JAHRESBERICHT - Gymnasium Liestal
JAHRESBERICHT - Gymnasium Liestal
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E fuule Siech<br />
Schule mit Charme<br />
Vor 50 Jahren mussten Lehrerinnen ledig sein<br />
Silvia Regazzoni-Ruggaber war die erste Gym-Lehrerin im Baselbiet<br />
21<br />
Foto Internet<br />
«Rämsi, Si sii und bliben e fuule Siech», waren<br />
die letzten Worte, die ich von meinem<br />
Mathelehrers hörte. Er hat sie kaum bös<br />
gemeint. Fakt ist, dass die Rechenkunst für<br />
mich bis heute etwas absolut Unberechenbares<br />
hat, dass ich im Laufe der Jahre jedoch<br />
fast zu fleissig geworden bin ... Am <strong>Gymnasium</strong><br />
war ich in der Rolle des widerspenstigen<br />
Kauzes auch mein eigener Gefangener.<br />
Ich bin dort aufgeblüht, wo ich meine<br />
Macken schöpferisch ausleben durfte, im<br />
Deutschunterricht etwa beim BuMu (Dr. Rita<br />
Buser), das mich jede Erörterung und jeden<br />
Gedichtvergleich in eine Kurzgeschichte umdrehen<br />
liess. Und die Sechs im Sport war<br />
«em fuule Siech» wichtig! Kürzlich habe ich<br />
meinen Roman «Vogelheu» veröffentlicht, in<br />
dem eine 19-jährige Maturandin die Hauptrolle<br />
spielt. Sie ist noch widerborstiger, als<br />
ich es war. Ich habe sie trotzdem gern ...<br />
Markus Ramseier, Matur 1974, Studium der<br />
Germanistik, der Anglistik und der Romanistik<br />
an der Universität Basel, Dr.phil.,<br />
Schriftsteller und Flurnamenforscher<br />
Foto zVg<br />
Es war eine besondere Stimmung, die damals zu<br />
Zeiten des ersten Baselbieter Maturajahrgangs in<br />
den Baracken an der <strong>Liestal</strong>er Kasernenstrasse<br />
herrschte. Einerseits ein Pioniergeist, welcher über<br />
Klassengrenzen hinaus ebenso spürbar war, wie er<br />
Lehrerschaft und Maturanden miteinander verband.<br />
Anderseits aber – man möge mir verzeihen, wenn<br />
ausgerechnet ich das sage – auch der Wille, es den<br />
«Städtern» zu zeigen, dass wir auf dem Land ebenfalls<br />
in der Lage waren, ein eigenes <strong>Gymnasium</strong> zu<br />
führen. All dies verlieh dem <strong>Liestal</strong>er <strong>Gymnasium</strong> einen<br />
besonderen Charme. Vom Klassenkollegen, der<br />
in der Pause Weggli verkaufte, über den sommerlichen<br />
Griechischunterricht zu dritt unter den Bäumen<br />
oder dem Spaghetti kochenden Chemielehrer<br />
bis hin zum Turnunterricht im Schneetreiben mangels<br />
Turnhalle. Das war unser liebenswertes Gymi.<br />
Jörg Schild, Matur 1966, Studium der Jurisprudenz,<br />
Mitglied der Handball-Nationalmannschaft,<br />
von 1992 bis 2006 Regierungsrat des<br />
Kantons Basel-Stadt (zuerst Justiz-, dann<br />
Polizei- und Militärdepartement, das er zum<br />
Sicherheitsdepartement entwickelte),<br />
seit 2006 Präsident der Swiss Olympic Association<br />
Therwil/<strong>Liestal</strong>. Als Silvia Regazzoni<br />
zusammen mit vier Männern 1962 als<br />
Lehrerin für das Gym <strong>Liestal</strong> verpflichtet<br />
wurde, war dies der lokalen Zeitung<br />
einen fast ganzseitigen Artikel wert.<br />
Denn durch die Wahl wurden die fünf zu<br />
Pionieren. Zusammen mit einem Rektor<br />
und einem Konrektor sollten sie die<br />
ersten Gymnasiallehrer werden, die das<br />
Baselbiet je hatte. Die gebürtige Genferin<br />
war die einzige Frau im Team – jung,<br />
intelligent, gut aussehend und, was noch<br />
viel wichtiger war, ledig. Denn das Lehrerinnenzölibat<br />
untersagte es verheirateten<br />
und schwangeren Frauen, Lehrerinnen<br />
zu sein. Das Hauptargument: Eine Frau<br />
kann nicht gleichzeitig arbeiten und Ehefrau<br />
und Mutter sein.<br />
Ein Gesetz, das Mademoiselle Ruggaber,<br />
wie die junge Französisch- und Italienischlehrerin<br />
mit ledigem Namen hiess,<br />
nicht kannte. Als sie dem Rektor nach<br />
zwei Jahren glücklich verkündete, dass<br />
sie bald heiraten werde, traf sie seine<br />
Antwort wie ein Schlag: «Er hat mir direkt<br />
gesagt, dass ich künden muss», erinnert<br />
sich die heute 78-Jährige. Für Regazzoni<br />
war das ein Schock. Sie liebte ihre Arbeit<br />
und auch den Pioniergeist, der am neu<br />
gegründeten Gym herrschte. Alle arbeiteten<br />
daran, dass die erste Matur im Baselbiet<br />
zustande kam und eidgenössisch<br />
anerkannt wurde. «Ich war auch für die<br />
Lehrmittelwahl oder das Programm meiner<br />
Fächer verantwortlich. Dafür beriet<br />
ich mich mit Fachlehrern von Gymnasien<br />
aus den umliegenden Kantonen. Ich habe<br />
diese Verantwortung geliebt und hatte<br />
bereits Pläne für die weiteren Jahre.»<br />
Silvia Regazzoni, geborene Ruggaber