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<strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS MEINUNG<br />
7. Januar 2014 1/14<br />
KOMMENTAR<br />
Verpasste<br />
Chance<br />
Frank Kemper,<br />
Stv. Chefredakteur<br />
Sie war als „<strong>Internet</strong>-<br />
Ministerin“ in einem<br />
Kabinett Steinbrück vorgesehen,<br />
doch seit der<br />
Bundestagswahl im September<br />
2013 ist Gesche<br />
Joost wieder aus den<br />
Schlagzeilen verschwunden.<br />
Und mit der Professorin<br />
aus Berlin offenbar<br />
auch die Idee, die Belange<br />
der digitalen Wirtschaft, der digitalen Kommunikation<br />
und der vernetzten Gesellschaft im<br />
21. Jahrhundert in einem zentralen Ressort zu<br />
bündeln. Wichtig genug wäre das Thema, schließlich<br />
stemmt die <strong>Internet</strong>-Industrie heute nicht<br />
nur ein Viertel des Wirtschaftswachstums der<br />
Republik, ihr Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt<br />
ist auch höher als etwa das der Landwirtschaft –<br />
für die es ein eigenes Ministerium gibt. Das Konzept,<br />
mit dem die Große Koalition die digitalen<br />
Herausforderungen der Zukunft bewältigen will,<br />
kann die <strong>Internet</strong>-Wirtschaft nicht erfreuen: Auf<br />
den ersten Blick ist Alexander Dobrindt (CSU)<br />
der neue Mann fürs Netz, das Ressort des neuen<br />
Verkehrsministers wird um den Bereich „Digitales“<br />
erweitert. Doch dies gilt nur für Infrastrukturthemen<br />
wie den Breitbandausbau – und wohl auch<br />
für die Netzneutralität. Die Umsetzung der Digitalen<br />
Agenda der EU liegt dagegen beim Wirtschaftsministerium<br />
unter Sigmar Gabriel (SPD).<br />
Die Themen Datenschutz und Verbraucherschutz<br />
werden – immerhin – zusammengefasst im neuen<br />
Justizministerium, welches den Verbraucherschutz<br />
vom Landwirtschaftsministerium übernimmt.<br />
Auch das Innenministerium (E-Governance,<br />
Security) und die Kulturstaatssekretärin Monika<br />
Grütters (CDU) werden bei Netz-Themen<br />
Akzente setzen wollen, sodass am Ende das<br />
halbe Kabinett für die <strong>Internet</strong>-Wirtschaft zuständig<br />
ist – und niemand so richtig. Ob Deutschland<br />
damit eine <strong>Internet</strong>-Politik aus einem Guss<br />
bekommt, darf getrost bezweifelt werden.<br />
Noch mehr Abmahnungen?<br />
Ein Urteil des Bundesgerichtshofs regt die Fantasie von Anwalt Volke an<br />
igentlich handelte es sich um eine ganz<br />
Enormale Wettbewerbssache bei dem<br />
Urteil mit dem Aktenzeichen I ZR 209/11,<br />
das der Bundesgerichtshof am 20. März<br />
2013 sprach. Der Stein des Anstoßes: Das<br />
Callcenter eines Anbieters für DSL-Produkte<br />
hatte potenzielle Kunden ohne<br />
vorliegendes Einverständnis angerufen –<br />
das aber ist laut UWG verboten. Dies ist<br />
zunächst einmal wenig spektakulär. Interessant<br />
an dem Urteil ist jedoch ein<br />
Nebenaspekt, der sich aus der<br />
Begründung ergibt: In Fällen<br />
wie dem oben beschriebenen<br />
können jetzt auch Mitbewerber<br />
und Verbände gegen Verstöße<br />
eines Dritten vorgehen.<br />
Wer darf klagen?<br />
Im Wettbewerbsrecht gibt es<br />
Normen, die es dem Betroffenen<br />
ermöglichen, gegen den<br />
Verursacher der Rechtsverletzung<br />
