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INTERSECTION Sport & Elektrik (Vorschau)

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JAN<br />

DELAY<br />

geländefahrrad<br />

Gleich zu Beginn des Interviews räumt<br />

Jan Delay ein, dass er die ganzen Features<br />

seines Mountainbikes nicht kennt,<br />

falls wir so etwas wissen wollen. Dem<br />

Hamburger Rapper ist ziemlich egal, was<br />

er fährt. Hauptsache, er kommt an.<br />

auf die StraSSe<br />

gehören Autos<br />

AuSSer Sido und Bushido gibt sich der deutsche<br />

HipHop bescheiden, was die individual-mobilität<br />

angeht. In den USA tunen die Rapper ihre<br />

Karren um die Wette, hierzulande fährt man<br />

U-Bahn, Taxi oder Familienkutschen<br />

Weißt du, was für ein Fahrrad du fährst?<br />

Äh ... ein Mountainbike.<br />

Warum fährst du Fahrrad?<br />

Weil ich nie einen Führerschein gemacht habe. Ich<br />

bin in einer Großstadt aufgewachsen, da war es<br />

nie wichtig, einen zu haben. Und ein Führerschein ist<br />

teuer. Immer wenn ich ein bisschen Geld hatte, habe ich<br />

das in meine Musik investiert. Irgendwann setzte dann<br />

auch das Bewusstsein für die Umwelt ein und ich dachte,<br />

Autos sind der Krebs der Welt. Und immer wenn mir gesagt<br />

wird: Du brauchst das und das Auto, um geil zu sein, dann<br />

stell ich die Gegenfrage: Ist man auch ohne Auto geil? Natürlich,<br />

denn dafür wäre ich der lebende Beweis!<br />

Siehst du die Zukunft der Mobilität im Fahrrad?<br />

Nein. Ich will auf gar keinen Fall irgendwelche Dogmen<br />

aufstellen. Aber ich fände es gut, wenn die Leute das Auto<br />

öfter mal stehen lassen. Wenn ich ein Auto brauche, dann<br />

fahre ich Taxi. Ich fahre zu Ikea mit dem Taxi. Ich fahre<br />

auch manchmal zum Arzt mit dem Taxi. Und ich habe am<br />

Ende jedes Jahres Kosten von etwa 3.000 Euro. Vergleich<br />

das mal mit den Kosten für ein eigenes Auto, inklusive Versicherung,<br />

Steuern und Sprit.<br />

Text CHRISTOPH CADENBACH fOTOS daniela müller-brunke interviews ita korenzecher<br />

Bisher war der Westküsten-Rapper, Pornoproduzent und Autoliebhaber<br />

Snoop Dogg nicht als Kulturtheoretiker bekannt, und doch Karren wird bis heute zum Beispiel auch in der MTV-Sendung „Pimp my<br />

das beliebteste Auto der Lowrider-Kultur. Die Tradition der aufgemotzten<br />

schaffte er es in einem Interview mit einem Moderator der Vox- Ride“ fortgeführt.<br />

Sendung „Auto Mobil“, die kommunikative Funktion, die Autos heute Was sagt uns das jetzt alles über Deutschland, seine Rapper und ihre<br />

im Rap einnehmen, auf den Punkt zu bringen: „Das Auto spiegelt meine Autos? Leider wenig. Afrob und K.I.Z. fahren U-Bahn, Jan Delay und der<br />

Gefühle wider“, sagte Snoop Dogg. „Wenn es ein buntes Auto ist, dann deutsche HipHop-Impresario Staiger mit dem Rad, was natürlich zum einen<br />

daran liegt, dass sie nicht mit so viel Geld zugeschmissen werden wie<br />

trage ich auch bunte Klamotten. Wenn ich mal einen schlechten Tag habe,<br />

dann nehme ich einen dunklen, bösen Wagen.“<br />

ihre Kollegen in den USA, zum anderen daran, dass Rap in Deutschland<br />

Snoop Dogg klärt uns mit dieser Aussage nicht nur so beiläufig wie in den meisten Fällen kein Selbstbehauptungsdrama des Unterschichtenmannes,<br />

sondern Spielwiese für Mittelstandskinder ist.<br />

lässig über seinen ökonomischen Erfolg auf, für den Autos im US-HipHop<br />

seit Jahren der Gradmesser sind, sondern auch darüber, dass er die Wagen<br />

wechselt wie andere Leute H&M-Sonnenbrillen. Das Auto wird zum Zitat in Musikvideos oder Texten („Den Weg zur Universität fährt sie mit<br />

Dicke Autos tauchen im deutschen HipHop zumeist nur als ironisches<br />

modischen Accessoire.<br />

dem Maserati Cabrio vom Vati“, Massive Töne) auf. Ausnahmen sind<br />

Müsste man einen Verantwortlichen für diese Entwicklung benennen: Rapper wie Sido und Bushido, die sich in ihrer Pose als Gangsta nach<br />

