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E-COMMERCE<br />
22 <strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS<br />
7. Januar 2014 1/14<br />
ONLINE-LEBENSMITTELHANDEL<br />
Frische per Mausklick<br />
Komplexe Kühllogistik und skeptische Kunden: Diese Barrieren müssen deutsche E-Food-Anbieter überwinden<br />
ährend Online in<br />
WGroßbritannien (Tesco,<br />
Sainsbury’s, Ocado), Frankreich<br />
(Auchan, Carrefour)<br />
und der Schweiz (Le<br />
Shop/Migros) schon<br />
eine kleine Handvoll<br />
Prozent am Lebensmitteleinzelhandel<br />
für sich beansprucht, haben sich<br />
in Deutschland bereits Otto,<br />
Amazon, aber auch Start-ups wie<br />
Froodies und Supermarkt.de die<br />
Zähne an E-Food ausgebissen.<br />
Doch das soll nicht so bleiben.<br />
Immerhin geht es um 160 Milliarden<br />
Euro Lebensmittel-Jahresumsatz,<br />
der sich zu 99 Prozent in<br />
stationärer Hand befindet. Demografische<br />
Entwicklungen und Änderungen<br />
des Lebensstils sowie die<br />
explodierende Smartphone-Nutzung<br />
dürften dieses gigantische<br />
Marktpotenzial bald online anzapfbar<br />
machen – für Anbieter mit eigener<br />
Logistik oder Spezialisten mit Convenience-<br />
oder Frischeangeboten. Aber auch<br />
Edeka, Rewe, Real und Kaiser’s Tengelmann<br />
rüsten sich. Händische Kommissionierung<br />
jenseits der Palette, passende<br />
Warenwirtschaft und nationale In-Time-<br />
Lieferung mit Kühlkette folgen allerdings<br />
im E-Commerce anderen Gesetzen als das<br />
Pure Play auf der Fläche.<br />
Herkulesaufgabe Logistik<br />
Entsprechende Logistikstrukturen existieren<br />
jedoch erst in Ansätzen. Die Deutsche<br />
Post DHL in Bonn testet gerade einen<br />
abendlichen Zustelldienst in vier Ballungszentren<br />
(20 Städte bis Ende 2014),<br />
berichtet Jens Drubel, kommissarischer<br />
Sprecher des Bundesverbands Lebensmit-<br />
Elektronik, Salat und Eier aus einer Hand<br />
Seit Dezember 2013 erhalten „Amazon Prime<br />
Fresh“-Mitglieder in Los Angeles für eine Jahresgebühr<br />
von 299 US-Dollar eine kostenlose<br />
„Wein-Gartruthahn-und-Co.“-Lieferung sowie<br />
eine Food-Frühlieferung für Warenkörbe ab 35<br />
Dollar – unter dem Label „Amazon Fresh“.<br />
Experten rechnen damit, dass Amazon vom<br />
Cross-Selling profitieren und vom Kuchen der<br />
großen US-Lebensmittelhändler naschen wird.<br />
Das Motto: Elektronikartikel, Salat und Eier –<br />
geliefert in einem Aufwasch – binden Kunden.<br />
Kühllaster bringen die Frischwaren zum Kunden,<br />
sind aber keine flächendeckende Lösung<br />
tel-Onlinehandel (BVLO), Vorsitzender<br />
des E-Food-Arbeitskreises im Versandhandelsverband<br />
BVH und Chef des<br />
zu rund 80 Prozent Post-eigenen Online-<br />
Lebensmittelhändlers Allyouneed.com.<br />
Der Lieferdienst der Post in den Metropolen,<br />
den Allyouneed intensiv nutzt, stellt<br />
verplombte Mehrwegfrischeboxen in<br />
vorab festgelegten Abendzeitfenstern zu.<br />
Der Bote öffnet die Kühlbox im Beisein<br />
Und das obwohl die E-Food-Margen nicht in<br />
den Himmel wachsen. „Wenn wir wollen, dass<br />
ein Kunde täglich einen Grund hat, mit uns in<br />
Interaktion zu treten, müssen wir Nahrungsmittel<br />
im Angebot haben und nicht nur Bücher<br />
und Schuhe“, ließ Amazon-Deutschlandchef<br />
Ralf Kleber im November verlautbaren, denn:<br />
Seine Unit hegt ebenfalls Frischeambitionen.<br />
Allerdings gestalte sich die Logistik wegen der<br />
einzuhaltenden Kühlkette als „kompliziert“<br />
und verlange passende Strukturen.<br />
Amazon-Einwegverpackungen für<br />
Frischwaren: Täglich kühl geliefert<br />
des Kunden, übergibt die<br />
Innenverpackung und nimmt bis<br />
