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TRENDS & STRATEGIEN<br />

6 <strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS<br />

2. April 2013 7/13<br />

ONLINE-TOURISMUS<br />

Hin und weg ist anders<br />

Rabattschlachten, starre Vertriebsstrukturen, Google: Die Tourismusbranche kämpft online an vielen Fronten<br />

Exotenstatus vergangener Jahre<br />

Dhaben die Online-Reiseanbieter auf<br />

der diesjährigen Branchenmesse ITB zwar<br />

weitgehend verloren – Zuneigung allerdings<br />

wurde ihnen den Beobachtungen<br />

von Michael Buller zufolge auch in diesem<br />

Jahr nur wenig entgegengebracht. „Viele<br />

schimpfen noch übers Web“, hat der Vorstand<br />

des Verbands <strong>Internet</strong> Reisevertrieb<br />

(VIR) in Berlin beobachtet. Skan dale um<br />

den Leipziger Pauschalreise-Platzhirsch<br />

Unister (Ab-in-den-urlaub.de, Fluege.de)<br />

Ende vergangenen Jahres rücken die Branche<br />

insgesamt in ein schlechtes Licht.<br />

Dabei sei „Unister aber nur ein kleiner Teil<br />

der Industrie, der Rest funktioniert schon<br />

anders“, bricht Buller eine Lanze für die<br />

Branche.<br />

Das tief verwurzelte<br />

Misstrauen gegenüber<br />

dem Web ist typisch für<br />

Branchen, in denen sich<br />

ein starker Offline-Vertrieb<br />

über Jahrzehnte<br />

verankert hat. „Im klassischen<br />

Reisebüro ist der<br />

Inhaber alles in Personalunion:<br />

Marketingchef,<br />

Finanzbuchhalter, Produktchef, bester<br />

Verkäufer“, weiß der VIR-Vorstand.<br />

Entsprechend gering ist die Begeisterung,<br />

sich jetzt auch noch mit dem Web auseinandersetzen<br />

zu müssen.<br />

Veranstalter bevorzugen Stationäre<br />

Doch unstrittig ist: Der Anteil der <strong>Internet</strong>-Buchungen<br />

an Urlaubsreisen wird<br />

sich in den kommenden Jahren deutlich<br />

erhöhen – auch wenn ein Großteil der<br />

Branche dies nicht wahrhaben will. „Die<br />

Travelscout kritisiert, dass die Veranstalter stationären<br />

Reisebüros bessere Konditionen einräumen<br />

meisten Veranstalter bevorzugen zum Beispiel<br />

noch den stationären gegenüber dem<br />

Online-Vertrieb und bringen dies unter<br />

anderem durch teilweise deutlich bessere<br />

Konditionen für den klassischen Vertrieb<br />

zum Ausdruck“, kritisiert Mark Schumacher,<br />

Vice President von Travelscout24.de.<br />

Dabei helfe die separate Betrachtung der<br />

Vertriebswege weder dem Reisebüro um<br />

die Ecke, das schon lange begonnen haben<br />

sollte, über eine eigene smarte <strong>Internet</strong>-<br />

Strategie nachzudenken, noch trage es dazu<br />

bei, dass auf Veranstalterseite die Herausforderungen<br />

für die schon lange nicht<br />

mehr neuen Vertriebswege offensiv angegangen<br />

werden. Hierzu zählt er technische<br />

Themen, wie die Anbindung der Reservierungssysteme<br />

an das Web oder die Einführung<br />

neuer leistungsfähiger Systeme und<br />

eine allgemeine Öffnung der Unternehmensphilosophie<br />

für das E-<strong>Business</strong>.<br />

Die meisten Probleme der Branche mit<br />

dem Web seien laut Verbandschef Buller<br />

aber im Grunde „Luxusprobleme“. „Wir<br />

wachsen weiter zweistellig“, frohlockt er.<br />

Konkrete Zahlen zu Umsatz und Wachstum<br />

sind aber Mangelware. Marktgrößen<br />

