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Heft 2 (2010) - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

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prosa<br />

Tag eine hochamtliche Ermahnung bzw.<br />

Verwarnung zu.<br />

Aber das sollte nicht der letzte Ärger<br />

bei diesem Ernteeinsatz bleiben.<br />

Jeden Morgen zogen wir mit fröhlichen<br />

Liedern auf den Lippen hinaus auf das Feld<br />

und abends mit ihnen zurück.<br />

Eines Tages stimmte ein Kommilitone<br />

ein Lied aus dem Bauernkrieg von 1525 an,<br />

nämlich: „Wir sind des Geyers schwarzer<br />

Haufen.” Eine Stelle darin lautet: „Wir wöll’n<br />

mit Pfaff und Adel raufen, heiahohe! Spieß<br />

voran! Wir setzen aufs Klosterdach den<br />

roten Hahn.” Während sonst die Bauersleut´<br />

wohlwollend unserem Gesang lauschten,<br />

sahen wir diesmal finstere Mienen, böse<br />

Gesichter, was das Lied natürlich sofort zu<br />

unserem Lieblingslied machte. Sobald wir<br />

Dorfbewohner sahen, stimmten wir unsere<br />

Hymne an. Das sollte aber nicht lange<br />

gut gehen. Diesmal erschien entsetzlich<br />

aufgeregt der Bürgermeister im Namen des<br />

Herrn Pfarrers und der frommen Leute im<br />

Dorf. Er flehte uns händeringend an, doch<br />

diesen Unsinn zu lassen, und erzählte uns<br />

etwas von der Gewährleistung der freien<br />

Religionsausübung, von der Diskriminierung<br />

der Christen durch uns, vom Zorn des<br />

Herrn Pfarrers, den er auf gar keinen Falle<br />

verärgern wolle. Unser Einwand, dass das<br />

doch ein Lied aus dem Jahre 1525 sei und<br />

das Singen solcher Lieder nicht verboten<br />

wäre, nützte nichts. Schließlich ließen uns<br />

seine flehenden Worte nicht kalt, und wir<br />

entschieden, es nicht mehr zu singen.<br />

Brigitte Kürten, Bad Honnef<br />

Es war im Spätsommer des Jahres 1951,<br />

die Zeit der ersten Sommerferien, seitdem<br />

ich das Gymnasium besuchte, auch die<br />

Zeit der ersten Herbststürme. Ich war mit<br />

meiner Mutter und einer Cousine in einen<br />

ländlich idyllischen Ort an die Nordsee gereist.<br />

Der Kontakt zu den Schulkindern gestaltete<br />

sich recht unkompliziert. Sie wollten wissen,<br />

wie es auf dem Gymnasium ist, war ich<br />

doch seit kurzem Sextanerin. Stolz zählte<br />

ich die Namen der anderen Klassen auf.<br />

Quinta, Quarta, Tertia, Sekunda, Prima,<br />

fand ungeteiltes Interesse bei den fremden<br />

Kindern, für die das alles ganz neu war. „Oh<br />

ja,“, rief ein kleines Mädchen, selbst gerade<br />

erst eingeschult. „in der Primaschule, da<br />

muss es schön sein.“<br />

In den folgenden Tagen hatten wir<br />

viel zu erkunden: Möwen, Muscheln,<br />

Quallen, Deiche, Leuchtturm und eine<br />

Sturmflut<br />

Wattwanderung, wenn das Wasser sich<br />

zurückgezogen hatte. Beim Ort selbst lagen<br />

Rettungsboote, die gottlob nicht ständig zum<br />

Einsatz kamen, deren Besitzer sich aber in<br />

den damaligen Anfängen des Tourismus zu<br />

Ausflugsfahrten bereit erklärten. Sie fuhren<br />

nach Wangerooge, der nächstgelegenen<br />

Insel der ostfriesischen Inseln. Der Onkel<br />

hatte sich für einige Zeit bei uns angesagt,<br />

was uns ermunterte, einen Auflug mit einem<br />

Boot zu buchen.<br />

Als wir des Morgens zu unserem Ausflug<br />

an Deich und Meer ankamen, sahen<br />

wir etwas wie schnell dahinbrausende<br />

Kleinboote, bis wir verstanden, dass es sich<br />

um riesige Schaumkronen auf den hohen<br />

Wellen handelte. Das waren wir vom lieben<br />

Rhein, woher wir kamen, nicht gewohnt.<br />

Dennoch vertrauten wir uns unserem<br />

Touristenrettungsboot an. Es wurde gesagt,<br />

dass wir nicht so lange wie geplant auf der<br />

Insel bleiben könnten, die See sei unruhig,<br />

wir müssten eben früher zurück fahren.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 2 (<strong>2010</strong>) Seite 16

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