zu acht Kilo Kühlmittel, welches eine<br />
48-Stunden-Passivkühlung sicherstellt,<br />
nebst Box wieder mit.<br />
Allerdings: „Derzeit ermöglicht es kein<br />
Logistiker in Deutschland, Frischeprodukte<br />
mit einem hohen Qualitätsanspruch<br />
flächendeckend zum Kunden zu<br />
bringen“, beschreibt Benjamin Junge,<br />
technischer Leiter E-Commerce bei Lieferello,<br />
den Status quo. Darum<br />
klammert die Online-<br />
Lebensmittel-Tochter der<br />
Supermarktkette Citti<br />
den Frischebereich vorerst<br />
aus ihrem stattlichen<br />
E-Food-Sortiment von<br />
80.000 Artikeln aus –<br />
„bis es eine flächendeckende<br />
Kühllösung<br />
passend zu unserem<br />
Qualitätsanspruch geben<br />
wird“, betont Junge.<br />
Wer heute schon gekühlte<br />
und TK-Produkte<br />
auch aufs Land liefert,<br />
muss sich mangels flä-<br />
Von der Frische im<br />
Online-Supermarkt<br />
ist die E-Food-Branche<br />
noch weit entfernt<br />
chendeckender Branchenlösung<br />
mit selbst<br />
angeschafften und damit<br />
margensenkenden Einwegverpackungen,<br />
backsteinschweren Passivkühlungen und<br />
dem Gefahrgut Trockeneis für TK-Ware<br />
auseinandersetzen. Daher nutzt mancher<br />
Händler Kühlbox-Retouremechanismen –<br />
Pfandsysteme wie bei Mytime.de oder Zubringer<br />
in Richtung Recycling-Kreisläufe<br />
wie bei Allyouneed. „Verpackung braucht<br />
eine Branchenlösung, unabhängig vom<br />
Händler und Logistiker“, fordert deshalb<br />
Allyouneed-Chef Drubel. „Einwegverpackungen<br />
erzeugen wesentlich mehr Müll<br />
und Kundenunmut als die klassische<br />
Supermarkttüte“, argumentiert er. Allerdings<br />
sind Kurierlösungen ohne Styropordrumherum,<br />
bundesweit geliefert mit<br />
Kühlfahrzeugen, laut Lieferello-Manager<br />
Junge kaum realistisch. Kühl-„Packstationen“<br />
sowie die Anlieferung an Tankstellen,<br />
Kiosks und Tabak-Shops mit<br />
Kühlung seien indes interessante Optionen.<br />
„Einen Zalando für den Lebensmitteleinzelhandel<br />
gibt es noch nicht – selbst<br />
wenn man den Frischebereich ausklammert“,<br />
betont Till Overhoff, Marketingleiter<br />
E-Commerce bei Lieferello. Bis dahin<br />
könnten indes Windel-, Champagnerkisten-<br />
oder Hundefutter-Abos en vogue<br />
sein. „Das Thema ,schwer und sperrig‘<br />
macht Online-Supermarktkäufe<br />
gerade für Kunden aus<br />
ländlichen Gebieten<br />
interessant, weil sie<br />
sich so benzinfressende<br />
Shopping-Center-Anfahrten<br />
sparen können“,<br />
hofft Allyouneed-Chef Drubel.<br />
Nicht ohne meine Kunden<br />
Die übrigen Argumente, um Kunden von<br />
E-Food zu überzeugen, lauten „Convenience<br />
zu vertretbaren Kosten“ (was nur<br />
über Skaleneffekte gelinge dürfte) und<br />
„Frische trotzt Paket“: „,Versandäpfel‘<br />
sind frischer und weniger verkeimt als<br />
Früchte, die tagelang in ausgeleuchteten<br />
Selbstbedienungskörben gelegen haben“,<br />
betont Overhoff. Werden also in Kürze<br />
E-Shop-Kunden in TV-Spots vor Frischeglück<br />
über Salatköpfe schreien, um E-Food<br />
zu pushen? Werden Expresskäufe, Empfehlungen<br />
und Erinnerungsfunktionen<br />
80.000 Produkte, aber keine Frischwaren: Der Lebensmittel-<br />
Versender Lieferello ist nicht der Einzige, der die Kühlkette scheut<br />
E-Shops beflügeln, Einkaufslisten-Apps<br />
wie Pilze aus dem Boden schießen und<br />
„einge groovte“ Kunden in zwei Minuten<br />
ihren Wocheneinkauf von der Bushaltestelle<br />
aus erledigen? Es könnte klappen: wenn<br />
die Logistiker E-Food hoch hängen, wenn<br />
Online-Supermärkte nutzerfreundlich daherkommen<br />
und wenn alle eine gemeinsame<br />
Kommunikationsstrategie verfolgen. ■<br />
KRISTINA SCHREIBER