sind nur in Ausnahmefällen<br />
zurückzugeben. Alles aber, was in die Zukunft<br />
gerichtet ist, geht mit <strong>de</strong>r Trennung unter<br />
und kann nicht mehr eingefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. O<strong>de</strong>r<br />
einfacher: Klappe zu, Affe tot.<br />
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D r . D r . R a i n e r E r l i n g e r<br />
gewissensfrage@<strong>sz</strong>-magazin.<strong>de</strong><br />
lllustration: Serge Bloch; alle Autoren-Illustrationen: Grafilu<br />
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