INTERSECTION Sport & Elektrik (Vorschau)
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enzingespräch<br />
„<br />
Jungs, ich weiSS nicht,<br />
ob euch das gefällt“<br />
Die Journalistin Suzy Menkes gab uns mit ihrer<br />
kühlen Britishness das Gefühl, wieder die<br />
Schulbank zu drücken, und dozierte über Mode,<br />
beschleunigung und das Reisen der Zukunft<br />
Text / interview Hendrik Lakeberg & Götz Offergeld<br />
Illustration tricia le hanne<br />
Die mächtigste Modejournalistin<br />
der Welt<br />
fährt privat einen<br />
Renault Clio. Suzy<br />
Menkes besucht rund<br />
600 Modenschauen<br />
pro Jahr. In Modekreisen<br />
nennt man sie<br />
wegen ihres scharfen<br />
Urteilsvermögens<br />
auch Samurai Suzy.<br />
Die Sensation der letzten Berliner<br />
Fashion Week war nicht<br />
der Besuch von Boris und Lilly<br />
Becker, auch nicht der von Adrien<br />
Brody oder Sienna Miller. Nein, die<br />
wirkliche Sensation war der Besuch<br />
von Suzy Menkes. Denn sie ist die<br />
wichtigste Modejournalistin der Welt.<br />
Ihr Erscheinen kommt für Berlin einem<br />
Ritterschlag gleich. Seit Jahren<br />
wünscht man sich nichts sehnlicher,<br />
als endlich als die neue und wichtige<br />
Modemetropole Europas ernst genommen<br />
zu werden. Aber ebenso lange ist<br />
das trotz großer Anstrengungen nicht<br />
geglückt. Vielleicht ändert sich das<br />
jetzt, denn Suzy Menkes schwärmte<br />
von der Aufbruchsstimmung und<br />
lobte die Kreativität der Stadt. Wenn<br />
in der Modebranche irgendjemand<br />
irgendwas mit Worten bewegen kann,<br />
dann Suzy Menkes. Seit 20 Jahren ist<br />
sie bei der International Herald Tribune<br />
für das Moderessort zuständig. Ihre<br />
Artikel sind engagiert, scharfsinnig<br />
und manchmal gefürchtet. Auch die<br />
größten Designer der Welt nehmen am<br />
Morgen nach ihren Schauen in Mailand<br />
oder Paris die International Herald Tribune<br />
zur Hand und lesen gebannt, was<br />
Menkes über sie geschrieben hat.<br />
Diese Macht sieht man ihr auf den ersten<br />
Blick nicht an. Mit ihrem runden<br />
Gesicht und ihrer untersetzten Figur<br />
wirkt sie wie eine gemütliche ältere<br />
Dame, mit der man bei Earl Grey und<br />
Gebäck wunderbar eine englische<br />
Teatime verbringen kann. Das Understatement<br />
wird allein durch ihre stets<br />
perfekt sitzende Tolle durchbrochen,<br />
die auf ihrer Stirn balanciert wie ein<br />
eingefrorener Springbrunnen.<br />
Spricht man mit ihr, ändert sich dieser<br />
Eindruck. Dann klingt ihr englischer<br />
Akzent herrlich erzarrogant. Und angesichts<br />
ihres taxierenden Blicks, des<br />
meistens etwas angehobenen Kinns,<br />
und der leicht nach unten gezogenen<br />
Mundwinkel fühlt man sich für einen<br />
Moment wie ein Provinzbauer in Gummistiefeln,<br />
der im Nobelkaufhaus Harrods<br />
nach einem Chanel-Kleid fragt. Im<br />
Interview gestattet sie uns drei Fragen<br />
und höchstens fünf Minuten Redezeit.<br />
Nervös rücken wir das Aufnahmegerät<br />
zurecht.<br />
Frau Menkes, fahren Sie ein Auto?<br />
Natürlich!<br />
Welches?<br />
Einen Renault Clio.<br />
Warum einen Clio?<br />
