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JAHRESBERICHT - Gymnasium Liestal

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lam Night Quizshow<br />

45<br />

Der Siegertext der Poetry Slam Night vom 19. September 2013<br />

von oben: Daniela Dill, Moderation, Melissa Varela, 2LW, Mirjam Gröflin, 3Ba. Fotos Iria Guldimann, 2Z, Silvan Degen, 4GL<br />

Stellen Sie sich vor: ein Fernsehstudio. 200 – oder 300 –<br />

Menschen im Publikum. Ein gut aussehender Moderator<br />

steht in der Mitte.<br />

Langsamer Kameraschwenk auf ihn. Dramatisches Tongedingsel<br />

wird abgespielt und der Moderator zeigt mit<br />

einem aufmunternden Lächeln sein weisses Gebiss.<br />

Das Publikum applaudiert.<br />

Er hält seine Kärtchen fest und beginnt mit unverwechselbarem<br />

Bernerdialekt: «Gueten Aabe mitenand! Und<br />

härzlech will…»<br />

Halt!<br />

Nein, nicht eine von diesen schrecklichen 2-Folgenwerden-ausgestrahlt-und-dann-wieder-abgesetzt-SF-(oh,<br />

Entschuldigung)-SRF-Sendungen!<br />

Englisch! Ja genau, eine britische Fernsehsendung!<br />

Ok, alles auf Anfang:<br />

Kameraschwenk zum Moderator. Mittelalt, gut aussehend,<br />

Zahnpastawerbung-tüchtig.<br />

Die Menge tobt. Er will anfangen, wird jedoch immer<br />

wieder von passionierten Liebesgeständnissen aus dem<br />

Publikum unterbrochen. Ein verschmitztes Lächeln in die<br />

Kamera, Handküsse zum schmelzenden Publikum.<br />

Perfekt, so muss es sein!<br />

Endlich, die Menge beruhigt sich und der Moderator beginnt:<br />

«Hello and welcome to a brand new series where someone<br />

is gonna leave this studio with…», selbstbewusste<br />

Geste zur Liveband, «drummroll, please. 500 000 pounds!»<br />

Ohrenbetäubender Jubel folgt aus der Menge. Er hat sie<br />

vollkommen um seinen kleinen Finger gewickelt. Das<br />

Publikum wird zu einer Masse aus hirnlosen Wooo-Girls.<br />

Der Moderator lässt den Applaus auf sich wirken.<br />

Eine gefühlte halbe Stunde später stellt er den ersten<br />

Kandidaten vor: «Gary Rold!»<br />

Erneutes Ausbrechen der Menge und der Anwärter auf<br />

das Preisgeld wird von einer spektakulären Lightshow<br />

und dröhnendem Schlagzeuggeschlage empfangen.<br />

Selbstbewusst stürmt er auf die Bühne, holt aus und<br />

macht einen Karate-Kid-würdigen Sprung in die Luft ,<br />

schickt zielsicher einige Boxschläge in Richtung Moderator.<br />

Dieser ist begeistert, weicht aus, schlägt zurück.<br />

Am Ende fallen sich die beiden in die Arme und das Publikum<br />

does approve.<br />

Eine Frau ist so begeistert, dass sie kurzerhand von ihrem<br />

Sitz in der dritten Reihe hochfährt. Mit einem kurzen<br />

Minirock krakelt sie über die Sitze vor ihr, streckt wildfremden<br />

Leuten ihren Po ins Gesicht und findet schliesslich<br />

den Weg auf die Bühne. Die Securitymänner haben<br />

eine Sekunde zu spät reagiert und es gelingt der Frau,<br />

auf den völlig verdatterten Moderator zuzurennen und<br />

ihn innig zu umarmen. Für eine Sekunde ist das Studio<br />

totenstill, bevor das Publikum losprustet und sich auf<br />

den Sitzen kugelt. Jetzt hat auch das Gesicht des Moderators<br />

allmählich seine Farbe wiedergefunden und er<br />

geleitet die Dame gentleman-like zu ihrem Platz zurück.<br />

«This show never gets boring!» Mit einem Oscar-reifen<br />

Grinsen wendet er sich wieder seinem Kandidaten zu.<br />

«So, Gary, are you ready to win 500 000 pounds?», der<br />

Moderator gibt ihm ein zweites Mikrofon, welches Gary<br />

mit festem Griff an sich nimmt. Er lacht und schaut fragend<br />

ins Publikum. «I don’t know, am I ready?»<br />

Die Woo-Girls haben nur darauf gewartet. Es stampft<br />

und tobt und schreit und pfeift. Dem von sich selbst<br />

überzeugten Gary scheint das nicht zu reichen, er wedelt<br />

mit den Armen und dreht und wendet sich in alle<br />

Richtungen dem Publikum zu. Sofort wird das Geschrei<br />

um das 10-Fache erhöht.<br />

So laut, dass der Regieassistent nicht hört, wie der Regisseur<br />

brüllt, er soll die Lautstärke senken.<br />

So laut, dass die Nachbarn die Nachrichten über Syrien<br />

nicht mehr hören oder die Frau im oberen Stock ihr weinendes<br />

Kind nicht mehr versteht.<br />

So laut, dass niemand die hoffnungslosen Schreie der<br />

alten Dame zwei Häuser weiter hört.<br />

Es ist so laut, dass alle Leute darum herum für einen<br />

Moment innehalten und zuhören. Es ist so laut, dass das<br />

brüllende Ehepaar seinen Streit unterbricht und die Autos<br />

vor dem Haus stehen bleiben.<br />

Der Verkehr steht still, weil es so laut ist.<br />

Das blaue Licht der Ambulanz, das an den Häuserfassaden<br />

vorbeizischt, bleibt stehen, weil es so laut ist.<br />

Alles bleibt stehen, weil alle ihre Aufmerksamkeit dieser<br />

grölenden Menge schenken.<br />

Man vergisst seine Probleme, man verschiebt seine Probleme.<br />

Weil man gern Menschen zusieht, die glücklicher<br />

sind als man selbst.<br />

Melissa Varela, 2LW

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