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42<br />
<strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS MEINUNG<br />
24. Juni 2013 13/13<br />
KOMMENTAR<br />
Brot für alle<br />
Komasaufen, „All you can eat“, Bordell-Flatrate –<br />
die Schnäppchenmentalität hierzulande ist<br />
ungebrochen. Dass die<br />
Ankündigung der Deutschen<br />
Telekom, künftig<br />
Datenobergrenzen für<br />
Haushalte einzuführen,<br />
auf wenig Gegenliebe<br />
stößt, kann da nicht verwundern.<br />
Auch das<br />
aktuelle Einlenken der<br />
als „Drosselkom“ verspotteten<br />
Telekom, vermag<br />
die Wogen nicht zu<br />
Vera Günther,<br />
Redaktion<br />
glätten: Statt der bisher vorgesehenen 384 kBit<br />
pro Sekunde soll nun nur auf zwei Mbit pro<br />
Sekunde gebremst werden. So wäre solch eine<br />
abgewürgte Leitung immerhin noch doppelt so<br />
schnell wie die langsamste DSL-Verbindung,<br />
würde aber zum Beispiel kein Video-Streaming in<br />
hoher Auflösung erlauben. Kritikern wie dem Verein<br />
Digitale Gesellschaft geht das Zugeständnis<br />
nicht weit genug. Haushalte mit mehreren <strong>Internet</strong>-Nutzern<br />
wie Familien, klagt die Verbraucherschutzorganisation,<br />
seien weiter benachteiligt.<br />
Wahre Familientragödien kündigen sich hier an!<br />
Schaue mehr als eine Person im Haushalt Videos,<br />
sei das <strong>Internet</strong> für die anderen nicht mehr nutzbar.<br />
Anders gesagt: Wenn der gefräßige Bruder<br />
die streng limitierten vier Scheiben Brot aufgegessen<br />
hat, bleibt nichts mehr für seine Geschwister.<br />
Es sei denn, die Familie kauft genug<br />
Brot für alle. Diese Möglichkeit eröffnet auch die<br />
Telekom: Wer mehr surft und dabei umfangreiche<br />
Datenvolumina abruft, kann größere Datenpakete<br />
gegen Aufpreis ordern. Wer lieber andere<br />
Dienste als die Telekom-eigenen von der Drosselung<br />
ausgenommenen Services nutzt – Stichwort<br />
Netzneutralität –, dem steht auch dies<br />
durch Zubuchung von Volumen offen. Wenn die<br />
Telekom, die Milliardensummen in neue Leitungen<br />
investiert, angesichts des exponenziell ansteigenden<br />
Traffics eine neue Tarifstruktur aufruft,<br />
ist das erst einmal ihr gutes Recht. Ebenso<br />
wie es das Recht des Verbrauchers ist, hier mitzumachen<br />
– oder sein Brot woanders zu kaufen.<br />
Gesetze gegen Aufschwung<br />
Die USA machen es vor: Ein einheitlicher <strong>Internet</strong>-Markt pusht die Wirtschaft<br />
Es war im Jahr 2009, als sowohl die USA<br />
als auch die Europäische Union von<br />
einer heftigen Rezession erfasst wurden.<br />
Während Europa sich davon noch nicht<br />
erholen konnte, hat die US-Wirtschaft<br />
inzwischen auf den Wachstumspfad<br />
zurückgefunden, vor allem aufgrund von<br />
Technologie-Investitionen. Denn sogar in<br />
Rezessionszeiten hielten die privaten Investitionen<br />
in die <strong>Internet</strong>-Infrastruktur<br />
des Landes an. Rund 70 Milliarden US-<br />
Dollar pro Jahr investieren US-<br />
Netzbetreiber in die Infrastruktur,<br />
mehr als 1,2 Billionen<br />
Dollar seit 1996. Insbesondere<br />
die landesweite Einführung<br />
des superschnellen LTE-<br />
Drahtlosnetzwerks hat die<br />
USA gegenüber Europa auf<br />
dem Mobilfunksektor in eine<br />
Führungsposition gebracht,<br />
und die USA liegen auch bei<br />
den Glasfasernetzen vorn.<br />
Derweil verharrt Europa in der Stagnation.<br />