wie Booking, Unister, HRS und Expedia<br />

nennen überhaupt keine Umsatzzahlen.<br />

Und auch Jubelmeldungen, denen zufolge<br />

„Online-Reiseanbieter sind<br />

zwar keine Exoten mehr, aber<br />

geschimpft wird weiter über sie.“<br />

MICHAEL BULLER<br />

Vorstand Verband <strong>Internet</strong> Reisevertrieb (VIR)<br />

schon die Hälfte der Reisbuchungen online<br />

getätigt werden, seien relativ zu betrachten,<br />

erklärt Mark Schumacher: „Nimmt man<br />

die weniger komplexen Flug-, Hotel- und<br />

Bahnticketbuchungen heraus, sind wir<br />

noch lange nicht bei einem Online-Anteil<br />

von 50 Prozent.“<br />

Wie auch in anderen E-Commerce-<br />

Segmenten sind Verbraucher von Online-<br />

Reisebüros vor allem dann als Kunden zu<br />

gewinnen, wenn ihnen satte Rabatte versprochen<br />

werden. Nicht umsonst lieferten<br />

sich das Hotelreservierungsportal<br />

HRS und die Hotelzimmerbuchungs-App<br />

Justbook in Sachen<br />

Bestpreisgarantie in den vergangenen<br />

Monaten hitzige Gefechte, die<br />

sogar das Bundeskartellamt auf den<br />

Plan riefen. Hinzu kommt die Konkurrenz<br />

durch branchenfremde Big<br />

Player, allen voran Google, in dem<br />

manch Experte derzeit die größte<br />

Bedrohung für die Online-Reisebranche<br />

sieht.<br />

Google mischt die Karten neu<br />

Wenn Google Direktzugriff auf<br />

Flüge und seit Kurzem auch auf Unterkünfte<br />

bietet, bringt das Aggregatoren<br />

wie Preisvergleichs- und<br />

Produktportale in Bedrängnis. Die<br />

Lösung liegt im Thema Kundenbindung,<br />

schildert Mark Schumacher: „Für<br />

uns heißt es, dass wir unsere Serviceangebote<br />

weiter ausbauen und unsere Mitarbeiter<br />

noch intensiver schulen. Technisch<br />

werden wir einem Konzern wie Google<br />

sicherlich nicht das Wasser reichen können,<br />

fachlich sehe ich für uns und große<br />

Teile der Branche aber Vorteile.“ Torsten<br />

Ostmeier, Gründer und CEO von Kwizzme.com,<br />

einem Online-Matching-Portal,<br />

bei dem Kunden ihre Reisewünsche eingeben<br />

und Anbieter sich auf diese bewerben<br />

Wer online eine Reise<br />

bucht, muss bislang<br />

noch oft viel Zeit und<br />

Geduld mitbringen<br />

können, bläst ins gleiche<br />

Horn: „Wir müssen uns<br />

klar machen, dass auch<br />

Google nur Dinge finden,<br />

auswerten, interpretieren<br />

und als ein Suchergebnis<br />

präsentieren kann,<br />

wenn diese Dinge vorher<br />

von jemandem publiziert<br />

worden sind“, argumentiert<br />

er. Doch genau da beginne<br />

aus seiner Sicht das<br />

Pro blem. Gerade die Branche,<br />

die von sich behaupte,<br />

besonders beratungskompetent<br />

und individuell zu sein, sehe<br />

tatenlos zu, wie mehr und mehr<br />

der Preis die Entscheidungen beeinflusse.<br />

Jahrelang habe die Branche versucht<br />

zu erraten, was der Kunde nachfragen<br />

könnte, und habe dies dann als Einheitsbrei<br />

im <strong>Internet</strong> publiziert. Und Google<br />

sortiere diesen Einheitsbrei dann „nach<br />

Preis“. „Solange dies die einzige genutzte<br />

Differenzierungsmöglichkeit ist, solange<br />

wird auch Google als der Feind Nummer<br />

eins angesehen und das <strong>Internet</strong> sowieso“,<br />

ist Ostmeier überzeugt.<br />