Die Produzenten der MTV-Sendung „Cribs“ wären nicht die falschen Adressaten.<br />

Sie ließen uns in die Home-Kino-getunten Wohnzimmer der Rap-<br />

anderen Künstlern, denen existentielle Sorgen so fremd sind wie US-<br />

US-Vorbild natürlich als Autofans inszenieren müssen. Bei den meisten<br />

stars blicken und zeigten als Höhepunkt jeder Episode die mit Ferraris, Rappern die Möglichkeiten einer Bafög-Förderung, scheint eben nicht im<br />

BMWs und Bentleys vollgepackten Fuhrparks, in denen die Rapper anscheinend<br />

so viel Zeit verbrachten, dass ihnen kaum mehr eine Textzeile zu liegen. „In Deutschland ist totales Understatement cool. Ein Popstar<br />

Konsum, sondern gerade in einer Verweigerungshaltung die Erfüllung<br />

einfiel, in der es nicht um irgendwelche „peeps with the Bentleys, the fährt hier Fahrrad“, meint Frank Dellé, Seeed-Mitglied und jetzt auch als<br />

Hummers and the Benz“ (Lil Kim) ging.<br />

Solo-Künstler unterwegs.<br />

2005, so wurde von einer PR-Beratungsfirma ermittelt, war Mercedes- 50 Cent sagte in einem Interview einmal: „Ich träume nur von Dingen,<br />

Benz dann auch die am häufigsten genannte Marke in Rapsongs und 50 die realistisch sind, die auch Wirklichkeit werden können.“ Damit waren<br />

Cent („Leute, die teure Autos fahren, müssen etwas richtig gemacht haben<br />

im Leben“) der Künstler mit den meisten Produktnennungen. Reduktion des CO2-Ausstoßes oder bekennen sich nur sehr zurückhaltend<br />

Autos gemeint. Die meisten deutschen HipHopper reden lieber von einer<br />

Nun hat das Markennamen-Dropping im HipHop natürlich Tradition: zu ihrer Autoleidenschaft. Man gibt sich kritisch, bescheiden und vernünftig.<br />

Doch wenn HipHop-Deutschland von einer automobilen Zukunft<br />

Angefangen bei Run DMCs „My Adidas“ (1986) über Eazy-E, Ice-T und<br />

Dr. Dre, die alle ihren „Six-fo“, ihren Chevrolet Impala Baujahr 1964 lobpreisten.<br />

Der kantige US-Wagen war in den achtziger und neunziger Jah-<br />

Afrob wünscht sich das Beamen als Fortbewegungsmittel herbei und K.I.Z<br />

träumt, dann geht es um mehr als Fahrzeugtypen oder Tuning-Accessoirs:<br />

ren vor allem an der Westküste Lustobjekt der HipHop-Schaffenden und fordern subventionierte Mercedes für alle deutschen HipHopper.<br />

AFROB<br />

U-BAHN<br />

Als Beifahrer saß er schon in fast allen High End-Karren. Jetzt will er<br />

endlich seinen Führerschein machen.<br />

Womit fährst du am liebsten?<br />

Ich habe keinen Führerschein. Am liebsten fahre ich U-Bahn und Taxi. In<br />

Berlin ist Taxifahren super, weil es so billig ist.<br />

Was verbindest du mit Autos?<br />

Mit PS, Hubraum und so kenne ich mich überhaupt nicht aus. Aber Musikhören<br />

im Auto ist das Coolste. Als Mietwagen bin ich wahrscheinlich in jedem<br />

High-End-Auto mitgefahren, das es gibt. Ich würde die sehr gerne endlich<br />

mal selber fahren.<br />

Willst du den Führerschein irgendwann einmal nachholen?<br />

Ja, unbedingt! Mal meine neue Platte im Auto hören. Das wäre super.<br />

In den USA fahren viele HipHopper getunte, aufgemotzte Wagen, in<br />

Deutschland kaum jemand. Woran liegt das?<br />

Das ist eine Mentalitätsfrage. In Amerika zeigst du gerne, was du hast. In<br />

Deutschland ist das fast umgekehrt. Klar, gibt es auch hier Exoten: Wenn<br />

man ganz schnell viel Geld verdient hat, dann hast du Angst, dass es ganz<br />

plötzlich wieder alles weg sein kann, und man gibt es für Statussymbole<br />

aus. Man nimmt alles mit, was man bekommen kann, und denkt nicht an<br />

übermorgen.<br />

Hast du ein Traum-Fortbewegungsmittel?<br />

Ja, Beamen. Einfach zu sagen: „Ich will jetzt nach New York“, und schon bin<br />

ich da. Dann nehme ich auch die Gefahr in Kauf, dass ich anatomisch nicht<br />

korrekt zusammengesetzt wieder ankomme.<br />

164 werkstatt<br />

<strong>INTERSECTION</strong> nr. 02 2009<br />

165

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