EU-Kommissarin Neelie Kroes,<br />
zuständig für die Digital-Agenda der EU,<br />
setzt darauf, dass ein einheitlicher <strong>Internet</strong>-Markt<br />
in der Union das Blatt wenden<br />
kann. Denn ohne Zweifel ist die Verfügbarkeit<br />
der <strong>Internet</strong>-Infrastruktur ein Faktor<br />
für den Erfolg amerikanischer <strong>Internet</strong>-Unternehmen.<br />
Unter den Top 25 der<br />
Web Companies finden sich nur zwei aus<br />
Europa. Und obwohl Europa elf Prozent<br />
der Weltbevölkerung zählt, stellt es weniger<br />
als zwei Prozent des weltweiten Marktwerts<br />
von <strong>Internet</strong>-Unternehmen. Acht<br />
der zehn größten Websites im Netz sind in<br />
amerikanischer Hand. Im Alltag verbringen<br />
Europäer mehr Zeit mit den lokalisier-<br />
GASTKOMMENTAR<br />
Roslyn Layton<br />
Vice President Digital<br />
Strategy, Strand Consult<br />
■ www.strandreports.com<br />
ten Angeboten von Google, Facebook und<br />
Youtube als mit den 20 größten Websites<br />
lokaler Anbieter. Linkedin hat den europäischen<br />
Jobvermittlungsmarkt umgekrempelt,<br />
Amazon und eBay definierten<br />
den Einzelhandel neu. Trotz zahlreicher<br />
staatlich geförderter Versuche hat Europa<br />
es noch nicht geschafft, lokale Schwergewichte<br />
in den Bereichen Suchmaschinen,<br />
Social oder Video Networks zu etablieren.<br />
Die führenden Innovationen in den Bereichen<br />
Cloud Computing und Content<br />
Delivery Networks kommen gleichfalls<br />
aus Amerika.<br />
Der einheitliche US-Binnenmarkt erlaubt<br />
den amerikanischen Firmen, erst im<br />
Inland zu wachsen, bevor sie die Internationalisierung<br />
wagen – nicht zu vergessen die<br />
kürzeren und schnelleren Entscheidungsund<br />
Umsetzungsprozesse. Das sind auch<br />
Argumente für einen einheitlichen EU-<br />
Markt. Um ihr Ziel zu erreichen, muss<br />
Kroes allerdings einige Herausforderungen<br />
meistern. Etwa die unterschiedliche<br />
Besteuerung in einzelnen EU-Ländern. In<br />
einigen Mitgliedstaaten werden <strong>Internet</strong>-<br />
Dienste mit bis zu 25 Prozent besteuert.<br />
Ungarn senkte dagegen die Steuern für<br />
Telcos, um deren Verluste aus der Finanzkrise<br />
auszugleichen. Ein einheitlicher Markt<br />
würde auch den Weg für Firmenübernahmen<br />
auf EU-Ebene öffnen. Das trifft zwar<br />
auf Widerstand bei den nationalen Wettbewerbsbehörden,<br />
doch letztlich würde es<br />
Europa eine bessere Position gegenüber<br />
der US-Konkurrenz verschaffen.<br />
Ein weiterer Hemmschuh ist die Netzneutralität<br />
– Regeln für <strong>Internet</strong>-Transparenz<br />
und Traffic Management, die ausschließlich<br />
die <strong>Internet</strong> Service Provider<br />
beschränken. Natürlich bestreitet niemand,<br />
dass Transparenz eine gute Sache<br />
ist. Aber wenn es solche Regeln gibt, sollten<br />
sie für alle Teile der <strong>Internet</strong>-Wertschöpfungskette<br />
Gültigkeit haben. Denn<br />
auch Betriebssysteme, Web-Plattformen<br />
und Endgeräte wenden heute Traffic-Management-Praktiken<br />
an, die offengelegt<br />
werden sollten. Doch keiner fragt danach.<br />
Telco-Industrie wird ausgebremst<br />
Die dynamische Architektur des <strong>Internet</strong>s<br />
macht Bedenken bezüglich der Netzneutralität<br />
obsolet. Europäische Telcos haben<br />
bereits angedeutet, dass eine strikte Anwendung<br />
