Download - Internet World Business
Download - Internet World Business
Download - Internet World Business
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
TOOLS & TECHNIK<br />
30 <strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS<br />
24. Juni 2013 13/13<br />
WEBDESIGN<br />
Flach wie ein Brett<br />
Der 3-D-Effekt hat ausgedient: Die moderne Website ist flach, klar und schnörkellos. Das ist schick – und problematisch<br />
D<br />
Drei Interpretationen<br />
von Flat Design:<br />
Google+, iOS 7 und<br />
Windows Phone<br />
er Frust steht der Dame<br />
ins Gesicht geschrieben.<br />
„Wie komme ich denn von hier<br />
aus<br />
wieder zurück auf diese Kacheloberfläche?<br />
Ich finde keinen ,Schließen‘-Button“,<br />
fragt sie den Leiter des Usability-Labors<br />
ity-Labors<br />
ratlos und fährt suchend mit der Maus<br />
über die ungewohnte Windows-8-Oberfläche.<br />
„Muss ich jetzt wirklich den Computer<br />
ausschalten und wieder hochfahren,<br />
damit ich einfach zurück auf den Startbildschirm<br />
komme?“ Der Mitarbeiter der<br />
Agentur Usability.de notiert gewissenhaft<br />
in seinem Testbogen, dass die Nutzerin<br />
frustriert ist– und sie ist bei Weitem nicht<br />
die einzige der Testgruppe aus Windowserfahrenen<br />
Nutzern, die Probleme mit<br />
Microsofts neuer PC-Oberfläche hat. Wobei<br />
sich die meisten Probanden einig sind:<br />
Schick ist es schon, dieses flache Design.<br />
Kacheloptik als Trendsetter<br />
Flat Design heißt der neue Trend, den<br />
Microsoft mit der neuen Kacheloberfläche<br />
von Windows Phone setzte und mit<br />
Windows 8 für den PC weiterdenkt. „Flat<br />
Design bedeutet: Besinnung auf das Wesentliche“,<br />
erklärt Julia Schnitzer, Studienleiterin<br />
an der Mediadesign Hochschule in<br />
Berlin: „keine Schlagschatten, keine<br />
Glanzlichter, keine Farbverläufe, kein<br />
3-D-Effekt, dafür klare Konturen und<br />
reine Farben“. Das abstrakte Flat Design<br />
setzt sich deutlich vom bisherigen Design-<br />
Trend ab, den einst Apple mit dem iPhone<br />
vorgab: Beim sogenannten „Skeuomorphismus“<br />
(altgriechisch: Gestalt) ging es<br />
darum, die reale Welt mit digitalen Mitteln<br />
so genau wie möglich abzubilden. Deshalb<br />
sah die iPhone-Uhr aus wie direkt von<br />
einem Bahnsteig abgeschraubt und der<br />
Kalender mit dem Blättereffekt wirkte wie<br />
in Leder gebundenes Papier.<br />
Alles unnötiger Schnickschnack, sagen<br />
dagegen die Flat Designer der Avantgarde,<br />
die zuletzt arg über das angestaubte Aussehen<br />
von iOS lästerten: Ästhetisches Design<br />
sei reduziert, benötige klare Farben und<br />
Geometrie. Mit der neuen Version seines<br />
Betriebssystems, das im Herbst veröffentlicht<br />
werden soll, schließt sich Apple zumindest<br />
teilweise dem neuen Design-Trend<br />
an: iOS 7 präsentiert sich verschlankt, setzt<br />
auf eine klare, hervorstechende Typo grafie<br />
und abtrakte Icons. Die jüngst präsentierte<br />
Beta des Betriebssystems wird aber wohl<br />
so nicht in den Handel gehen. „Ich denke,<br />
Apple wird iOS 7 bis zum Herbst noch<br />
optimieren“, meint Schnitzer. „Vor allem<br />
die aktuelle Prinzessin-Lillifee-Farbgebung<br />
könnte nicht nur männlichen Nutzern<br />
zu verspielt sein. Außerdem konnte<br />
sich Apple immer noch nicht von den<br />