Ich sollte keine Werbung für eine Automarke<br />
machen.<br />
Also, was wollen Sie wirklich wissen?<br />
Zum Beispiel, welche Gemeinsamkeiten<br />
es zwischen Kleidung und<br />
Autos gibt?<br />
Was sehr interessant ist: Als das Auto<br />
erfunden wurde, wurde die Mode<br />
plötzlich stromlinienförmiger. Mode<br />
und Autos haben sich immer ähnlich<br />
entwickelt. Ich weiß allerdings nicht,<br />
wie Autos sich auf das Internet einstellen<br />
werden. Die Auto-Entwicklung<br />
müsste einiges an Geschwindigkeit<br />
zulegen, um da mitzuhalten.<br />
Wie wirkt sich denn das Internet auf<br />
die Mode aus?<br />
Technologie war für die Mode immer<br />
schon sehr wichtig. Heute kann Kleidung<br />
in einer enormen Geschwindigkeit<br />
hergestellt und verbreitet werden,<br />
viel schneller als jemals zuvor. Zu dieser<br />
Beschleunigung hat das Internet<br />
eine Menge beigetragen. Und für die<br />
Generation, die jetzt aufwächst, ist das<br />
Internet kein seltsames, unbekanntes<br />
Ding mehr, sondern ein Werkzeug des<br />
alltäglichen Lebens. Technologie ist<br />
mehr denn je in das Leben integriert.<br />
Wie verändert sich unter diesen Umständen<br />
die Bedeutung des Autos:<br />
Wird es mehr zu einem schlichten<br />
Transportmittel oder zu einem kostbaren<br />
Objekt, das wie ein Kunstwerk<br />
bewundert wird?<br />
Jungs, ich weiß nicht, ob euch das gefällt,<br />
aber ich sehe in der Zukunft eine<br />
grüne Welt, in der wir Autos einrahmen<br />
werden. Wir werden sie in Museen<br />
anschauen und denken, wie schön<br />
sie sind, aber im Alltag fahren wir alle<br />
Fahrrad. Was halten Sie von der Idee?<br />
Das Problem ist aber doch: Mit einem<br />
Fahrrad kann man nicht so<br />
leicht von London nach Deutschland<br />
kommen wie zum Beispiel mit<br />
einem Auto oder einem Flugzeug?<br />
Stimmt. Vor allem auf Flughäfen gibt es<br />
eine Menge zu verbessern. Ich bin viel<br />
in der Welt unterwegs und mir fällt immer<br />
wieder auf: Zwischen dem Traum<br />
und der Realität des Reisens klafft eine<br />
große Lücke. Mir ist es in der Zukunft<br />
nicht wichtig, in futuristisch designten<br />
Gefährten zu sitzen. Ich würde mich<br />
aber sehr freuen, wenn die Schlangen<br />
»Wir werden Autos in Museen anschauen und denken,<br />
wie schön sie sind, aber im Alltag fahren<br />
wir alle Fahrrad. Was halten sie von der Idee?«<br />
vorm Check-in-Schalter kürzer und das<br />
Reisen praktischer würden.<br />
Aber Transportmittel wie Flugzeuge<br />
oder Autos müssen gestaltet<br />
werden. Was, denken Sie, passiert<br />
zum Beispiel im Autodesign?<br />
Das sollten die Menschen tun, die in<br />
dieser Sache forschen. Aber ich kann<br />
Ihnen sagen, ich hätte vor fünf Jahren<br />
nicht gedacht, dass es eine Sonnenbrille<br />
aus Carbon geben würde. Und vor<br />
nur ein paar Tagen habe ich einen Stift<br />
gesehen, der aus Meteoriten gemacht<br />
war. Man weiß also nie, was passieren<br />
wird. Ich warte darauf, überrascht zu<br />
werden.<br />
170 werkstatt<br />
<strong>INTERSECTION</strong> nr. 02 2009<br />
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