Ob nun die Reise zum Kunden kommt<br />

oder der Kunde zur Reise: Der Service<br />

macht künftig den Unterschied. „Die etablierten<br />

Marken verfügen über einen großen<br />

Bekanntheits- und Vertrauensvorsprung<br />

beim Kunden“, argumentiert Tillman<br />

Bardt, Director Digital Branding von<br />

People Interactive, die Reiseportale wie<br />

Lufthansaholidays.com und Hotelplan.ch<br />

betreuen. Diese Marken seien nun aufgefordert,<br />

sich mit exklusiven Angeboten<br />

von Vergleichsportalen abzugrenzen und<br />

verstärkt auf einen umfassenden Kundenservice<br />

zu setzen.<br />

Insbesondere das mobile <strong>Internet</strong> wird<br />

die Kräfteverhältnisse im Tourismusmarkt<br />

kräftig durcheinanderwirbeln, ist<br />

VIR-Präsident Buller überzeugt: „Die Riesenchance<br />

besteht darin, Services und<br />

Online-Reisevertrieb<br />

Entwicklung der Umsätze (in Mrd. Euro)<br />

10<br />

12<br />

2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />

Im vergangenen Jahr konnte die Reisebranche<br />

einen riesen Umsatzsprung im Web verzeichnen<br />

© INTERNET WORLD<br />

<strong>Business</strong> 7/13<br />

13<br />

14<br />

15<br />

20<br />

Stand: 2012;<br />

Quelle: Verband <strong>Internet</strong> Reisevertrieb;<br />

Dienstleistungen bis ins Urlaubsland und<br />

auch nach der Reise zu liefern, um den gesamten<br />

Customer Lifecycle abzubilden<br />

und den Kunden an eine Marke zu binden.“<br />

Entsprechend erweitern Branchengrößen<br />

wie Tui kontinuierlich ihr Angebot<br />

an <strong>Internet</strong>-Diensten um personalisierte<br />

Seiten wie „meine Tui“ oder mobile Anwendungen.<br />

Komfort fängt bei der Buchung an<br />

Eine weitere Herausforderung für die<br />

Online-Reiseindustrie ist, den Kunden<br />

schneller zum Ergebnis zu bringen. Denn<br />

in Sachen Usability ist noch viel Luft nach<br />

oben. Immerhin habe die Reisebranche<br />

das Problem erkannt, räumt Mathias Ziegler,<br />

Chef des E-Commerce-Portal-Anbieters<br />

Triplemind, ein: „Reiseanbieter müssen daran<br />

arbeiten, ein Gleichgewicht zwischen<br />

benutzerfreundlichen Funktionsflächen<br />

und gestalterisch aufmerksamkeitsstarken<br />

Werbe-/Anzeigenflächen zu finden.“ Dieser<br />

Prozess werde sich jedoch keinesfalls<br />

von heute auf morgen, sondern in kleinen<br />

Schritten vollziehen.<br />

Apropos Werbung: Auch vor Googles<br />

aktivem Brancheneintritt war der Online-<br />

Markt bereits umkämpft, besonders, wenn<br />

es um die Platzierung von Werbeanzeigen<br />

ging, erklärt Ziegler: Es gab durchaus bekannte<br />

Fälle, in denen Keywords auf firmenfremde<br />

Marken geschaltet wurden,<br />

um User auf eigene Seiten zu locken und<br />

sie dort zur Buchung zu bewegen. Grundsätzlich<br />

sind solche Werbeschaltungen<br />

wettbewerbsmäßig nicht verboten. Allerdings<br />

sei sich die Reisebranche generell einig,<br />

dass diese Form der Werbung moralisch<br />

und wettbewerbstechnisch nicht unbedenklich<br />

ist, betont Ziegler. Deshalb hat<br />

die Branche auch einen „Code of Conduct“<br />

erarbeitet. Die Schaltung von Adwords<br />

auf firmenfremde Websites gilt seitdem<br />

als Tabu.<br />

■<br />

CHRISTINA ROSE<br />

Foto: Fotolia / Leroy131

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