reichlich angestaubten Farbverläufen tren-<br />
nen, hier wird sicherlich beziehungsweise<br />
hoffentlich noch etwas passieren.“<br />
Klares Design ohne Schnörkel<br />
Flat Design ist nicht nur den Großen der<br />
Branche vorbehalten: Auch Online Shops,<br />
Agentur-Seiten und Marketingportale setzen<br />
zunehmend auf das klare Design ohne<br />
Schnörkel (Beispiele siehe Kasten unten).<br />
Text-Links, große Inhaltsflächen und Bilder,<br />
mehr Weißflächen, serifenlose Schriftarten,<br />
ein deutlich erkennbarer Rasteraufbau<br />
– die visuelle Sprache des Flat Designs<br />
ist auf den ersten Blick zu erkennen. „Websites<br />
können durch Flat Design viel aufgeräumter<br />
und zielführender wirken“, meint<br />
Oliver Kasparik, Senior Art Director bei<br />
der Multimedia-Agentur Denkwerk. „Zudem<br />
gilt ,flat‘ jetzt als schick und trendy,<br />
weil die Bedienung der Geräte möglichst<br />
einfach wirken soll und auch einfacher<br />
geworden ist.“ Flat Design dürfe aber nicht<br />
dazu führen, bestimmte Nutzergruppen<br />
auszuschließen. „Abstrakte Gestaltung ist<br />
auch anfällig für Fehlinterpretation“, so<br />
Kaspariks Befürchtung. Womit wir wieder<br />
beim anfangs beschriebenen Usability-<br />
Test von Windows 8 wären; die geschilderte<br />
Szene ist da sicher nur ein Problem<br />
von vielen. „Wir haben gesehen, dass User<br />
bei Flat Design oft klickbare Elemente<br />
nicht als solche erkennen oder Inhaltsflächen<br />
aufgrund ihrer Gestaltung für Werbe-<br />
Banner halten“, so Thomas Bartel, Gründer<br />
von Usability.de. „Aus Usability-Sicht<br />
ist jeder krasse Design-Wechsel, wie er mit<br />
Flat Design praktiziert wird, natürlich<br />
zunächst einmal ein Problem.“ Wer also<br />
auf den Design-Zug aufspringen und seine<br />
Website modern und flach haben will, sollte<br />
auch an die Nutzer denken, warnt Kasparik.<br />
„Websites sollten immer gebrauchstauglich<br />
bleiben“, betont der Denkwerk-<br />
Designer und mahnt die Anwendung der<br />
OSIT-Regel (Orientation, Selection, Information,<br />
Transaction) an. „Man könnte anfangs<br />
einen ,Nearly Flat Design‘-Ansatz<br />
verfolgen, um die Nutzer nicht komplett<br />
zu verwirren.“ Sehr feine Konturen um<br />
klickfähige Elemente, schwache Kontraste<br />
im Hintergrund, bei Berührung aufklappende<br />
Kontextmenüs, schmale Pfeile oder<br />
ähnlich einfache Icons auf klickbaren Flächen<br />
– mehr brauchen PC-affine Nutzer<br />
nicht, um das neue Flat Design zu durchschauen<br />
und bedienen zu können. Dann<br />
klappt’s auch beim Usability-Test – und<br />
Website-Betreiber und User können das<br />
Design ohne Frust genießen. il<br />
■<br />
Merkmale von Flat Design<br />
■ Aufbau im Raster- / Kachelsystem<br />
■ Geometrische Formen, klare Linien<br />
■ „Flache“ Gestaltung ohne Verläufe,<br />
Schatten oder Lichteffekte<br />
■ Hervorstechende Typografie<br />
■ Wenige, sehr einfach designte Icons<br />
Bei Nixon.de ist das Rastermuster<br />
klar erkennbar<br />
Klare Typografie statt dicker<br />
Buttons zeichnen den Shopping-Club<br />
Monoqi aus<br />
Der Fahrradkonfigurator von Myownbike.de:<br />
Aufgeräumt und trotzdem leicht zu bedienen<br />
Nudeln pur: Auf der „Cappello’s Gluten<br />
Free“-Website zeigen einfache Pfeile,<br />
welche Flächen geklickt werden sollen