selbst vorzugehen. Bekomme ich<br />
unaufgefordert Werbeanrufe, kann ich<br />
mich in verschiedenen Formen gegen<br />
diese Störung zur Wehr setzen. Der BGH<br />
hat jedoch etwas anderes entschieden:<br />
Nicht nur die angerufene Person soll diese<br />
Verletzung verfolgen können, sondern<br />
auch Dritte, also Mitbewerber oder Verbände.<br />
Dies ist ein ungemein wichtiger<br />
Unterschied. Wichtiger als es viele vielleicht<br />
wahrhaben wollen.<br />
Denn es lassen sich ohne viel Mühe Beispiele<br />
finden, bei denen nicht nur der Verletzte<br />
selbst betroffen ist, sondern auch die<br />
Wettbewerber des Betroffenen: Ein Unternehmer<br />
nutzt beispielsweise Fotos eines<br />
Rechteinhabers ohne dessen Berechti-<br />
GASTKOMMENTAR<br />
gung. Verletzt wird dadurch eigentlich nur<br />
der Urheber der Bilder, er kann daher natürlich<br />
auch jederzeit gegen den Nutzer<br />
seiner Fotos vorgehen. Kann das aber auch<br />
ein Mitbewerber des Verursachers?<br />
Wenn also jemand weiß, dass ein Mitbewerber<br />
seine Produkte nur deshalb so<br />
günstig anbieten kann, weil er, im Gegensatz<br />
zu anderen rechtstreu agierenden<br />
Mitbewerbern, keine Lizenzgebühren an<br />
den Inhaber eines Patents oder an den<br />
Claus Volke<br />
ist Rechtsanwalt, Fachanwalt<br />
für gewerblichen Rechtsschutz<br />
und für IT-Recht<br />
■ www.volke2-0.de<br />
Urheber von Fotos zahlt: Kann dann dieses<br />
Unternehmen neben dem Patentinhaber<br />
oder dem Urheber auch gegen den Lizenzpreller<br />
vorgehen?<br />
Das war bislang nicht eindeutig geregelt.<br />
Bisher galt: Der Inhaber des Rechts ist der,<br />
dessen Recht eindeutig verletzt wurde,<br />
Und nur der kann gegen den Verletzer<br />
vorgehen. Andere – zum Beispiel Wettbewerber<br />
– durften dies in vielen Fällen<br />
jedoch nicht, auch wenn klar war, dass der<br />
Täter durch diesen Rechtsbruch einen klaren<br />
(Wettbewerbs-)Vorteil hat. Das führte<br />
immer wieder zu einigen Aggressionen<br />
bei Unternehmen.<br />
Bleiben wir bei unserem Beispiel: Wenn<br />
der Urheber eines unberechtigt genutzten<br />
Fotos eine Auseinandersetzung mit dem<br />
vielleicht wirtschaftlich zu groß und<br />
mächtig erscheinenden Rechtsbrecher<br />
scheut, hat dessen Mitbewerber, obwohl er<br />
von diesem Vorgehen weiß, selbst keine<br />
Chance, dies zu unterbinden. Dies ärgert<br />
diese Wettbewerber natürlich mächtig<br />
und der Umstand, dass sie womöglich<br />
selbst für die Nutzung der gleichen Bilder<br />
hohe Gebühren an den klagefaulen Urheber<br />
zahlen, macht die Sache für sie nur<br />
noch nerviger.<br />
Die Stunde der Nicht-Betroffenen<br />
Das BGH-Urteil sagt nunmehr, dass nun<br />
endlich die Stunde der eigentlich nicht<br />
unmittelbar Beteiligten geschlagen hat.<br />
Und durch was? Natürlich durch das Allheilmittel<br />
der wettbewerbsrechtlichen<br />
Abmahnung. Damit ergibt sich aber schon<br />
das nächste Problem: Wenn eine Kenntnis<br />
von der Wettbewerbsverletzung eines<br />
anderen ausreicht, um dann gegen den<br />
Verletzter selbst vorgehen zu können, ist es<br />
hier doch gar nicht mehr so weit, bis folgender<br />
Anzeigentext in irgendeiner Zeitung<br />
erscheinen könnte:<br />