der Netzneutralität Preiserhöhungen<br />
erforderlich machen würde, um<br />
die von Kroes geforderten Infrastruktur-<br />
Investitionen zu finanzieren. Die EU aber<br />
befindet sich immer noch in einer Rezession,<br />
deshalb ist jetzt nicht der Zeitpunkt,<br />
um die fragmentierte und dahinsiechende<br />
Telco-Industrie – genau die Industrie,<br />
die in die Infrastruktur investieren<br />
soll, die benötigt wird, um der Wirtschaft<br />
in Europa den Aufschwung zu<br />
ermöglichen – mit einer lähmenden Gesetzgebung<br />
zu belasten.<br />
■<br />
mail@internetworld.de<br />
Gehört<br />
„Ballons mit Kameras“<br />
Das Projekt klingt wie Science Fiction – und<br />
wird derzeit in Neuseeland getestet: Google<br />
will abgelegene Regionen der Erde mit <strong>Internet</strong>-Zugang<br />
über Ballons versorgen, die in<br />
20 Kilometer Höhe in der Stratosphäre<br />
schweben (<strong>Internet</strong>world.de, 17.06.2013).<br />
„Google sollte die Ballons am besten noch<br />
zusätzlich mit hochauflösenden Kameras ausstatten.<br />
Dann ist der technologische Schritt<br />
zu „Google Live Maps“ gar nicht mehr so<br />
fern ...“<br />
ALEXANDER DROST<br />
„#sieht #echt #seltsam #aus“<br />
Auf Twitter gehören sie schon lange dazu,<br />
nun hat auch Facebook Hashtags eingeführt:<br />
Nutzer können Begriffe jetzt mit<br />
einem Raute-Symbol versehen, das soll helfen,<br />
Beiträge zu bestimmten Themen leichter<br />
zu finden. Praktisch oder überflüssig?<br />
Das meinen unsere Leser dazu:<br />
„#solange #es #nicht #übertrieben #genutzt<br />
#wird ...aber: derzeit noch nicht komplett<br />
ausgerollt und schon ein #hype“<br />
MARTIN HINTERDORFER<br />
„Sehr praktisch, nutze es oft und gerne, auf<br />
G+ und Twitter hauptsächlich.“<br />
STEFANO PICCO<br />
„#das #sieht #dann #echt #seltsam #aus #,<br />
#wenn #Social-#Media-#Manager #ihren #job<br />
#ernst #nehmen #und #alles #hashtaggen“<br />
JÖRG LAMBERTIN<br />
Ihre Meinung ist uns wichtig!<br />
Haben Sie Kommentare, Vorschläge oder<br />
Kritik? Schreiben Sie einen Leserbrief an<br />
■ mail@internetworld.de<br />
Haben Sie sich beruflich verändert? Dann<br />
schicken Sie uns doch eine Nachricht an<br />
■ aufstieg@internetworld.de<br />
Fragen zu Ihrem Abo richten Sie bitte an<br />
■ leserservice@internetworld.de<br />
„Wir sind enttäuscht, wie sich die Aktie im<br />
vergangenen Jahr entwickelt hat.“<br />
Facebook-Gründer MARK ZUCKERBERG signalisiert auf der ersten<br />
Hauptversammlung nach dem Börsengang 2012 Mitgefühl mit den Anlegern<br />
„Die De-Mail bietet in ihrer derzeitigen Form keine wirklich höhere<br />
Sicherheit gegenüber der herkömmlichen E-Mail.“<br />
HARMUT POHL, Sprecher des Arbeitskreises „Datenschutz und Sicherheit“ in der Gesellschaft<br />
für Informatik e.V. (GI), bemängelt die fehlende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei De-Mail<br />
„Wir empfehlen dringend, keine US-amerikanischen<br />
Dienste zu nutzen.“<br />
THILO WEICHERT, Schleswig-Holsteinischer Datenschutzbeauftragter,<br />
zieht die Konsequenz aus den Meldungen um das „Prism Project“<br />
des US-Geheimdienstes NSA<br />
„Wenn die Bundesliga-Rechte tatsächlich helfen sollten, den Paradigmenwechsel<br />
hin zu einer Bezahlkultur für journalistische Inhalte im<br />
Netz einzuleiten, dann war jeder Euro sein Geld wert.“<br />
Bild-Digital-Chefin DONATA HOPFEN verteidigt das Paid-Content-Konzept des Hauses