76 SERIE, TEIL 12 Fotos: Witters (2) Der Mann, dem alles gelang Das Schicksal meinte es gut mit ihm. Als zweiter Mensch schaffte FRANZ BECKENBAUER (68) das große Kunststück, zunächst als Spieler und dann als Trainer Weltmeister zu werden. “-Serie, 12. Teil
kicker, 23. Dezember 2013 77 Im abgedunkelten Olympiastadion zu Rom lassen sich die deutschen WM-Helden bejubeln, Kapitän Lothar Matthäus und die anderen Weltmeister präsentieren ihren schwarz-rot-goldenen Fans den Goldpokal bei ihrem Ehrenlauf <strong>im</strong> Stadionrund. In der Mitte des Platzes, wo es noch eine Spur dunkler ist, spaziert wie <strong>im</strong> Schatten dieses Glanzes Franz Beckenbauer über den Rasen, die Hände tief vergraben in den Taschen seiner beigen Hose, in sich versunken, verloren in seinen ganz privaten Gedanken. 1:0 <strong>im</strong> großen Finale gegen Argentinien – seit einigen Minuten an diesem 8. Juli 1990 ist er der zweite Mensch nach dem Brasilianer Mario Zagallo, dem es gelang, als Spieler und als Trainer Weltmeister zu werden. Die zurückliegenden sechs Lebensjahre hatte der Mann, der auf dem Fußballfeld als die personifizierte Eleganz bewundert und zum „Kaiser“ geadelt worden war, mit harter Arbeit und heftigem Ärger überstehen müssen, ehe er die deutsche Mannschaft zur globalen Nummer eins gemacht hatte. Nach dem frühen Aus bei der Europameisterschaft 1984 in Frankreich durch das 0:1 gegen Spanien <strong>im</strong> dritten und letzten Vorrundenspiel lag die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes in Trümmern. Die Berufsfußballer waren in der Beliebtheitsskala auf den letzten Platz abgestürzt, selbst Börsenspekulanten und Gerichtsvollzieher genossen in Umfragen bessere Imagewerte. In der Bundesliga waren die Zuschauerzahlen auf einen Tiefstand gesunken. Bundestrainer Jupp Derwall, der die Nationalelf vier Jahre zuvor in Italien zum zweiten EM-Titel geführt hatte, nahm seinen Hut DIE GROSSEN TRAINER und gab auf. In dieser überaus heiklen Phase schaffte es DFB-Präsident Hermann Neuberger, diesen anerkannt besten deutschen Fußballer aller Zeiten, diesen Sympathieträger und Günstling des Schicksals, dieses Glückskind für den Neuaufbau der Nationalmannschaft zu verpflichten. Schon 1977 hatte er Beckenbauer zu Derwalls Assistenten machen wollen, nun war zunächst die Position eines Technischen Direktors <strong>im</strong> Gespräch gewesen. Als Beckenbauer dazu Gesprächsbereitschaft signalisierte, wurde daraus in der öffentlichen Darstellung flugs tatsächliche Bereitschaft. „Plötzlich hängst du da drin“, sagte Beckenbauer, wollte sich nicht mehr rausreden und nahm an. Er wurde zum Teamchef berufen, der Ehrentitel des Bundestrainers blieb ihm versagt. Denn die allgemeine Begeisterung wurde durch einige Bedenkenträger, auch <strong>im</strong> Verband, gedämpft, weil dem Neuen die Bestätigung mit Stempel und Unterschrift in einem Trainerzertifikat fehlte. „Was soll mir dieser Schein bringen?“, fragte Beckenbauer und verwies auf seine praktischen Erfahrungen in 20 Profijahren: „Will mir da einer vom DFB noch etwas über Taktik oder Fußball erzählen?“ Knapp fünf Jahre später, <strong>im</strong> März 1989, wurde ihm <strong>im</strong> Rahmen seines 50. Länderspiels als verantwortlicher Teamchef die Fußballlehrerlizenz nachgereicht. In seinem Zeugnis standen Platz zwei bei der WM 1986 und das enttäuschende Halbfinal-Aus bei der EM 1988 <strong>im</strong> eigenen Land nach einer 1:2-Niederlage gegen den späteren Titelträger Niederlande in Hamburg. Es waren schwierige praktische Jahre. Bei der WM 1986 in Mexiko rappelte es gewaltig. Als größten Fehler bezeichnete es Beckenbauer hinterher, dass die Presse <strong>im</strong> Teamhotel Galindo untergebracht war. Als Wegelagerer, Störenfriede, lästige Hunde besch<strong>im</strong>pfte der in jenen Wochen oft übellaunige, grantige, aggressive Beckenbauer die Journalisten und deutete an, dass er einem einhe<strong>im</strong>ischen Reporter am liebsten den Kragen rumdrehen würde; fast hätte er damit diplomatische Verwicklungen ausgelöst. Auch die „Suppenkasperaffäre“ trug sich damals zu, Beckenbauer schickte Torhüter Uli Stein vorzeitig nach Hause. Es krachte an allen Ecken und Enden, der einstige Ausnahmekönner hielt die Seinen ohnehin für spielerisch l<strong>im</strong>itiert, wie er vor dem Turnierstart geäußert hatte: „Du kannst mit dieser Truppe nie Weltmeister werden.