Wenn Sie von einem unserer Mitbewerber<br />
werbend angerufen werden, ohne diesem<br />
vorher eine Einwilligung dazu erteilt zu<br />
haben, kommen Sie zu uns. Wir regeln das<br />
für Sie! Zudem erhält jeder Kunde, der uns<br />
eine solche Information gibt, einen Gutschein<br />
in Höhe von 50 Euro bei seinem nächsten<br />
Einkauf bei uns. Wir behandeln Sie als unseren<br />
Kunden natürlich immer rechtsfehlerfrei.<br />
Versprochen!<br />
Sicher ist dies alles hier maßlos übertrieben<br />
dargestellt und so doch gar nicht rechtlich<br />
möglich – oder?<br />
■<br />
mail@internetworld.de<br />
Gehört<br />
Schwarzer Freitag<br />
In Ausgabe 25/2013 (Seite 20) berichteten<br />
wir vom „Black Friday“, dem umsatzstärksten<br />
Tag im US-Einzelhandel. Er brachte<br />
nicht nur Umsatzrekorde, sondern vor<br />
allem in Deutschland auch einigen Shops<br />
heftige Performance-Probleme. Dazu Kommentare<br />
unserer Leser:<br />
Es ist zumindest richtig, dass viele Webshops<br />
auch so schon mit normalen Besuchszahlen und<br />
Bot-Zugriffen zu langsam sind. Leider wissen<br />
viele Händler scheinbar nicht, dass es auch ein<br />
Ranking-Faktor für Google ist und Besucher<br />
vom Kauf abhalten kann.<br />
ANDREAS WELLENSIEK<br />
Mactrade.de war absolut lächerlich. Etwa den<br />
halben Tag gar nicht mehr erreichbar.<br />
TONY MEANTANA<br />
„Unterirdische Mobil-Webseiten“<br />
In einer Befragung des Preisvergleichsanbieters<br />
Become Europe bezweifelt die<br />
Mehrzahl der Händler, dass über den mobilen<br />
Kanal große Umsätze erwirtschaftet<br />
werden können. Dazu Kommentare:<br />
Sollen sie das weiter glauben, dann sind wir<br />
bald die Shops los, die unterirdische Mobil-<br />
Webseiten anbieten.<br />
CHRISTIAN HANKE<br />
In drei Jahren wird Mobile führend sein.<br />
TAMER CELEN<br />
Ihre Meinung ist uns wichtig!<br />
Haben Sie Kommentare, Vorschläge oder<br />
Kritik? Schreiben Sie einen Leserbrief an<br />
■ mail@internetworld.de<br />
Haben Sie sich beruflich verändert? Dann<br />
schicken Sie uns doch eine Nachricht an<br />
■ aufstieg@internetworld.de<br />
Fragen zu Ihrem Abo richten Sie bitte an<br />
■ leserservice@internetworld.de<br />
„Und, Bam! Schon ist es bei Ihnen zu Hause.“<br />
Vente-priveé-Gründer JACQUES-ANTOINE GRANJON erklärt in<br />
einem Youtube-Video, wie er am Ende des 21. Jahrhunderts Pakete ausliefern<br />
will: innerhalb von Sekunden – per Teleportation<br />
„International würden wir die Erhaltung eines offenen und freien<br />
<strong>Internet</strong>s sowie die zukunftsfähige Gestaltung des europäischen<br />
Datenschutzes ganz oben auf die politische Agenda setzen.“<br />
Eco-Verbandsvize OLIVER SÜME formuliert Prioritäswünsche für die Netzpolitik<br />
„Wir brauchen hochleistungsfähiges <strong>Internet</strong><br />
auch in Ostdeutschland.“<br />
Die neue Staatssekretärin im Finanzministerium IRIS GLEICKE (SPD)<br />
will als Ost-Beauftragte der Bundesregierung Schwerpunkte setzen<br />
„Als ich die ersten Berichte rund um die Enthüllungen von Edward<br />
Snowden las, dachte ich mir: Jetzt gehörst du der Katz.“<br />
Der 57-jährige österreichische Industrielle WOLFGANG PINEGGER entwickelt mit GL Brain<br />
eine Facebook-Alternative – die ohne persönliche Daten auskommen soll