“ Immerhin reichte es zum zweiten Rang; <strong>im</strong> Finale gegen Argentinien hatte die deutsche Elf einen Zwei-Tore-Rückstand bereits egalisiert, ehe sie sich kurz vor Schluss klassisch auskontern ließ und mit 2:3 verlor. Der vorherige Bundestrainer Jupp Derwall begründete Beckenbauers emotionale Ausbrüche mit dessen mangelnder Erfahrung als Gesamtverantwortlicher. Der Teamchef selbst erkannte, dass er, nun Repräsentant des deutschen Fußballs, die Bedeutung seines Wortes unterschätzt habe. „Ja mei“, sagte er in seinem Beckenbauer-Sprech, „ich bin oft zu <strong>im</strong>pulsiv und red ja auch viel Blödsinn.“ Bei solchen Selbstbekenntnissen wird der grantige Beckenbauer schnell zum charmanten Beckenbauer. Sepp Maier, als Torwarttrainer über eine lange Zeit sein Partner, lacht noch heute laut auf, wenn er von Beckenbauers Wutanfall bei der WM 1990 erzählt. Während sich Spieler, Betreuer und Verantwortliche nach dem 1:0-Zittersieg <strong>im</strong> Viertelfinale gegen die Tschechoslowakei in Mailand auf Schultern und Schenkel klopften, raste der Teamchef zehn Minuten durch die Kabine, trat gegen Eise<strong>im</strong>er und Holztür und wetterte: „Was feiert’s ihr hier! So ein Arschspiel!“ So hatte Maier „den Franz noch nie gesehen“. Selbst der ausrastende Beckenbauer ist meist noch ein sympathischer Beckenbauer. Als in seiner ersten Bayern-Periode Eckbälle der Münchner stets direkt zu gegnerischen Kontern führten, platzte dem Aushilfscoach 1993/94 in der Begegnung bei der SG Wattenscheid der Kragen. In der Halbzeitpause sagte er zum brasilianischen Abwehrspieler Jorginho: „Befehl! Ab sofort schießt du jede Ecke hinters Tor, damit wir in Ruhe zurücklaufen können!“ Beckenbauer muss selbst lachen, als er diese Geschichte in diesen Tagen erzählt und sich dabei Jorginhos „Ja mei, ich bin oft zu <strong>im</strong>pulsiv und red ja auch viel Blödsinn.“ verdutzten Gesichtsausdruck von damals noch einmal vor Augen führt. Als der Brasilianer vor dem letzten, entscheidenden Saisonspiel gegen Beckenbauers Verbot zu einer Tour rund um die Welt zur brasilianischen Selecao startete, um seinen WM-Platz nicht zu gefährden, machte der Chef seine Drohung wahr und setzte Jorginho gegen Schalke zunächst auf die Bank. Nach 20 Minuten wechselte er ihn ein, der Rechtsverteidiger sicherte mit einem Linksschuss in den Winkel die Meisterschaft. Alles gut. In jener Saison hat sich Beckenbauer auch heftigst mit dem damaligen Bundestrainer, seinem früheren Assistenten Berti Vogts, ge- und zerstritten. „Es ist so ein schöner Tag heute, und wir reden über solche Pfeifen“, sagte er und meinte damit den DFB und Vogts, der <strong>im</strong> Bundesliga- Franz Beckenbauer Lesen Sie weiter auf Seite 78 Geboren am 11. 9. 1945 in München Seine Erfolge als Spieler Weltmeister 1974, Europameister 1972 Weltpokalsieger 1976 Europacupsieger der Landesmeister 1974, 1975, 1976 Europacupsieger der Pokalsieger 1967 Deutscher Meister 1969, 1972, 1973, 1974, 1982 DFB-Pokalsieger 1966, 1967, 1969, 1971 NASL-Meister 1977, 1978, 1980 Deutschlands Fußballer des Jahres 1966, 1968, 1974, 1976, Europas Fußballer des Jahres 1972, 1976 Sein weiterer Werdegang 13. 7. 1984 bis 8. 7. 1990 DFB-Teamchef, 1990/91 Trainer/Technischer Direktor Olympique Marseille, 28. 12. 1993 bis 30. 6. 1994 und 29. 4. 1996 bis 30. 6. 1996 Trainer FC Bayern, Oktober 1998 bis 2010 DFB-Vizepräsident, Präsident WM-Organisationskomitee 2006, Januar 2007 bis Juni 2011 Mitglied FIFA-Exekutivkomitee Seine Erfolge als Trainer Weltmeister 1990; UEFA-Pokal-Sieger 1996, Deutscher Meister 1994, Französischer Meister 1991 Seine Turniere WM 1986, 1990; EM 1988 Seine Bilanz als DFB-Teamchef 66 Spiele: 34 Siege, 20 Unentschieden, 12 Niederlagen, 107:61 Tore Seine Ämter bei Bayern München 25. 11. 1991 bis 7. 10. 1994 Vizepräsident, 7. 10. 1994 bis 27. 11. 2009 Präsident, 14. 2. 2002 bis 27. 11 2009 Aufsichtsratsvorsitzender der AG, heute Ehrenpräsident
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